Microsoft schickt mit Senua’s Saga: Hellblade 2 seinen ersten großen Xbox- und PC-Kracher für 2024 ins Rennen. Vor allem grafisch muss sich Senua vor anderen cineastischen Metzel-Games wie God of War nicht verstecken. Vom Storytelling her ist Hellblade aber eine eigene Hausnummer. Warum es nicht nur Fans von nordischen Mythen, sondern auch Horror-Liebhaber im Auge behalten sollten, verrät unser Senua’s Saga: Hellblade 2 Test.
von Klaus Kainz
Als story-lastiges Action-Adventure mit nordischem Anstrich wird Senua’s Saga: Hellblade II sich zwar den ein oder anderen Vergleich mit God of War nicht ersparen können. Allerdings tut der Vergleich beiden Games Unrecht – denn es hebt sich durchaus von der Konkurrenz ab. Gleichzeitig ist es überraschend, dass Microsoft relativ wenig Marketing für das Game betreibt, das eigentlich nicht damit spart, mit Produktionskosten zu prahlen.
Senua’s Saga ist vielmehr eine Reise durch die psychischen Abgründe einer keltischen Kriegerin, als ein klassisches Abenteuer in der nordischen Sagenwelt. Im ersten Teil durchstreifte Senua noch völlig allein das Land, um die Seele ihres getöteten Liebhabers zu retten. Dabei war nie klar, ob die mythologischen Bestien einzig aus Senuas Einbildung entstanden, oder es sich um “reale” Monster handelte. Ein wenig wie keltisches Silent Hill.
Denn Senua hat mit inneren Dämonen zu kämpfen und wird über beide Spiele durchgehend von Stimmen im Kopf begleitet. Achtung: Hellblade handelt ganz klar von psychischen Erkrankungen. Tatsächlich hat das Team mit einem Cambridge-Professor zusammengearbeitet, um die Psychose der Protagonistin akkurat darzustellen. Obwohl Konsorten wie God of War oder The Last of Us ebenfalls versucht haben, Gewalt in Games zu kontextualisieren, ist Hellblade eine eigene Hausnummer.
Der zweite Ableger Senua’s Saga ist nun nicht nur grafisch bombastischer, sondern auch storymäßig breiter aufgestellt. Nachdem sich Senua aus den Klauen von Sklaventreibern befreit, macht sie sich nämlich auf den Weg, mit neuen Kameraden das vom Krieg verwüstete Island von Giganten zu befreien. Übrigens: Den ersten Ableger müsst ihr nicht unbedingt gezockt haben, um Hellblade II zu verstehen, wobei Teil eins nicht sehr lang und empfehlenswert ist.
Schon der Vorgänger sah trotz vergleichsweise geringem Budget überraschend stark aus, jetzt durfte Senua’s Saga als waschechte Xbox-Produktion aus dem Vollen schöpfen. Grafisch ist es eine Wucht, spontan fallen uns wenige derart realistische Charakter-Modelle in anderen Games ein. Vor allem aber nutzt Hellblade II seine überragende Technik, um Spieler mit einer beklemmenden wie surrealen Bildgewalt zu erdrücken.
Kämpfe wirken schonungslos blutig und zermürbend. Gleichzeitig ist nichts, wie es scheint. Denn Senua sieht das Gemetzel weiter durch den Blick ihrer verzerrten Wahrnehmung. Bildebenen verschwimmen, Landschaften zersetzen sich, aus einem Schlachtfeld wird plötzlich ein verlassener Wald, in dem sich Ungeheuer verstecken. In Rätseln spielt ihr wiederum oft mit dem Level-Design. Flammen etwa lassen Wege verschwinden oder auftauchen. Die im Vorgänger etwas nervigen Symbol-Rätsel, in dem abstrakte Objekte aus der richtigen Perspektive zu betrachten sind, sind zurück, aber spielerfreundlicher.
Immersion ist dabei eins der größten Stichworte von Hellblade. Im gesamten Game werdet ihr kein einziges Tutorial oder UI zu Gesicht bekommen, Sprünge zwischen Kampf- sowie Erkundungs- und Story-Sequenzen verlaufen nahtlos. Mindestens genauso eindringlich wie die Grafik ist der Sound – das Game empfiehlt nicht grundlos Kopfhörer beim Zocken. Zwar gibt es keine Tutorials, oft aber sagen Senuas Stimmen den Spielern, was zu tun sein könnte und fügen sich damit ebenfalls nahtlos ins Gameplay ein. Daneben beinhaltet die Soundkulisse manchmal gruselige, manchmal atmosphärische Geräusche im Hintergrund, und einen fantastischen Soundtrack.
Diese immersive Ausrichtung macht das Gameplay auch etwas simpel. Zwar würde komplexere Action die Story-Thematiken untergraben, aber selbst im Erstling waren die Kämpfe noch etwas abwechslungsreicher.
Am schwersten wiegt die teilweise sehr lange dauernde Nicht-Interaktivität. Es kann schon mal passieren, dass ihr zehn oder zwanzig Minuten lang nichts macht, außer den Stick nach vorne zu halten, um Senua durch geradlinige Sequenzen zu schieben. Dabei dauert die Kampagne sechs bis sieben Stunden, was den Gameplay-Anteil oft entsprechend klein wirken lässt. New Game + ist zwar vorhanden, aber bietet sich durch diesen geringen Anteil von Kampfszenarien nicht wirklich an. Immerhin die Rätsel bieten nette Abwechslung und Verschnaufpausen zwischendurch, auch wenn sie nicht die anspruchsvollsten sind.
Es gibt wenig, das mit Hellblade vergleichbar ist. Seine Mischung aus surrealem Horror, nordischen Sagen und trockenen historischen Kulissen zog uns im ersten wie im zweiten Ableger in seinen Bann. Obendrauf schätzen wir die immersive Spielart, in einer Zeit, in der Games die Zocker mit Tutorials, künstlichen EXP-Balken und Icons nur so überhäufen. Nichts da in Senua’s Saga: Hellblade 2 – hier steht die Atmosphäre im Fokus.
Daher ist es schade, dass der Homerun nicht ganz gelingt. Trotz innovativen Ansätzen ist das Gameplay manchmal nicht ganz auf der Höhe und die Story nicht mehr ganz so stark wie im Erstling.
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Der Redakteur (APA, Helden der Freizeit) und Videospiel-Blogger reviewed für uns vor allem Games, Serien und Filme - ist aber auch so manchem Naturausflug nicht abgeneigt.