Die Pálava Region gleich hinter der Grenze zählt zu den beliebtesten Freizeitlandschaften Tschechiens – ist für viele Österreicher aber noch ein Geheimtipp. Das Karstgebirge mit Hochplateaus ist ein Paradies für Wanderer und Ausflügler. Inklusive Eye-catchern wie einer „Mini-Schlucht“. Ich verrate dir in Teil 1 meiner Serie Grenzgänger (hier: Teil 2 über eine Wüste im Marchfeld, Teil 3 über eine geteilte Grenzstadt-Perle oder Teil 6 über die Magie des utopischen Zlín), wie du einen herrlichen Tag in Pálava mit Kulinarik, romantischen Ruinen und hübschen Orten verbringst. Inklusive allen Tipps auf einer praktischen Karte.
von Martin Kienzl
Wer vom Süden träumt, von strahlend weißen Kalkklippen, Ausblicken auf Wasserspiegel, blauem Himmel, ausgedehnten Weingärten, Grassteppen, vom Duft Sonne liebender Kräuter, der ist hier richtig. „Ich finde da alles, was ich an der Welt liebe, Wasser, Sonne und endlose Weinberge“ singt die tschechische Pop-Rock-Gruppe Chinaski in ihrem Hit Víno über die Pollau (Pálava). Und erzielte damit satte 22 Millionen youtube-Aufrufe. „Ein Stück Italien, das durch Gottes Wille an Mähren übertragen wurde“, schrieb der mährische Dichter Jan Skácel. Dieses transferierte “Stück Italien” kennt in Prag und Brünn jeder. Für Wiener liegt die Landschaft genauso „vor der Haustür“. Und trotzdem ist sie für die meisten noch zu entdecken.
Für einen Vorgeschmack – schau dir hier auf Instagram oder hier auf TikTok ein kurzes Video von meinem Pálava Trip an.
Die karstigen Pollauer Berge (Pavlovské vrchy) sind das nördlichste Glied einer Kette von einstigen Inselbergen, die das frühere Meer hinterlassen hat. Die Teile davon, die im Weinviertel liegen, kennen die meisten Ostösterreicher: Leiser Berge, Staatz, Falkenstein. Das größte und attraktivste „Kettenglied“ wird kurz und liebevoll die Pollau (Pálava) genannt und liegt im tschechischen Südmähren.
Wie der Wienerwald oder der Nationalpark Fertö-Neusiedlersee zählt die Pálava seit 1986 zu den besonders schützenswerten UNESCO-Biosphärenreservaten. Gemeinsam mit den riesigen Liechtenstein-Parks der Schlösser von Eisgrub (Lednice) und Feldsberg (Valtice) bildet sie die Schutzzone Untere March. Wenn man die Region besucht, versteht man sofort, warum. Mitten im Wald ragen imposante Felsen auf. Greifvögel umkreisen sie. In den Karst-Waldsteppen bewundert man Gräser und Pflanzen, die man zum Teil nur hier, wo pannonische Steppe und zentraleuropäischer Laubwald aneinandergrenzen, findet.
Die Römer kamen von Vindobona, wie Wien damals hieß, aus hierher und brachten den Weinbau. Er prägt die Gegend bis heute. Sogar eine eigene Rebsorte, Pálava, ist nach ihr benannt. Dass die Berge seit 30.000 Jahren besiedelt sind, verwundert nicht. Angesichts von Hochplateaus, die majestätisch über der sanft gewellten Landschaft Südmährens und des Weinviertels aufragen. Mit weiten Ausblicken nach allen Himmelsrichtungen.
Forscher haben hier ein steinzeitliches Lager von Mammutjägern entdeckt. Und dabei einen Sensationsfund gemacht: die Venus von Unter-Wisternitz (Dolní Věstonice) – die älteste bekannte Keramikfigur der Welt. Das Original wird heute im Mährischen Landesmuseum Brünn verwahrt.
In Unter-Wisternitz hat man am Ort des einstigen Mammutjägerlagers ein tolles Museum, den Archeopark Pavlov, errichtet. Unter der Erde! Weiße Betonkuben ragen heraus, um Tageslicht in die Schauräume zu bringen. Das schafft im Museum eine mystische Atmosphäre. Aus den Luken hat man reizvolle Ausblicke. Klar, dass dieses Museum seit seiner Eröffnung 2016 etliche Architektur-Preise verliehen bekam.
Oberirdisch bewegt man sich auf der Wiese zwischen den Kuben wie in einem Skulpturenpark. Im Rücken die Ruine der Maidenburg (Dívčí Hrady). Vor einem die 1979 entstandenen Thaya-Stauseen Neumühlen (Nové Mlýny), auf denen man segeln und mit diesen Ausflugsschiffen fahren kann. In der Mitte entstand eine Insel. Nur die Kirche des Heiligen Leonhard ist vom Dorf Muschau (Mušov) übrig geblieben.
Vom Weinort Pollau (Pavlov u Dolních Věstonic, hier kannst du parken), dem Namensgeber der Region mit etlichen netten Weinbars gelangt man nach einem Anstieg von etwa dreieinhalb Kilometern zur Ruine der gotischen Maidenburg (Hrad Děvičky). Die noch erhaltenen Teile der zwei Meter starken Außenmauern erstrecken sich über beeindruckende 65 Meter. Nach drei Seiten ist die Ruine von Felsen umgeben. Ihre Formen regen, wie überall in dieser Wunderwelt, die Fantasie an. Unsere Vorfahren erinnerten sie an drei Mädchen, die versteinert wurden. Daher der Name.
Die Aussicht geht weit nach Österreich und in die Slowakei, bis zu den Weißen und Kleinen Karpaten im Osten. Schön ist auch der Blick auf die sanierte Dachlandschaft von Pollau und den Stausee. Auf den Heiden ringsum kannst Du vor allem im Frühling eine unglaubliche Pflanzenvielfalt bewundern. Dann verwandeln sich die Steppenwiesen und Waldböden in ein Blumenmeer.
Von der Burgruine kannst Du weiter Richtung Süden auf die höchste Erhebung der Pollauer Berge wandern, den Maidenberg (Děvín, 550m). Am Südosthang findest du Karstwälder und Steppen. In der Pollau sind die Wanderwege sehr gut angezeichnet. Vor allem an Wochenenden sind viele ortskundige Wanderer unterwegs, die man auch um Rat fragen könnte.
Die meisten Wanderführer beschreiben eine Wanderung über den etwa zehn Kilometer langen Kamm der Berge von Norden nach Süden oder lange Rundwanderungen. Wenn Ihr mehr Zeit mitbringt, ist das ideal. Plant man nur einen Tagesausflug, kann man in der Kombi Auto und Wandern mehr Highlights besuchen.
So kommt man vom Ort Pollau Richtung Klentnitz (Klentnice) mit dem Auto durch einen Waldabschnitt. Und parkt in Fahrtrichtung rechts am Waldesrand auf der Höhe von Wanderwegweisern. Oder man parkt danach, unmittelbar bevor sich rechts wieder die Weingärten ausdehnen, in Fahrtrichtung links auf einem Nebenweg (mit Google maps Satellitenbild ist die Parkreihe gut zu erkennen). In beiden Fällen kommt man in die Soutěska-Senke, zwischen Maidenberg (Děvín) und dem Berg Obera. Eine romantische Felsschlucht mit schneeweißen Kalkwänden.
Und nach Pod‘ Martinkou, übersetzt: Unter der Martinka. Die Martinka, der massivste Felsen des Gebirges mit einer Höhe von 70 Metern, liegt am Nordostrand des Berges Obera. Pod‘ Martinkou ist eine perfekte Foto-Location: eine „Mini-Schlucht“, in der oben ein gigantischer Stein stecken geblieben ist. Die Tschechen nennen ihn Špunt. Weil er an einen Spund erinnert, mit dem man ein Fass verschließt.
Am südlichen Ortsrand von Klentnitz (Klentnice) liegt ein Parkplatz. Der ideale Ausgangspunkt zur Burgruine Waisenstein (Sirotčí hrádek), die auf zwei steilen Kalksteinfelsen liegt. Und die du in etwa einer halben Stunde erreichst. Und zum Tafelberg (Stolová hora, 458 Meter). Auf seinem Hochplateau fühlt man sich, wie am Maidenberg, fast wie auf der Rax. Mit dem Unterschied, dass man für den Aufstieg weder viel Zeit noch Anstrengung aufwenden muss oder gar eine Seilbahn benötigt. Vor viertausend Jahren siedelten hier Menschen.
Nach Süden anschließend liegen die Erhebungen Katzenfels (Kočičí skál), ein Naturdenkmal mit schöner Aussicht, und der Berg Turold, in dem sich die Turold-Höhle mit einem smaragdgrünen See verbirgt, die besichtigt werden kann (Parken in der Gargarinova-Straße). Die von der Popgruppe Chinaski besungenen “endlosen Weinberge” überblickt man von der Aussichtswarte “Leuchtturm” am Prittlacher Berg (Rozhledna Maják na Přítlucké hoře) besonders gut. Von einem kleinen Parkplatz nach dem Ort Přítluky in Fahrtrichtung Zaječí rechts, noch vor dem Weingut (Vinařství) Šabata, erreichst Du die Warte in etwas 15 Minuten zu Fuß.
Die südlichste Erhebung der Pollau ist der Heilige Berg (Svatý kopeček, 365m, Sebastiankapelle), den du von Nikolsburg (Mikulov na Moravě) aus über einen Kreuzweg (Křížová cesta) erklimmen kannst. Und wieder bietet sich eine herrliche Fernsicht. Das große Barockschloss Feldsberg (Valtice) sieht man von hier besonders gut. Jahrhundertelang war es der Stammsitz der Liechtensteins. Die städtische Perle der Pollau, das idyllische Nikolsburg liegt einem zu Füssen. Darüber thront das Dietrichstein-Schloss, Landmark der Region. Allein in Nikolsburg könntest du einen ganzen Tag mit Besichtigungen verbringen.
Die Pollau (Pálava) ist eine mit Sonne gesegnete Genuss-Region zum Verlieben. Auf kleinstem Raum findet man hier so gut wie alles, was einen Tagesausflug unvergesslich macht.
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Mehr InformationenEinreise: Personalausweis (oder Pass) mitnehmen.
Bahn: Knapp 2 Stunden von Wien Hauptbahnhof über Lundenburg (Břeclav) nach Nikolsburg (Mikulov na Moravě) – siehe Tschechische Bahn.
Auto: von Wien nach Nikolsburg über A5 in etwa 70 Minuten. Für die Anreise in die Pollau benötigt man keine mautpflichtige Straße. Ansonsten kannst du die digitale Vignette leicht über diesen offiziellen Anbieter online erwerben.
Helden-Literaturtipps:
Wundklee, Gedichte von Jan Skácel mit einer Laudatio von Peter Handke
Erinnerungen an Neumühlen – Die verlorene Mühlenwelt an der Thaya von Therese Bergmann
Essenslokal Klentnitz: Café Restaurant Fara in Klentnitz (legendär)
Essenslokale Nikolsburg: Hotel Tanzberg, Hotel Volarik, Bistro Drogérka, Víno Šílová, Bistro KUK, Zažíj Pálavu
Essenslokale in der Umgebung der Pálava: Valtická Rychta, Hotel Lotrinský, Jáňůvdvůr, Pastuška
Weitere Lokaltipps: Gourmet Südmähren
Weinbars in Pollau und Umgebung: Marinada, Paulus, Pavlov, Pohárek Pavlov, Obecní Vinotéka Pavlov, Weingut Gotberg, Galerie Venuše Pálava, Sonberk, Holanek, Korek, Víno Cibulka – Sommerschlössl Portz Insel (Letohradek)
Aqualand Moravia, Badeplatz Lom u Marianskeho mlyna, Regionalmuseum Nikolsburg, Jüdischer Friedhof Nikolsburg, Dietrichsteiner Gruft, Liechtenstein Schlösser & Parks (UNESCO-Welterbe), Museumsdorf Niedersulz
In Teil 2 seiner Serie Grenzgänger über Záhorie entführt dich Martin in ein erstaunliches Wüstengebiet gleich hinter der slowakischen Grenze. In Teil 3 über Teschen, in eine wunderschöne Stadt, die sich 2 Länder teilen. Inn Teil 4 nach Böhmisch-Kanada, das an Nordeuropa erinnert und von “Teufelshintern” bis rosa Schlössern ganz viel zu bieten hat. In Teil 5 geht es zur Burgruine Devín, wo Donau und March spektakulär zusammenfließen. Und in Teil 6 nach Zlín, einer Stadt, die vor 100 Jahren auf dem Reißbrett entworfen wurde.
Alle Fotos: (c) heldenderfreizeit.com
Der erfahrene Kulturjournalist (ehemals Bühne, Wien exklusiv, Stil Ikonen usw.) berichtet bei den Helden der Freizeit über Ausflugsziele rund um Wien, Ausstellungen und vieles mehr.