1 Mann, 3 Leben. Die dreiteilige Netflix-Doku Arnold von Lesley Chilcott zeigt uns Schwarzeneggers Aufstieg zum Mr. Universe, Filmstar und Gouvernator, weiß aber noch mehr beim Aufspüren seiner schwachen Seiten zu punkten.
von Christoph König
Mit Steirerhut und fetter Zigarre sitzt Arnold Schwarzenegger im dampfenden Jacuzzi vor seinem tief verschneiten Winterdomizil. Die erste und letzte Einstellung der dreiteiligen Miniserie Arnold (seit 7. Juni auf Netflix) zeigt uns Arnie, so wie ihn die meisten kennen, wie er sich gerne inszeniert und es seinem Lifestyle entspricht. Ganz amerikanisch auf großem Fuß lebend, aber mit einem Schuss österreichischer Gemütlichkeit. Kurz lässt uns die Doku fürchten, wir kriegen hier nur das Schwarzenegger Klischee zu sehen, dass er selber nur allzu gerne befeuert. Eine Befürchtung, die sich Gott sei Dank nicht ganz bewahrheitet – auch wenn Arnie über weite Strecken der Serie wie ein Panzer die American Dream Road entlang brettert.
Noch einen Doku Tipp gefällig? Gerade ist eine 4teilige Miniserie über Robbie Williams erschienen, in dem er tiefe Einblicke in seine Abstürze gewährt. Lies hier unsere Kritik dazu.
Die Doku Arnold arbeitet das aufregende Leben des berühmtesten Steirerman der Welt in drei gut 60 Minuten langen Folgen ab. Gelungen getrennt in die Kapitel Athlet, Akteur und Amerikaner widmet sie sich seiner Karriere als Bodybuilder, Filmstar und Politiker. Die steirische Eiche – ein starker Typ mit Schmäh, den nichts umwerfen kann – so wie wir ihn schon aus der Kultdoku Pumping Iron von 1977 kennen. Nicht ganz! Denn die stärksten Momente hat die Miniserie in den Momenten (das hat sie mit einigen guten Netflix-Dokus gemein – hier eine Empfehlliste), in denen wir hinter die muskelbepackte Fassade blicken dürfen.
Ausgerechnet bei den Themen, bei denen die Doku scheinbar vom eigentlichen Hauptthema abkommt, macht sie ihren besten Job. Das fängt bei Folge 1 an, in der wir neben der Sportkarriere vor allem die harte Kindheit des Steirers miterleben. Landwiesen, See, Wald, ein Schloss gleich gegenüber in dem die Kinder spielen konnten – die Idylle in seinem Heimatort Thal war für den kleinen Arnie selten das Paradies, das es schien.
Denn wegen seines kriegstraumatisierten Vaters (Ex-SA-Truppenführer, Gendarm und Alkoholiker) war das Leben von Prügelstrafen und harter Arbeit geprägt – ein Umfeld, an dem sein älterer Bruder Meinhard (starb 1971 alkoholisiert bei einem Autounfall)zerbrochen sei, wie Schwarzenegger in einem dieser berührenden Momente der Doku festhält. Hier kommt aber auch der harte Arnold zum Vorschein, dem es leichter gefallen wäre als seinem sensiblen Bruder seine Familie, die nur wenig Liebe für ihn übrig hatte, hinter sich zu lassen. Bezeichnend, wie Arnie erst durch seine erste Freundin in den USA lernte, dass es üblich ist, seinen Geburtstag zu feiern.
Umso bessessener arbeitete der zunächst eher schmächtige Arnold an seiner Sportkarriere. Er vergisst dabei aber nicht all die Wegbegleiter aufzuzählen, die ihn am Weg zum Mister Universe begleiteten. Etwas, dass sich wie ein roter Faden durch die Doku zieht – und Schwarzenegger trotz seiner großspurigen Art so sympathisch macht. Sieht er sich doch nicht als Selfmademan – und das obwohl gerade er so viel Eifer und Trainingswille für seinen Aufstieg brauchte. Bodybuilder-Mentor Rolf Putziger war der verständnisvolle Vater, den er nie hatte. Sein Bodybuilding-Spezi Franco Columbu wie ein Bruder. Immerhin baute Arnie spät, als Bruder und Vater schon verstorben waren, noch eine gute Beziehung zu seiner Mutter Aurelia auf, die er in die Staaten holte.
Neben all den Erfolgsgeschichten, die Schwarzenegger neben seinem schier unerschöpflichen Trainings -und Lerneifer auch zu einem guten Teil seinem Schmäh verdankt, lernen wir auch den Arnie kennen, der nach seinem Filmdebüt-Flop Hercules in New York jahrelang auf seine große Filmrolle warten musste. Den eine Herzklappen-OP schon 1997 fast das Leben kostete. Der vollkommen unerfahren und naiv wie seine Filmfigur Julius in Twins in seinen Job als Gouvernor von Kalifornien stolperte – und daran des öfteren scheitert. Und dessen Ehe mit Maria Shriver in die Brüche ging, als sie von seinem unehelichen Sohn Joseph erfuhr. Bei all der Selbstinzenierung und Schauspielerei ist es der Scham über diese Fehler, die in der Doku die menschliche Seite des Terminators hervorkommen lassen. Wie ein Elefant im Porzellanladen, dem man nicht böse sein kann für das, was er ist.
Was in der Doku auch schön herauskommt, ist, wie Arnie mit seiner sturen Zielstrebigkeit aber auch immer wieder Grenzen überwindet. Angefangen vom Sprung vom kleinen Österreich in die USA, aber auch später beim Vermitteln zwischen Republikanern und Demokraten über engstirniges Parteidenken hinweg. Auch wenn es mitunter etwas an der Glaubhaftigkeit nagt, wenn ein leidenschaftlicher Hummer- und Panzer-Fahrer als Klimabotschafter umherreist – so ist es im Fall von Arnie doch authentisch, lässt sich Schwarzenegger eben nicht in nur eine Schublade stecken. Hier der Schauspieler, der nur widerwillig Rollen spielen will, bei denen er keine Leute abknallt (so durfte er erst nach langer Diskussion mit James Cameron in Terminator 2 zumindest auf Beine schießen, wie der Star-Regisseur in der Doku schmunzelnd verrät), dort sein großherziger Einsatz für die Special Olympics. Wenige schaffen es, auf so unterschiedlichem Parkett die Leute zu begeistern.
Die Doku-Serie Arnold bringt Schwarzeneggers Leben in all seinen Facetten auf den Punkt und ist wegen seinem Schmäh, der immer wieder hervorkommt, auch sehr unterhaltsam. Manchmal reichen die 191 Minuten aber nicht aus, um genügend in die Tiefe zu gehen – was sich vor allem in der zweiten Folge über sein Filmschaffen etwas negativ bemerkbar macht. Insgesamt muss man aber kein Arnie-Fan sein, um sie spannend zu finden. Wenn er auch mal über seine Makel und Fehler spricht, hat sie ihre besten Momente. Dann aber schüttelt sich Schwarzenegger ab und marschiert weiter, so wie sich das für den Terminator gehört. Er schnappt sich die Schaufel und mistet eigenhändig den Stall von seinem Mini-Pony Whiskey aus.
Helden-Tipp! Unbedingt im englischen Original schauen. Arnies Steirerenglisch ist einfach köstlich – und leicht verständlich obendrein.
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Alle Fotos: (c) Netflix
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