Wenn die Leute nicht ins Theater kommen, dann muss man das Theater zu den Leuten bringen und sie zur Bühne locken. Am besten gratis. Das macht heuer wieder das Utopia Theater mit dem Stück von Nobelpreisträger Dario Fo, dessen Titel auch noch so wunderbar zum Konzept passt: Bezahlt wird nicht! Was den Charme dieses kostenlosen Wandertheaters ausmacht und wo und wann du es erleben kannst.
von Christian Orou
In Bezahlt wird nicht erzählt Fo die komödiantisch überzeichnete Geschichte zweier Arbeiterfamilien, die sich – angesichts der rasant steigenden Lebenshaltungskosten von Existenzsorgen geplagt – ideenreich durch ihr finanziell bescheidenes Leben schlagen. Ein Stück, das Mitte der siebziger Jahre geschrieben wurde und das aber an Aktualität nichts verloren hat.
2012 gründet Regisseur Peter W. Hochegger ein dem Dario Fo-Theater von Didi Macher, Ulf Birbaumer und Otto Tausig nachempfundenes und inspiriertes Gemeindebautheater, mit dem er das Stück Bezahlt wird nicht! schon vor mehr als zehn Jahren am Spielzettel hat. Er beginnt mit dem Utopia-Ensemble durch die Bezirke zu ziehen. Zu Beginn noch mit fünf bis sechs Aufführungen, heuer tourt das Ensemble mit mehr als 30 Vorstellungen im Sommer durch Wien. Finanziert wird diese Tour durch die Budgets der Bezirke und von lokalen Kulturvereinen.
Hochegger ist der Meinung, dass man das Theater zu den Leuten bringen kann und er liebt das Lachen der Kinder und Erwachsenen bei den Vorstellungen in den Höfen der Gemeindebauten. „Und dann heißt es von Politikern und Medien, dass diese Menschen kein Deutsch verstehen.“ Bei diesem Thema wird der Theatermacher, der sonst sehr ruhig und besonnen wirkt, emotional. „Schon wenn wir aufbauen, werden wir oft von Kindern belagert, die uns fragen, wann das Stück endlich beginnt.“ erzählt er im Gespräch im Anton Benya-Park vor einer Aufführung.
Wir haben Zeit, denn die Vorstellung wird an diesem Tag wetterbedingt abgesagt. Aber Hochegger bleibt noch bis zum geplanten Vorstellungsbeginn, sein Ensemble hat er bereits nach Hause geschickt. Es könnte ja noch jemand vorbeikommen, dem erklärt werden muss, warum nicht gespielt wird. Hochegger ist es ein Anliegen, es selbst zu machen.
Und wirklich kommt eine Dame, die trotz des schlechten Wetters die Hoffnung nicht aufgegeben hat. Sie ist Stammgast und hat schon einige Stücke gesehen. Kurz wird geplaudert und nach einem Erinnerungsfoto lädt sie Hochegger, der alle kommenden Termine im Kopf hat, zu einer der nächsten Vorstellungen ein.
Hochegger und seine Truppe brauchen für ihre Vorstellungen nur ein wenig Platz und eine Steckdose. Der Rest wird mitgebracht. Klappsessel und Holzbänke für das Publikum, vier Bühnenelemente, drei Podeste, ein paar Requisiten und Kostüme, das war es dann auch schon. Garderoben gibt es keine, das Umziehen passiert im Park. „Früher haben wir oft bis zu zwei Stunden auf- und abgebaut und die Konstruktion der Kulissen war schwierig, weil sie dem Wind standhalten mussten.“ erzählt der Regisseur. „Dann haben wir immer mehr reduziert. Aber je weniger Kulissen wir haben, desto geforderter sind die Schauspielerinnen und Schauspieler.“
Aber das Konzept geht auf, denn Hochegger hat ein großartiges Ensemble zusammengestellt. Es kommt mit allen Unwägbarkeiten einer Open-Air-Aufführung zurecht und zaubert aus drei einfachen Würfeln und wenig Versatzstücken die Küche der Hauptfiguren des Stückes Antonia und Giovanni. Eine Küche, die nicht unbedingt Teil einer italienischen Mietskaserne sein muss, die genauso gut in jenen Gemeindebau passt, in dem gerade gespielt wird.
Alice Schneider, Stefanie Elias, Thomas Bauer, Paul Wiborny und Andreas P. Seidl sind ein eingeschworenes Ensemble, das sich mit viel Gespür für Witz und Timing durch die Farce von Dario Fo spielt.
Dass Vorstellungen gestört werden, kommt kaum vor. Einmal soll eine Person aus dem Fenster geschrieen haben, dass sie lieber fernsehen will, einmal ging ein Mann in Anzug und Krawatte quer über die Bühne, weil er keinen Umweg machen wollte. Es gibt aber viel mehr Zaungäste, die sich nicht ganz bis zu den Sesselreihen vortrauen. Sie beobachten das Geschehen aus der Ferne oder von einer Schaukel.
Ein Sommer wie heuer bereitet dem Ensemble Probleme, wollen doch Vorstellungen nachgeholt werden. Ersatztermine sind rar, denn die Ensemblemitglieder sind auch in anderen Produktionen engagiert.
Wenn Sie im öffentlichen Raum, bei einem Gemeindebau, unvermutet Angelo Branduardi hören, dann will Sie vielleicht das Utopia Theater zu einem ihrer Aufführungen locken. Schauen Sie hin, nehmen Sie Platz und lassen Sie sich verzaubern und unterhalten.
Noch mehr tolle Kulturevents in Wien und Umgebung gefällig? Bei uns wirst du fündig:
Die coolsten Sommerevents in Wien und NÖ
Theater im Park 2024 – Waldbaden mit Witzen
Die schönsten Freiluftkinos der Stadt
Alle Fotos (c) heldenderfreizeit.com, Utopia Theater
Der Chefredakteur der Wiener Alszeilen verfasst für heldenderfreizeit.com Buch-, Musik- und Spiel-Rezensionen, ist Video-Redakteur von CU TV und schreibt für das Musikmagazin Stark!Strom. Dazu berichtet er von Konzerten, Sport- und anderen Kulturevents und führt Interviews mit Stars und spannenden Persönlichkeiten.