Hunger auf Schokolade? Wer neben der Weihnachtsschoki (hier die besten Süßigkeitengeschäfte in Wien) auch filmisch Süßes will, der ist beim Willy-Wonka-Prequel Wonka diesen Winter ganz gut aufgehoben.
von Susanne Gottlieb
8. Dezember 2023: Gene Wilders märchenhafter Gesang, die bunten Musicalnummern, die köstliche Schokolade. Johnny Depps kindlich-naiver Ausdruck, Tim Burtons perfider Humor, die subtile kapitalistische Gesellschaftskritik. Und natürlich Roald Dahl. Der britische Meister des schwarzen Humors, des unkonventionellen Geschichtenerzählens und der oft gar nicht so undüsteren Kinderbücher.
Er selbst mag in letzter Zeit oft in den Fokus gerutscht sein, da man seine nicht mehr dem Zeitgeist entsprechende Sprache und Ideologie in den Büchern abändern wollte. Seine Geschichten bleiben jedoch zeitlos. Und mit Paddington-Mastermind Paul King hinter dem Drehbuch und auf dem Regiestuhl, ist dieses eigens geschriebene Prequel vielleicht eine beizeiten etwas zu süße, aber doch ereignisreiche Unterhaltung, die so nun wieder im Kino gelandet ist.
Der weltreisende Chocolatier und Magier Willy Wonka (Timothée Chalamet) kommt in der Stadt an, um endlich seinen Wunsch und sein Versprechen an seine verstorbene Mutter (Sally Hawkins) zu erfüllen und ein Schokoladengeschäft aufzumachen. Doch vor Ort regiert das finstere Schokoladenkartell, seine Konkurrenz. Arthur Slugworth (Paterson Joseph), Prodnose (Matt Lucas) und Fickelgruber (Mathew Baynton) beherrschen mithilfe des schokosüchtigen Polizeichefs (Keegan-Michael Key) und ebenso abhängigen Priesters (Rowan Atkinson) die Stadt und den Markt. Die märchenhaft gute, mit magischen Tricks verfeinerte Schokolade Wonkas ist ihnen zu viel Konkurrenz. Er muss aufgehalten werden, ist ihre Maxime.
Doch Wonka hat noch mehr Probleme als nur das Kartell. Da er sich von dem fadenscheinigen Bleacher (Tom Davies) und der skrupelosen Mrs. Scrubbit (Olivia Colman) zu einer Nacht in ihrer Unterkunft hat überreden lassen und die Feinheiten des Vertrags nicht gelesen hatte, schuldet er ihrem heruntergekommenen Etablisment nun viel Geld und wird zum Abarbeiten in der Waschküche festgehalten. Dort freundet er sich mit der Waisen Noodle (Calah Lane) und den anderen Insassen (Jim Carter, Natasha Rothwell, Rich Fulcher und Rakhee Thakrar) an, um einen Ausbruch zu planen, Schokolade zu- und sich selbst freizukaufen. Und dann ist da noch dieses kleine orange Männchen (Hugh Grant), das immer wieder Wonkas Schokolade stiehlt …
Eigentlich könnte man sich fast einmal fragen, warum noch niemand die Fortsetzung zum Buch von Roald Dahl verfilmt hat. Immerhin setzt Charlie und der große gläserne Fahrstuhl direkt nach den Ereignissen des ersten Romans an und begleitet Charlie, Willy Wonka und seine Eltern, wie sie ins All fliegen, dort auf den Präsidenten der USA und Aliens treffen und dann auch noch ein Verjüngungsmittel erfinden. Na gut, vielleicht beantwortet sich die Frage von selbst. Während Tim Burton 2005 sein eigenes Ding machte, von den fröhlich-fantastischen Tönen der Erstverfilmung wegrückte, viel Kritik dafür einsteckte, obwohl er eher den Ton Dahls traf, rückt Wonka wieder mehr in Richtung lustig-leichtes Musical.
Dass das nicht ganz kitschig-banal wird, ist vor allem dem Mann hinter dem Film zu verdanken. Chris King machte aus der Kinderbuchfigur Paddington einst einen veritablen Welt- und Kulthit, der sich mit seiner Fortsetzung sogar noch qualitativ steigerte. Wenn jemand Kitsch mit subtilem Sozialkommentar paaren kann, dann er. So erklingen, um hier nochmals die Nostalgie der Gene-Wilder-Version zu bedienen, schon zu Beginn die bekannten ersten Takte von Pure Imagination. Chalamet und Grant sind bis ins letzte Detail optische Kopien Wilders und der Oompa Loompas. Und auch sonst gibt es viel fröhlich-fetzige Musik von Joby Talbot und Neil Hannon.
Doch in einem King-Film gibt es auch stets die düstere Seite, ein Trauma, das die Figuren durcharbeiten müssen. Während Grant abermals eine brillante, grantige Version von sich selber spielt, und so meta-mässig auf die Absurdität kleiner oranger Männchen anspielt, die Schokolade produzieren, sind Wonka und seine Gefährten in Zentrum einer gröberen, wenn auch nicht expliziten Diskussion um Menschenhandel. Zwar wird in der Wäscherei auch fleißig gesungen, aber weder haben die Leibeigenen Ausweise, Freiheiten oder das Recht, das auf sie blickt. Die kapitalistische Grundkritik am Schokokartell mag da sein, verliert sich aber in kindergerechten Fantasmen und einer Reihe überzeichneter Bösewichte, die man nicht ganz ernst nehmen kann.
Das macht aber nichts, den das Herz der Geschichte ist die Kraft des Träumens. Wonka träumt von seinem Geschäft und seine rechte Hand Noodle vom Finden ihrer Familie. Dass durch Zusammenhalt, harter Arbeit und viel Geschick dann Träume wahr werden, mag vielleicht die ultimative kapitalistische Hollywood-Botschaft sein. Aber irgendwie berührt sie. Man wünscht sich eigentlich nur, bei allem Schauspieltalent Chalamets, dass King hier ein klassisches Musical-Talent besetzt hätte. Denn irgendwie wirkt ausgerechnet der Hauptdarsteller oft etwas fehlplatziert.
Wonka ist märchenhaft-schöne Unterhaltung, die leider oft nur an der Oberfläche kratzt, aber für ein paar spaßige, musikalische Stunden sorgt.
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Susanne Gottlieb schreibt als Filmjournalistin für die Helden der Freizeit, Kleine Zeitung, NZZ, Standard, TV Media, Filmbulletin, Cineuropa und viele mehr. Sie arbeitet im Filmarchiv Austria, berichtet von diversen Filmfestivals und hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert.