Auf fast drei Stockwerken (-2, EG, +2) wartet das große Krabbeln in allen Varianten, Farben und Formen, kuratiert von Manuela Ammer und Ulrike Müller. Doch nicht nur Insekten und Kleintiere zieren die aktuelle mumok Ausstellung. Knapp 500 Werke, die mit Tieren kleiner oder großer Natur zu tun haben, erstrecken sich über die Sammlung. Wir haben sie für euch gesichtet und berichten euch in unserer Review, welche Themen die hochinteressante Schau kritisch beleuchtet.
von Anna-Maria Hirschhuber
Das Erste, was einem auffällt, wenn man ins Erdgeschoss des rustikal-modernen mumok Gebäudes eintritt, ist die riesige blaue Spinne bzw. La vedova blu (Blaue Witwe) von Pino Pascalis. Überzogen mit Fell, das dem Krümelmonster ähnlich sieht, hockt sie im Eingang der fast dreistöckigen Installation. Sie hebt sich deutlich ab von den cremeweißen Wänden, versucht sich nicht sonst wie Spinnen zu verstecken, nicht, dass sie es könnte. Sie lädt zum Kuscheln ein, nach einen Schritt hin, will man aber gleich zwei Schritte zurück machen – denn die Silhouette des Krabbeltiers erinnert nicht an kleine Hündchen oder Katzen, denen man den Bauch kraulen will. Der Ekel holt einen dabei überraschend schnell wieder ein.
So ist das Gefühl, das einen die ganze Ausstellung lang begleitet: Faszination, Interesse, durchzogen von punktuellem Ekel, zumeist gegen den Menschen selbst.
Tipp! Schaut euch auch die Monet Ausstellung in der Marx Halle an – die holt selbst Ausstellungsmuffel mit ihrem immersiven Zugang ab. Alle Infos dazu hier. Und dazu gibt es hier unseren Überblick über die besten Ausstellungen im Winter in Wien.
Auf den Wänden stehen in rustikaler mumok-Manier immer wieder Aussagen oder auch Fragen – so die Schrift „Was für eine Art Zoo ist das Museum?“. Zoos bringen dabei eine tiefere Bedeutungsebene mit, denn man schließt etwas Schönes, Gefährliches, Interessantes ein, um es anzuschauen. Dafür muss man es hegen und pflegen. Schließlich zeigen auch die menschlichen Anspielungen in den Werken, dass auch der Mensch selbst nicht viel mehr als ein Vorfahre der Affen war und ist.
Gleichzeitig spielt die Ausstellung mit immer wiederkehrenden Symbolen von Natur, Sex, Hunger, Zuneigung und auch Familien oder Geschlechterbeziehungen. Auch sozialkritische Fragen werden aufgeworfen, postkoloniale Denk- und Kunstweisen infrage gestellt. Bilder von verstümmelten Tierleichen oder der Alltag in Metzgereien könnten so manchen Fleischesser zum Vegeterianismus bekehren. In der Ausstellung erwarten einen Bilder, Fotografien, Skulpturen, Videomontagen oder Diashows, unterlegt mit Musik von Künstler:innen aus aller Welt. Ein guter Magen ist mitunter erforderlich.
Was macht den Menschen aus? Neben seiner Intelligenz und Geschicklichkeit wahrscheinlich auch seine Lebensweise. Schließlich leben wir zumeist in Häusern oder anderen Unterschlüpfen, die strikt getrennt sind vom Hühnerstall oder der Hundehütte. Das Haustier ist hier eine willkommene Abwechslung: Wir kuscheln die Katze oder auch das Meerschweinchen. Gleichzeitig wohnen aber hunderte andere Tiere in jedem einzelnen Zimmer unserer Wohnung. Insekten sind überall. Haben wir eine größere Daseinsberechtigung als Moskitos oder Mücken? Und wer bestimmt das? Diesem Konflikt widmet sich zum Beispiel Cheri Samba in ihrem Werk Lutte contre les moustiques (Der Kampf gegen die Moskitos). Auch in der Video-Installation von Gina Pane wird Sterblichkeit ins Zentrum gerückt. Allerdings unsere eigene, so lässt sie in Death Control Maden über das Gesicht von Erwachsenen kriechen, in Nahaufnahmen. Es erinnert an den Tod und an jene, Lebewesen, die uns bis zum buchstäblichen Ende begleiten: Insekten.
Zoos sind ein koloniales Erbe, genauso wie Museen. Ausgestellt wurden und werden ja besonders Raritäten, Dinge, die als fremd und nicht üblich im eigenen Land gelten. Besonders oft waren die Ausstellungsstücke dabei Raubkunst von fremden Kulturen, weshalb es umso wichtiger ist, auch den Kunstmarkt postkolonial Schritt für Stück zu dekonstruieren und sich auch der hinterlassenen Schuld zu stellen.
Ein weiteres Thema in der Ausstellung ist die Auseinandersetzung zwischen Tier und Kind. So begrüßt der umgedrehte Hase auf Holz mit dem Schild „System Says Welcome“ die Besucher:innen in diesem Ausstellungsabschnitt und zeigt, dass (so wie in allen sozialen Beziehungen) natürlich auch im Kinderzimmer Regeln und Normen herrschen. Besonders beeindruckend sind dabei die Werke von Ull Hohns – er zeigt Säuglinge, die fast zum Angreifen echt wirken durch ihre gezeigten Emotionen. Denn Babys sind alles andere als still: Sie schreien, strampeln, verletzten und sichverletzlich und berühren dabei ohne auch nur ein Wort wirklich sprechen zu können.
Im Kontrast dazu steht Der Kinderkäfig von Nathalie von Daniel Spoerri – er zeigt schon, wie früh Kinder an bestimmte Werte, Normen, Regeln gebunden werden. Sowohl im übertragenen Sinne, als auch im physischen. Dabei fällt besonders das rassistische Abbild eines schwarzen Mannes in Gestalt einer Puppe auf: Denn soziale Werte und Normen werden schon in der Krabbelstube vermittelt.
Die Fantasie der Verschmelzung zwischen Mensch und Tier existiert seit der Mythologie. Besonders oft werden Frauen in erotische Kontexte miteingebracht, wobei der Grad zwischen Monster und Sexsymbol sehr schmal ist. Auch diesen Aspekt nimmt die Ausstellung genauer unter die Lupe. So erwartet einen gleich am Eingang die Snake Lady – eine Mischung aus Hollywood-Kostüm und Erotikobjekt. Auch der Leopard wird als Motiv eingesetzt – er begegnet uns nämlich nicht nur auf der Straße an kalten Wintertagen. So stellen Elly Niebuhrs Werke Frauen und ihre mehr oder minder modebewussten Entscheidungen ins Rampenlicht – zumeist ganz im Leo-Look gekleidet.
Hier geht’s zur Ausstellung.
Laufzeit: Noch bis 26. Februar 2023
Wir haben noch viele andere Eventtipps, aber auch einen Guide für all jene, die nach der Ausstellung vielleicht doch lieber auf Fleisch verzichten wollen.
The Mystery of Banksy – Review zur Ausstellung in Wien
Ausstellungen in Wien im Winter: Unsere 18 Tipps
Zentralfriedhof – so lebendig ist eine Tour
Monets Garten – das etwas andere Ausstellungserlebnis
Die 35 besten veganen Restaurants in Wien
Alle Fotos: (c) heldenderfreizeit.com
Anna-Maria Hirschhuber hat Journalismus und Politikwissenschaft studiert und bereits vor der Matura ihren ersten Roman geschrieben. Bei den Helden der Freizeit sind es vor allem coole Buch, Erkunder und Social Media Storys.