Wir befinden uns in einer Blütezeit sogenannter AA-Spiele (double A). An forderster Front dieser Welle hat sich der Publisher Focus Home Interactive mit einer Flut an qualitativ hochwertigen Veröffentlichungen mit moderatem Budget positioniert. Wir verraten euch, ob auch A Plague Tale: Innocence aus der Feder von Entwickler Asobo Studios diesen Trend fortsetzen kann. Und Achtung! Hier gibt es auch bereits einen ausführlichen ersten Test des Nachfolgers A Plague Tale: Requiem.
14. Mai 2019: Anno 1348 grassiert in Frankreich die Pest. Schwärme von Ratten fallen über die Bevölkerung her, eine brutale Inquisition überzieht das Land mit Gewalt und zu allem Überfluss herrscht der 100-jährige Krieg zwischen Franzosen und Engländern. Mittendrin führt die Adelsfamilie De Rune ein sehr friedliches Leben, wäre da nicht die mysteriöse Erkrankung des jüngsten Sohnes. Als aber die Inquistion vor der Tür ihres Landgutes auftaucht, ändert sich alles.
Das ist der Startpunkt von A Plague Tale: Innocence. Wir durften es ausgiebig testen und sagen euch in unserem Review, was es taugt.
Spieler schlüpfen in die Rolle von Amicia, der ältesten Tochter der De Runes. Sie muss mitansehen, wie ihr Vater von der Inquisition hingerichtet wird und flüchtet mit ihrem kleinen Bruder Hugo an der Hand vom Anwesen. Auch Amicias Mutter scheint den Angriff nicht zu überleben. Die Spieler müssen nun also das kriegs- und pestgebeutelte Land durchqueren und dabei noch auf einen kranken Fünfjährigen aufpassen. Soldaten wollen geräuschlos umschifft werden und gigantische Rattenschwärme vermieden. Als Hilfsmittel steht Amicia eine Steinschleuder zur Verfügung, die sie mit allerlei unterschiedlichen Geschossen laden kann.
A Plague Tale: Innocence ist eine Paarung aus Schleichspiel und Puzzlespiel. Den Soldaten der Inquisition muss Amicia mit geschickten Ablenkungen und von Deckung zu Deckung huschend ausweichen, während die Rattenschwärme nur durch das Lösen der jeweiligen Rätselanordnungen überwunden werden können. Der Spieler kann hier beispielsweise Lagerfeuer entfachen, um Ratten zu verscheuchen, die den Weg zu einer Fackel versperren, die als Hebel die nächste Tür öffnet. Mit relativ einfachen Mitteln konstruiert das Spiel abwechslungsreiche Szenarien. Die Rätsel sind nicht besonders anspurchsvoll, dafür aber sehr befriedigend zu lösen.
Frisch gehalten wird dieses Konzept mit einer Fülle an Werkzeugen, die uns das Spiel nach und nach zur Verfügung stellt. Immer wenn es scheint, als habe man alles schon oft genug getan, bekommen wir eine neue Art von Munition für unsere Schleuder, um neue Probleme zu lösen. Ein Geschoss kann Feuer machen, ein anderes kann Feuer löschen, ein weiteres lockt Ratten an und wieder ein anderes zwingt Soldaten ihre Helme abzunehmen.
Später im Spiel erlaubt uns diese Vielfalt sogar Feinde auszuschalten, anstatt an ihnen vorbei zu schleichen. Aber Vorsicht ist trotzdem geboten. Kommt uns ein Soldat zu nahe, dann ist Amicia der Bildschirmtod gewiss. Die Levels des Spiels sind toll durchdacht und werden auch nie zu lang oder frustrierend. Immer wieder stellt das Spiel Amicia Begleiter an die Seite, wie zum Beispiel Roderik, dessen Körperkraft es erlaubt, schwere Türen aufzubrechen. Die Begleiter sind somit Handlungselement und Spielmechanik zugleich.
Besonders beeindruckend an A Plague Tale: Innocence sind die atemberaubenden Bilder, die das Spiel regelmäßig produziert. Eine brennende Stadt im Mondlicht, ein blutiges Schlachtfeld mit verlassenem Kriegsgerät, ein goldener Herbstwald bei Sonnenuntergang. Die Grafik ist über jeden Zweifel erhaben. Da kann sich sogar manches Triple-A Spiel eine Scheibe abschneiden.
Die tolle Optik geht Hand in Hand mit dem kreativen Design des Spiels. Die Welt ist eine Mischung aus detailreichen historischen Nachbildungen und düsteren Fantasy-Elementen. Noch ein Highlight sind die furchterregenden Rattenschwärme. Tausende der Tiere wuseln übereinander und bewegen sich wie ein schwarzes Meer mit glühenden roten Augen. Die Ratten brechen sich wie Wellen an Wänden, und wenn dem Spieler das Licht ausgeht, verschlucken sie Amicia. Schaurig schön!
Inwieweit kann die Handlung fesseln? Die Geschichte um Amicia und ihren kleinen Bruder Hugo beginnt klein und nimmt im späteren Verlauf ungeahnt epische Dimensionen an. Was als Flucht beginnt, wird bald zu etwas viel Größerem. Die Inquisition ist auf der Jagd nach Hugo, weil sie sein Blut zur Heilung der Pest verwenden möchte. Doch der Groß-Inquisitor hegt dabei seine ganz eigenen Pläne und legt sich dafür sogar mit dem Papst an. Das Spiel geht erzählerisch erstaunliche, aber (im Nachhinein betrachtet) nur logisch konsequente Wege. Selten bekommen wir heutzutage so gute Narrative präsentiert, die nicht auf Kosten des Gameplays gehen.
Auf ihrer Reise treffen Hugo und Amicia allerlei Weggefährten, die nicht nur zur Handlung, sondern auch zum Gameplay beitragen: den Lehrling eines Alchemisten, den Sohn eines Schmieds oder ein diebisches Geschwisterpaar. Allesamt sind sie Jugendliche oder Kinder, und das scheint auch Teil der Botschaft des Spiels zu sein. Diese jungen, noch unschuldigen, Helden sind die einzige Rettung vor Krieg und Krankheit. Erstaunlich und willkommen ist auch die Struktur der Handlung. Sie erinnert an einen guten Fantasy Roman und schafft es, einen fast literarischen Handlungbogen über die neun Spielstunden zu spannen. Hut ab!
A Plague Tale: Innocence ist ein gutes, nein, sogar ein tolles Spiel. Kein tausend Stunden langes Open-World Game und auch kein Online-Live-Service. Es gibt keine Möglichkeiten im Spiel Geld auszugeben und nicht fünf verschiedene Spielmodi. Trotzdem hat es alles, was ein starkes Game braucht: Interessante Spielmechaniken, wunderschöne Grafik, innovative Ideen und eine Handlung, die zum Mitfiebern und auch zu Emotionen anregt. Helden-Fazit: Höchst empfehlenswert.
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Alle Screenshots (c) heldenderfreizeit.com.
Der Chefredakteur der Helden der Freizeit hat das Onlinemagazin 2016 ins Leben gerufen und ist seit 2000 als Sportjournalist im Einsatz. Bei heldenderfreizeit.com ist er spezialisiert auf actiongeladene Outdoor-Aktivitäten, Ausflüge, Videos, Spiele, Filme, Serien und Social Media.