Daddy Issues im All. Regisseur James Gray, bekannt durch Filme wie Little Odessa, The Immigrant oder Die versunkene Stadt Z, arbeitet in seinem neuesten Werk Ad Astra seine eigenen Dämonen auf. Brad Pitt reist als Astronaut Milliarden von Lichtjahre an den Rand unseres Sonnensystems. Dabei sucht er seinen Vater, der ihn vor Jahrzehnten verlassen hat. Der philosophisch inspirierte Film lohnt durchaus einen Kinobesuch – warum lest ihr in unserer Kritik.
Schon seit geraumer Zeit dient das Weltraumabenteuer als Projektionsfläche für tief sitzende Vaterkonflikte und das Auseinandernehmen zwischenmenschlicher Beziehungen. Erst 2014 hatte Christopher Nolan mit Interstellar Matthew McConaughey seine Familie verlassen lassen, um im All nach bewohnbaren Welten zu suchen. Auch James Gray ist kein Unbekannter für zerbrechliche Familiendynamiken. Erst 2016 drehte er mit Die versunkene Stadt Z die wahre Geschichte über einen Vater und seinen Sohn, die im südamerikanischen Dschungel bei einer Expedition verschwinden. Nun legt er mit Ad Astra – Zu den Sternen eine komplexere Version der Thematik nach, die sich mit den Verfehlungen der Eltern und deren Einfluss auf das eigene Leben auseinandersetzen.
Ad Astra – Zu den Sternen eröffnet mit dem kilometerlangen Fall von Roy McBride (Brad Pitt) von einer Internationalen Weltraumantenne auf die Erde. Eine Schockwelle hatte gerade das Gerüst erfasst. Roy ist der einzige Überlebende. Seine Fähigkeit, in dieser fordernden Situation ruhig bleiben zu können und rationale Entscheidungen treffen zu können, hat er von seinem Vater H. Clifford McBride (Tommy Lee Jones) geerbt. Sein legendärer Dad, der auf einer Mission Richtung Neptun verschwand, ist auch der Grund, warum die Regierung Roy zu einem vertraulichen Treffen beordert. Sein Vater, so scheint es, ist noch am Leben. Und außerdem verantwortlich für die Schockwellen, die das Sonnensystem erschüttern und eine Gefahr für die Menschheit bedeuten.
Die Regierung glaubt, dass Roy seinen Vater vielleicht beschwichtigen kann, wenn er mit ihm Kontakt aufnimmt. Mithilfe von Colonel Pruitt (Donald Sutherland), einem alten Kollegen seines Vaters, soll Roy über den Mond zum Mars reisen, um eine Nachricht zu übermitteln. Doch seine Reise wird ihn noch viel weiterbringen als er zu hoffen glaubt.
Diese Suche nach Antworten im All erinnert oberflächlich an den Klassiker 2001: Odyssee im Weltraum, spielt aber mit mehr Genres um seine Geschichte zu erzählen. Gray arbeitet sich nicht nur am Vater-Sohn-Konflikt ab, er bietet auch Action, Thriller-Elemente und Gesellschaftskritik. Im Herzen steht aber die Frage, wie sich unsere Eltern nachhaltig, ob positiv oder negativ, auf unser Leben auswirken.
Roys Vater existiert für einen Großteil des Films nur auf alten Videoaufzeichnungen, und doch schwebt sein Geist schwer über der Atmosphäre des Films. Ein Mann, der für seine Obsession bis an die äußerten Grenzen ging und ein Sohn, der sich wundert, wie viel davon in ihm selber steckt. Roy schwebt zwischen der Idealisierung seines Vaters und den Schmerzen, von ihm verlassen worden zu sein.
Der Reiz des Films liegt auch im beeindruckenden futuristischen Universum, das sich vor dem Zuschauer erstreckt. Die Menschheit hat sich nicht gebessert, wie Gray zynisch andeutet. Noch immer wird um Ressourcen gekämpft und alles nach Möglichkeit kommerzialisiert. Der Mond ist ein Vernügungstrabant geworden, der von Piratenbanden und Einkaufsmöglichkeiten dominiert wird, der Mars eine unterirdische Militäreinrichtung.
Woran der Film zu nagen hat ist aber der teils etwas banale Dialog und die sich wiederholenden internen Monologe. Gray schweift innerhalb seiner Weltraumreise auch immer wieder gerne ab und baut Nebenplots ein. Die sind zwar in sich selbst spannend gemacht, fügen dem Geschehen aber wenig bei und lenken von dessen Geradlinigkeit ab. Ebenso sind die Nebenfiguren, dargestellt etwa von Ruth Negga oder Liv Tyler, schmerzhaft unterentwickelt.
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Grays Film ist geschickt und intelligent zusammengestellt, spricht aber eher auf einer emotionalen Ebene zum Zuschauer als die großen Fragen zu stellen. Vor allem im letzten Drittel weiß der Film visuell und thematisch zu überzeugen. Die Reise dorthin ist aber, im wahrsten Sinne des Wortes, immer wieder mal holprig. (sg)
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Alle Fotos (c) 20th Century Fox
Susanne Gottlieb schreibt als Filmjournalistin für die Helden der Freizeit, Kleine Zeitung, NZZ, Standard, TV Media, Filmbulletin, Cineuropa und viele mehr. Sie arbeitet im Filmarchiv Austria, berichtet von diversen Filmfestivals und hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert.