Mehr Worte, mehr Charaktere, mehr Schauplätze. A Quiet Place 2 legt in allem ein Schäuferl zu. Warum er seinen Vorgänger trotzdem nicht übertrumpfen kann.
von Christoph König
Als A Quiet Place vor zwei Jahren zum Kinohit wurde (er spielte bei nur 17 Millionen Dollar Budget 240 Millionen ein), war klar: Die Fortsetzung würde es schwer haben. Die kreative Besonderheit des Films, der fast ohne Worte auskommt und in dem sich eine Familie in Funkstille gegen blutrünstige Aliens zur Wehr setzt, würde bei einem zweiten Teil nicht mehr derart überraschen.
Dazu ging mit dem Tod des Vaters (Lee/John Krasinski) am Ende des ersten Films ein wichtiger Teil der Familiendymanik verloren. Und: Den mysteriösen Aliens wurde viel von ihrem Schrecken genommen, als ihre Schwachstelle aufgedeckt wurde. Dazu kam dann auch noch Corona – und der ursprünglich für 20. März geplante Release musste zig mal verschoben werden.
Sorgt A Quiet Place 2 trotzdem wieder dafür, dass Kinobesucher vor Spannung die Luft anhalten? Oder geht der Handlung bei der Fortsetzung die Luft aus? Nachdem wir den Film bereits im März 2020 sichten durften, unser Review aber so lange in der Schublade aufbewahren mussten, können wir jetzt endlich beide Fragen mit Ja beantworten. Warum, liest du in unserer Kritik.
A Quiet Place 2 springt zuerst in die Vergangenheit und zeigt uns, wie die Kleinstadt der Familie Abbott (im wahrsten Sinne des Wortes) aus heiterem Himmel von der Alieninvasion überrascht wird. So feiert auch Vater Lee noch einmal ein kurzes Comeback auf der Leinwand. Dann geht es an dem Punkt weiter, an dem Teil 1 aufgehört hat. Details zur Vorgeschichte könnt ihr in unserer A Quiet Place Filmkritik – Stirb mal, wer da spricht nachlesen.
Zusammen mit einem Hörgerät und einem Verstärker (entpuppte sich als Wunderwaffe gegen die Bestien) wagen sich Mutter Evelyn (Emily Blunt) samt Neugeborenen, ihre taube Tochter Regan (Millicent Simmonds) und Sohn Marcus (Noah Jupe) aus dem sicheren Schoß ihrer abgelegenen Farm. Bald stoßen sie auf Emmett (Cillian Murphy), der ihnen in einer alten Fabrikshalle Schutz bietet. Er selbst hat seine Familie verloren. Als Regan aber auf ein Signal stößt, beschließt sie (stur wie wir sie aus Teil 1 kennen) ihren eigenen Weg zu gehen. Damit ändert sich alles schlagartig.
Teil 2 macht vieles richtig, was schon im ersten Film voll aufging. Die Momente, in denen absolute Stille herrscht und in denen man sich als Zuseher selber beim Luft anhalten ertappt, sind wieder da. Die Jump Scares sind nicht allzu kreativ platziert. Sie schneiden aber mit einer erschreckenden Wucht in die ruhige Atmosphäre. Der Soundtrack ist wieder meisterhaft. Mit wenigen Klaviertönen wird eine außergewöhnliche Stimmung erzeugt. Und auch der Cast liefert eine durchwegs gute Leistung ab.
Freilich leidet der Film unter den klassischen Problemen einer Fortsetzung. Alles muss etwas mehr sein. Mehr Action, mehr Worte, mehr Menschen, mehr Aliens, mehr Schauplätze. Das ist bei A Quiet Place aber eher kontraproduktiv. Denn gerade die ruhigen Szenen sind auch die große Stärke von Part II. Ganz besonders die, bei denen man in Regans Welt eintaucht und, so wie sie, überhaupt nichts mehr hört.
Der Flashback zu Beginn ist stark inszeniert – auch wenn er der Geschichte (bis auf die Einführung einer später wichtigen Figur) nichts Neues hinzufügt. Vor allem bringt er Regisseur John Krasinski als Lee für ein paar intensive Momente zurück – was uns leider vor Augen führt, warum wir ihn die restlichen 97 Filmminuten schmerzlich vermissen. Die Lücke, die das Fehlen seiner starken und sensiblen Figur hinterlässt, kann Emmett nicht ausfüllen. Auch wenn Cillian Murphy sein Bestes gibt, fehlt es seinem Charakter an Tiefe. Dabei hätte es dessen Leidensgeschichte durchaus hergegeben. Aber die wird maximal oberflächlich behandelt.
Auch geht dem Film durch das Trennen der Akteure die Familiendynamik verloren, die Teil 1 so ausgezeichnet hat. Und dadurch, dass die Aliens nun fast ausschließlich bei Tageslicht gezeigt werden und nach der Entdeckung ihrer Schwäche in Teil 1 auch besiegt werden können, verlieren die Biester viel von ihrem mysteriösen, unheimlichen Schrecken. Ein Phänomen unter dem ja auch die Alien-Filmreihe leidet. Dass die in Part 1 so brillante Emily Blunt diesmal deutlich weniger Screentime bekommt, schmerzt. Dafür kann die tatsächlich taubstumme Millicent Simmonds als neue Hauptfigur überzeugen.
Dass der Film neue Wege einschlägt, tut ihm allerdings auch gut. Dinge zurücklassen und sich aus der sicheren Deckung wagen – das sind die Themen, die zwar schon im ersten Teil ein Stück weit aufgegriffen wurden. Die Ausweitung der Schauplätze lässt sie aber noch besser zur Geltung kommen. Über die kleineren Logiklücken kann man wegen der tollen Atmosphäre wieder ohne Probleme hinwegsehen. Wie kann sich ein stummes Mädchen geräuschlos bewegen, wenn es nie hört, ob es Geräusche macht? Warum kann man Aliens manchmal mit einem Schuss erlegen und manchmal nicht? Mit solchen Fragen sollte man sich besser nicht aufhalten.
A Quiet Place 2 ist lauter und heller als Teil 1, mit mehr Menschen, Monstern und Dialogen – was einen Film, der gerade in den ruhigen Momenten seine größten Stärken hat, nicht wirklich besser macht. Freilich ist er (Gott sei Dank!) noch lange kein Actionfilm und hebt sich so immer noch deutlich von ähnlichen Streifen ab. Leider fehlt es an der fantastischen Familiendynamik des Vorgängers.
Aber: Auch Part II überzeugt mit knisternder Spannung, einem extrem atmosphärischen Soundtrack und einem guten Cast. So wie den Akteuren in einer Szene geht nur der leider der Handlung in Sachen Kreativität ein wenig die Luft aus. Wenn es ein Horrorthriller aber schafft, dass einem als Zuseher beim Mitfiebern selbst der Atem stockt, wirkt sich dieser Kritikpunkt nicht allzu negativ aus. A Quiet Place 2 ist mit Sicherheit wie Teil 1 wieder ein ganz besonderes Erlebnis, das sich deutlich von der restlichen Kinokost abhebt.
Helden-Tipp: Wählt für den Film einen möglichst ruhigen Platz im Kinosaal. Zu viel Lärm kann die tolle Atmosphäre stören.
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