Knackige Action, straffe Schnitte und jede Menge Wendungen – das alles erwartet einen in Luc Bessons neuem Streifen ANNA. In unserer Filmkritik verraten wir, warum der Film Entertainment ist, über das man lieber nicht länger nachdenken sollte.
17. Juli 2019: Nachdem Regisseur Luc Besson (Lucy, Leon, der Profi) zuletzt 2017 mit Valerian ein lediglich optisches Meisterwerk hinlegte, schlägt ANNA in die selbe Kerbe. Eindrucksvolle Kulissen in Moskau und Paris und fantastisch choreografierte Actionkämpfe lenken leicht davon ab, dass der Plot des Films mehr als dünn ist. Trotzdem ist es ein unterhaltsamer Action-Thriller, der eine schon hundert Mal so gesehene Agenten-Story vor allem durch dynamische Schnitte und unvermittelte Rückblenden erträglich macht.
Lest in dieser Filmkritik, was das Urteil der Helden der Freizeit zum neuen Action-Streifen ist, der ab 18. Juli in die Kinos kommt. Übrigens: Zeitgleich startet auch der König der Löwen – hier unser Review.
Als die junge Russin Anna (Sasha Luss) Anfang der 90er in Moskau von einem Model-Scout (Jean-Baptiste Puech) angesprochen wird, scheint sich ihr Leben schlagartig zu verändern. Denn er bringt sie hinein in die hektische und glamouröse Pariser Modewelt. Doch spätestens als Anna den russischen Oligarchen Oleg (Andrew Howard) eiskalt erschießt und den CIA-Agenten Lenny (Cillian Murphy) gekonnt täuscht, wird klar, dass es sich hier nicht um eine märchenhafte Aufsteigergeschichte eines Topmodels handelt.
Es folgt die erste von vielen Rückblenden im Film. Anna ist keineswegs nur eine junge russische Schönheit. Sie ist eine topausgebildete russische Spionin, die vom KGB gezielt in der Modelwelt platziert wurde. Unter der Weisung von Olga (Helen Mirren) und Alex (Luke Evans) wurde sie zur perfekten Agentin abgerichtet. Doch hinter der Fassade der routinierten Killerin verbirgt sich eine opportunistische junge Frau, die schon ein Leben lang nur eines will: Ihre Freiheit.
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Der Plot von ANNA ist ein einziges großes Klischee, aber ein unterhaltsames. Denn die Idee der umwerfend schönen und intelligenten russischen Spionin geistert schon lange in der Filmwelt herum. Zuletzt 2018 bei Red Sparrow oder auch Atomic Blonde (2017). Im Gegensatz zum Film mit Jennifer Lawrence wird in ANNA nicht groß auf Sentimentalität geachtet, sondern ganz klar die Action in den Vordergrund gestellt. Nur selten blitzt bei Anna die Belastung durch, der ihr KGB-Job auf sie ausübt.
Und darüber kann man sich glücklich schätzen, denn in den wenigen Augenblicken, in denen dann doch die Story groß im Vordergrund steht, wirken die Gespräche meistens plump und übertrieben. Etwa bei Annas KGB-Ziehmutter Olga, deren Brillanz immer wieder gelobt wird. Im Film selbst wirkt sie vor allen Dingen grob und taktlos – was absolut nicht mit ihrem Status im KGB zusammenpasst. Man hat das Gefühl, dass sie den Großteil von ANNA fluchend verbringt, weil sich nicht genug Hintergrundgeschichte für ihre Rolle überlegt wurde.
Insgesamt fehlt es allen Charakteren abgesehen von Anna an Tiefgang. Weder erfährt man von KGB-Spion und Liebhaber Alex, wo er herkommt oder warum er beim KGB gelandet ist. Noch versteht man, warum es CIA-Agenten Lenny überhaupt nach Paris verschlagen hat.
Und auch Annas Auftragsmorde haben selten ein deutliches Motiv außer „der muss weg“. Meistens geht es nur darum, hochwichtige Akten aus dem Koffer des nächsten Opfers zu stehlen – was genau darin steht, dafür interessiert sich ANNA nicht. Das primäre Ziel des Films ist eindeutig, so viel Action wie möglich in die Spielzeit zu quetschen.
Doch eigentlich kann man sich über diese Fokussetzung glücklich schätzen. Denn die Actionszenen in ANNA sind fantastisch choreografiert. Rhythmisch vermöbelt Anna in einem Café mehr als ein Dutzend Leibwächter und nutzt dabei alles, was ihr in die Hände fällt, egal ob zerbrochene Teller oder gegnerische Waffen. Dabei spritzt mehr als genug Blut. Die Kämpfe erinnern sehr an Tarantino- und Jackie Chan-Filme. Flotte Schnitte betonen zusätzlich, was für eine Tötungsmaschine Anna im Endeffekt ist.
Damit die Story etwas appetitlicher wird, arbeitet sie Besson in Rückblenden auf. In kleinen Häppchen werden den Zuschauern nach und nach die verschiedenen Plottwists gefüttert, die selten so überraschend sind, wie sie dargestellt werden. Trotzdem verleihen diese Flashbacks ANNA eine dringend nötige Dynamik, die bei einer rein chronologischen Erzählung der eher ausgelutschten Agenten-Story gefehlt hätte.
Ein weiterer Leckerbissen für die Zuschauer sind die Kulissen. Wie schon bei Valerian beweist Besson ein Gespür für immersive Umgebungen. Egal ob Anna an der Seine entlangschlendert oder durch das KGB-Gebäude marschiert. Es handelt sich immer um ästhetisierte, aber trotzdem authentisch wirkende Szenerie.
Allerdings sollte man nicht zu genau hinsehen. Denn ab und zu tauchen Geräte auf, die es Anfang der 90er noch gar nicht gab. So leiht sich Anna etwa bei japanischen Touristen mal eben ein Nokia 3310. Ein Handy, das erst gut zehn Jahre später auf den Markt kam. Auch USB-Sticks gab es 1990 noch nicht, wo doch selbst der erste USB-Anschluss erst 1996 in die Serienproduktion ging. Und bei aller Militär-Geheimtechnik bleibt es zweifelhaft, dass russische Laptops noch vor Ende der Sowjetunion amerikanische Anschlüsse hatten.
Alles in allem ist ANNA ein unterhaltsames Kinospektakel mit jeder Menge Action. Wer die Story und Details nicht zu sehr überdenkt, den erwartet ein spannender Action-Thriller. Gerade die Kampfszenen sorgen für einen ordentlichen Adrenalinschub. Ein schönes Gegengewicht zur Gewalt bilden da auch die malerischen Kulissen in Paris oder einer tropischen Insel.
Trotzdem setzt der neue Besson-Streifen keine neuen Standards für Agenten-Thriller. Im Gegenteil, er ruht sich auf längst abgenutzten Story-Mustern aus und lässt Innovationen außen vor. (sn)
Wir haben die besten Streifen für euch! Egal ob Kino- oder Netflixfilme, in unserer Seher-Rubrik gibt es für jeden was.
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Die Journalistin ist bei Videospiel-Tests und Wien Guides voll in ihrem Element. Seit 2021 verstärkt sie die Redaktion des KURIER.