Taschentücher bereithalten! Wenn eine Serie den Tod eines geliebten Menschen zum Dreh- und Angelpunkt einer Geschichte macht, dann sind Tränen vorprogrammiert. Erstaunlicherweise muss man in Ricky Gervais After Life aber auch vor Lachen weinen.
9. März 2019: Welchen Sinn hat das eigene Leben, wenn man dem liebsten Menschen nicht mehr davon erzählen kann? Dieser Frage geht Ricky Gervais (Derek, The Office) in seiner neuen Serie After Life nach, die seit 8. März auf Netflix zu sehen ist. Als Regisseur und Hauptdarsteller illustriert er den Trauer- und Heilungsprozess von Witwer Tony mit seinem typischen britischen Humor. Und lässt den Zuschauer so schwanken zwischen herzlichstem Lachen und Weinen. Was die Helden der Freizeit vom neuen Werk des Comedians halten, erfahrt ihr in unser Kritik.
Übrigens: Hier gibt es bereits unser Review zu After Life Staffel 2.
Nach dem Tod seiner über alles geliebten Frau Lisa (Kerry Godliman) sieht Kleinstadt-Redakteur Tony (Ricky Gervais) keinen Sinn mehr im Leben. Aber umbringen kann er sich auch nicht, schließlich hat er Lisa versprochen, sich um den Hund zu kümmern. Also füllt er seine Tage mit viel Whiskey und den Videobotschaften der an Brustkrebs gestorbenen Lisa. Besorgte Freunde und Familie vergrault er so gut es geht mit schonungslosem Zynismus und brutaler Ehrlichkeit. Schließlich hat er nichts mehr zu verlieren.
Dummerweise liegt denen immer noch viel an Tony. Denn Schwager Matt (Tom Basden), Reporterkollege Lenny (Tony Way) und viele andere erinnern sich an den lustigen warmherzigen Kerl, der er vor Lisas Tod war. Deshalb setzen sie alles daran, ihn aus seiner verbitterten Schale hervorzulocken und ihm zu zeigen, dass die Welt gute Menschen wie ihn noch braucht.
Tonys Trauer wirkt in After Life berührend echt. Durch die wiederholten Einblendungen von Lisas Videobotschaften an Tony begreift der Zuschauer ihre tragende Rolle in seinem Leben. Da ist es die logische Konsequenz, dass er in tiefste Depressionen stürzt. Das Thema der Depression wird in der Serie ausgezeichnet behandelt. Manchmal scheint Tony optimistisch und fast lebensfroh, dann wieder ertränkt er sein Leid in Alkohol und Drogen.
Dazwischen bietet After Life nachdenkliche Augenblicke. Etwa wenn Tonys Leben in Berührung mit den Geschichten anderer kommt. Wie etwa mit der Witwe Ann (Penelope Wilton). Sie zeigt ihm, dass man auch nach dem Tod des Partners noch Sinn im Leben finden kann. Oder mit dem drogensüchtigen Zeitungsausträger Julian (Tim Plester). Durch ihn erkennt Tony, dass er im tiefsten Herzen sein Leben noch nicht ganz aufgegeben hat. Alle Charaktere in After Life sind menschliche und zutiefst gutherzige Sonderlinge. Sie sind verletzlich und tragen ihr eigenes Päckchen an Leid. Die Serie macht nicht bei Tonys Trauer halt. Sondern sie geht den zusätzlichen Schritt und verleiht den Nebencharakteren Tiefe.
Wenn Tonys Lamento dann doch zu deprimierend wird, wechselt After Life zu den heiter alltäglichen Reportagen der Tamburry Gazette. Die großen Schlagzeilen sind in Tamburry Schimmelflecken, die wie Gesichter aussehen. Oder Rentner, die mehrmals dieselbe Geburtstagskarte bekommen. Niemand, außer Tony, scheint sich um den Nachrichtenwert dieser Storys zu sorgen. Diese Momente der absurden Comedy geben After Life eine Leichtigkeit, die man nicht erwarten würde.
Comedian Ricky Gervais erschafft mit Tony einen sympathischen Charakter, in dessen Haut man sich leicht hineinfühlen kann und der vom Wesen sehr nah am echten Gervais ist. Eine feinsinnige Pointe jagt die nächste in seinen verbalen Angriffen auf die Schwachpunkte seiner Freunde. Aber von Anfang an merkt man dem Protagonisten an, dass diese Attacken auf sein Umfeld mehr Symptome der eigenen Hilflosigkeit und Hoffnungslosigkeit sind als Boshaftigkeit.
Nur zu gut lässt sich erahnen, was für ein Verlust der Tod von Lisa für Tony gewesen sein muss. Denn Schauspielerin und Comedienne Kerry Godliman spielt eine durch und durch herzliche und lebensfrohe Lebenspartnerin, die sich auch vom Krebs nicht entmutigen lässt.
Auch der restliche Cast, darunter Tony Way (Lenny), Mandeep Dillon (Sandy) und Tom Basden (Matt) ist perfekt für die Serie. Viele von ihnen haben schon in anderen Gervais-Produktionen mitgewirkt. Die von ihnen gespielten schrulligen aber liebenswürdigen Redakteure der Tamburry Gazette machen Tonys Arbeitsplatz zur perfekten Vorlage diverser Comedy-Einlagen.
Nach Sichtung der Serie kann man sich nur wünschen, dass Ricky Gervais noch mehr solche Formate produziert. Und die dürfen gerne auch länger als nur sechs Folgen sein. After Life brilliert nicht nur durch Ricky Gervais tiefsinniges Drehbuch, sondern auch durch einen tollen Cast, dem man seine Leidenschaft anmerkt.
Die ganze Serie hindurch bleibt man nahe an den Tränen, doch die schlauen Schnitte zwischen großartiger Comedy und Drama sind so brillant gesetzt, dass es nie zu viel des einen oder anderen wird. Sorgsam balanciert After Life zwischen Lachen und Weinen und lässt den Zuschauer mit einem warmen Gefühl im Herzen zurück.
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Fotos: ©Netflix/ Rich Hardcastle/Natalie Seery
Die Journalistin ist bei Videospiel-Tests und Wien Guides voll in ihrem Element. Seit 2021 verstärkt sie die Redaktion des KURIER.