Lange bevor Kratos, der Gott des Krieges, in den hohen Norden übersiedelte, hatten die Helden von Banner Saga mit den Launen der nordischen Götter zu kämpfen. Und mit den bitterkalten Temperaturen. Wir haben das große Finale unter die Lupe genommen, ziehen aber auch ein Fazit, was den Reiz der gesamten Saga ausmacht – unser Helden-Review.
von Christoph Geretschlaeger
Banner Saga ist kein Spiel für Perfektionisten. Deine Leute werden sterben. Mit deinen Entscheidungen kannst du ihr Schicksal hinauszögern oder andere Helden ins Kreuzfeuer stellen. In einer Mischung aus interaktiven Story, Text-Adventure und rundenbasiertem Taktik-Spiel steuerst du einen Trupp Überlebende auf der Suche nach Zuflucht.
Das Spiel vermeidet bewusst die üblichen Klischees von einem einzelnen Helden, von Loot oder von neu laden nach einer Niederlage. Entwickler Stoic möchte die Story des gesamten Karavans erzählen und ermutigt Spieler dazu mit den Konsequenzen ihrer Entscheidungen zu leben. Die (nur) automatische Speicherfunktion unterstreicht das.
Von Wikinger-Legenden inspiriert spielt Banner Saga in einer Welt des ewigen Zwielichts. Die Sonne bewegt sich nicht mehr am Firmament und die lang verschollene Rasse der Dredge (Steinwesen in Rüstung) bedroht die Siedlungen der Menschen und der Varl (kräftige Riesen mit großen Hörnern).
Im ersten Teil finden der Jäger Rook und seine Tochter Alette ihr Dorf überrannt von Dredge. Mit der Frau des Häuptlings Oddleif, ihrem Varl-Freund Iver und den restlichen Überlebenden machen sie sich auf der Suche nach Zuflucht. Im Kampf gegen die Dredge werden viele schwere Entscheidungen gefällt. Währenddessen verursacht eine riesige Schlange massive Erdbeben und reißt Landstriche förmlich auseinander. Mit ihr setzt auch eine Dunkelheit ein, die droht die ganze Welt zu vereinnahmen.
Der Weg für unseren Karavan wird in Banner Saga 2 immer schwerer als sie versuchen die Hauptstadt der Menschen, Arberrang, zu erreichen. Parallel dazu untersuchen die Ravens, eine Gruppe Söldner bestehend aus Varls und Menschen, die Schlange.
Banner Saga 3 ist auch kein Picknick im Park. Die Dunkelheit wächst immer weiter. Nur ein kleiner Trupp versucht, beschützt von zwei Spellweavern (mächtige Zauberer), ins Herz der Finsternis vorzustoßen und den Fluch zu lüften, der auf der Welt lastet. Der letzte Rest des Karavans sucht in Arberrang Zuflucht. Doch die Einheimischen sind abweisend, verstecken sich hinter hohen Mauern und gewähren den müden Reisenden keine Zuflucht – vorerst.
Kämpfe sind nicht unbedingt die Stärke von Banner Saga. Vor jeder Auseinandersetzung wählst du von deinem Karavan die sechs besten Kämpfer aus. Hakon ist ein mächtiger Varl, Rook ein findiger Jäger, der im Fern- als auch im Nahkampf brilliert und Folka eine gestandene Schildmaid – um nur ein paar Namen zu nennen. Die Gegner, hauptsächlich Dredge und ab und zu mal vereinzelten Menschen und Varls, sind leider wenig abwechslungsreich. Dafür aber recht intelligent. Schnell liegt einer deiner sechs Partymitglieder mit der Nase im Schnee. Krieger, die einen Köpfler ins kühle Weiss gemacht haben, müssen sich danach etwas erholen.
Kann es sich dein Karavan mit schwindenden Ressourcen wirklich erlauben mehrere Tage Rast zu machen? Nein, deswegen müssen sie sich im laufen erholen und andere Kämpfer ran. Wichtig ist es die Erfahrungspunkte, die man nur durch Todesstöße bekommt, aufzuteilen. Haut dein Jäger alle Leute um, kann auch nur er im Level aufsteigen, seine Werte verbessern und mächtigere Schmuckstücke, Trinkets, tragen.
Abwechselnd tögeln deine Leute und die Dredge aufeinander ein. Jede Einheit hat Rüstung und Stärke (Lebenspunkte und Schaden). Je kaputter die Rüstung desto mehr Schaden bekommt man. Auf quadratischen Feldern läufst du auf Gegner zu, wägst ab, ob die Bogenschützen noch in Reichweite sind und stellst Fallen wo es opportun erscheint. Neu im dritten Teil der Saga sind Gegner, die in Wellen kommen. Besiegst du den Boss in der letzten Welle winken tolle Trinkets. Hat die vorige Welle zu viele Verletzte gefordert kannst du auch einfach fliehen. Aber das Verlieren eines Kampfs bedeutet keineswegs Game Over (außer bei Endbossen). Der Karavan zieht dennoch weiter.
Management der Ressourcen hat in Banner Saga höchste Priorität. Mit vollem Magen kämpft sich‘s gut. Aber nicht nur Krieger müssen ihren Hunger stillen, ein Karavan will ebenso verpflegt werden. Wenn das Essen ausgeht, versuchen sich einige vielleicht selbst durch die Wildnis zu schlagen. Kannst du das mit deinem Gewissen vereinbaren?
Die Erfahrungspunkte aus den Kämpfen darfst du, neben dem Leveln deiner Charaktere, auch für Proviant ausgeben. Die richtige Balance ist überlebenswichtig.
Schlichtungsstelle Häuptlingszelt. Wenn Björn Lasse bestiehlt, muss er mit Konsequenzen rechnen. Ein Klaps auf die Finger und Lasse verlässt erbost das Lager. Hand abhacken und Björn nimmts dir übel und setzt die Zelte in Brand. Der Ausgang ist nicht vorherzusehen, du musst deinem Instinkt vertrauen. Das sind alltägliche Konflikte. Nebenbei lastet auch das Überleben der Menschheit auf deinen Schultern. Als Häuptling musst du immer abwägen, was unmittelbar und in Zukunft für den Karavan das Beste ist. Und das mit den Konsequenzen – jup, erraten – mit denen musst du leben.
Nein, keine Sorge, ich fange jetzt nicht mit Spoilern an. Im dritten Teil kulminiert die Geschichte in einem dramatischen Wettlauf gegen die Zeit. Alle schlechten Entscheidungen der vorigen Teile, und hui da gab es einige, fallen jetzt auf mich zurück. In Zeitnot schleppe ich mich von Kampf zu Kampf. Meine Ressourcen gebe ich wieder für sinnlose Schmuckstücke aus, oder investiere in Kämpfer, die kurz darauf das Lager verlassen wollen. Aber ganz ehrlich, soll ich die Jägerin, die gerade im Kampf ihren Ältesten verloren hat, wirklich daran hindern ihre beiden verbliebenen Söhne zu nehmen und abzuhauen? Vertraue ich meinem Instinkt, oder dem der Charaktere?
Mit dem Ende gehen der Welt von Banner Saga 3 die Lichter aus. Statt dem großen Trek durch die eisige Tundra, durch unzählige farbenfrohe und phantasievolle Landstriche, ist der Karavan gefangen in Arberrang, der Hauptstadt der Menschen. Von einem Feuer zum nächsten, von einer Katastrophe in die andere. Mal müssen die Mauern gegen die Dunkelheit beschützt werden, mal die Leichtsinnigkeit der verbleibenden Clans bestraft werden. Währenddessen kämpft sich die Last-Chance-Crew durch entstellte Dredge. Die Aussichten sind trist. In dunklem Violett getaucht werfen riesige Felsen harte Schatten auf unsere Gruppe. Atmosphärisch passend dazu die sanfte, und doch bedrohliche Soundkulisse.
Mit Banner Saga 3 hatte ich, im Gegensatz zu den Vorgängern, einige technische Probleme. Ungefähr jede Stunde, oft vor Zwischensequenzen, ist es mir abgestürzt. Durch die häufige, automatische, Speicherung habe ich dabei jedoch nie mehr als vielleicht fünf Minuten Fortschritt verloren. Man ist durch die Ereignisse schon leidgeprüft genug, da kann man so eine Frustration nicht brauchen.
Die Banner Saga ist eine mitreißende, bewegende, an den Gefühlen zerrende Erfahrung, die ich jedem ans Herz legen muss. Bunte, abwechslungsreiche Charaktere, eine lebendige Welt. Ganz liebevoll, in einem eigenen Stil, gemalte Standbilder erwecken die Wikinger zum Leben. Knifflige Entscheidungen mit weit reichenden Konsequenzen. Diese Momente und die faszinierende, originelle Story sind die Eckpfeiler von Banner Saga. Leider sind die Kämpfe mitunter fad und wiederholen sich.
Oft werde ich gefragt, ob man mit diesem x-ten Teil der Reihe anfangen kann. Meistens antworte ich, dass es völlig wurscht ist, ob man die Vorgeschichte zu Yakuza, Fallout oder Assassins Creed kennt. Banner Saga 3 ist anders. Die Teile sind so sehr miteinander verwoben, dass Neueinsteiger mit der Story und mit der Fülle an Charakteren (in Fähigkeit als auch in Persönlichkeit) schnell überfordert wären. So viel Herzblut steckt im Aufbau der Welt, dass es auch schade wäre, die anderen Teile nicht zu spielen. Zumal alle die gleiche Engine und das gleiche Kampfsystem verwenden.
Für sich allein ist Banner Saga 3 schwer zu beurteilen, es baut direkt auf seinen Vorgängern auf und bleibt der bewährten Formel treu. Eine Welt, die immer tiefer in der Finsternis versinkt. Eine letzte Bastion der Menschheit, die beschützt werden muss. Mit diesen schweren Bürden fallen Entscheidungen noch schwerer und Verluste treffen einen noch härter. Und doch versucht man seine Würde zu bewahren, wofür kämpft man denn sonst? Das macht Banner Saga 3 so besonders.
Banner Saga 3 ist seit 26. Juli für PC, Playstation 4, Xbox One und Switch erhältlich. Es gibt auch ein Bundle für alle drei Teile.
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Bilder: Screenshots (C) Stoic Games
Der Grafiker und Art Direktor (Helden der Freizeit, Styria Verlag) aus Wien ist ein absoluter Game- und Film-Kenner. Das zeigt das in seinen Tests und Bestenlisten.