Zwei Familien verschanzen sich in einem Haus auf Long Island, während rund um sie die Welt untergeht – Spannungen und Misstrauen inklusive. Wir haben den neuen starbesetzten Netflix Film mit Julia Roberts, Ethan Hawk, Mahershala Ali und Co. für euch gesichtet und verraten euch in der Review unser Urteil.
von Susanne Gottlieb
7. Dezember 2023: Wir alle kennen Weltuntergangs-Thriller. Die hoffnungslose Bevölkerung, die von ein paar strahlenden Helden, meist dem amerikanischen Militär und einem noch strahlerenden Präsidenten mit einer Art Kamikaze-Masterplan und mit viel Kawum gerettet wird. Doch immer öfters werden diese Großkaliber-Actionstreifen hinterfragt, und der Fokus auf die unbequeme Wahrheit gelegt, was, wenn in dieser Situation niemand die Kontrolle hat? Man einfach ein Spielball der Geschehnisse ist?
Im gleichnamigen Roman von Rumaan Alam erforschte dieser die Hilflosigkeit der Menschen, ob des Chaos. Vor allem, wenn ihre treuesten Gefährten, das Internet, das GPS und das Fernsehen, ausfallen. Filmisch umgesetzt von Sam Esmail ist Leave the World Behind nun auf Netflix zu sehen.
Ob sich die Reise ans Ende der Welt lohnt und warum auf jeden Fall der Cast einen Abstecher auf die Streaming-Plattform wert ist, das erfährt ihr hier. Was Netflix noch dieses Monat Neues parat hat, findest du in unserer Monatsübersicht.
Die Sandfords, Amanda (Julia Roberts), Clay (Ethan Hawke) und die Kinder Rose (Farrah Mackenzie) und Archie (Charlie Evans) wollen ein Wochenende in einem günstigen Miethaus in den Hamptons auf Long Island verbringen, um endlich mal von all den lästigen Menschen in New York City wegzukommen. Doch ihr Wunsch, keine Menschen zu sehen, wird sich bald pervertieren. Zunächst noch von der Schönheit der Gegend, des Hauses und dem Strand in Bann genommen, beginnen sich bald die mysteriösen Vorfälle zu häufen. Das Internet funktioniert nicht mehr, der Fernseher fällt aus, Tiere erscheinen immer wieder en masse im Garten, der lokale Survivalist Danny (Kevin Bacon) kauft extra viel ein und am Strand geht ein Öltanker auf Grund.
Mitten in der Nacht stehen dann auch noch die Besitzer des Hauses, G.H. Scott (Mahershala Ali) und Tochter Ruth (Myha’la) vor der Tür und berichten von einem Blackout in der Stadt, vor dem sie sich hier draußen verschanzen wollten. Misstrauen herrscht sofort zwischen dieser weißen Mittelklasse-Familie aus Brooklyn und dem reichen schwarzen Manhattan-Duo. Doch bald schon soll sich zeigen, dass durchaus etwas nicht stimmt. Eine National Emergency Nachricht flackert auf, Sirenen heulen, nirgends mehr sonst ist ein Mensch anzufinden. Nun heißt es, sich mit der Situation und der Wahrheit, dass man ganz auf sich allein gestellt ist, zu arrangieren.
Was, wenn man einfach sich selbst überlassen bleibt? Ein Spielball des Ungewissens, eines Chaos, das keinen Regisseur zu haben scheint? Leave the World Behind arbeitet mit der Ungewissheit, der Hilflosigkeit und der Panik, sich an niemanden wenden zu können. Irgendwer muss doch da draußen sein. Ein Arzt, ein Polizist, irgendwer, der den Menschen sagen kann, alles wird wieder gut. Dieser fast schon verzweifelte Wunsch wird immer formuliert. Eine Floskel, denn bald schon ist klar, das ist erst der Anfang.
Regisseur Sam Esmail ist dabei mit der Herausforderung konfrontiert, dass sein Handlungsspielraum minimal ist, der Plot selbst oft nur von verbalen Konfrontationen getrieben ist. Während Bücher hier rein über die monologisierende Kopfebene laufen können, muss er das Geschehen mit Bildern füllen. Das geschieht dann häufig leider über zu überstylisierte Schnittfolgen, Kamerafahrten oder zu dominante Hintergrundmusik. Beizeiten dehnt sich die Handlung dadurch ins Unermessliche, werden Konfrontationen wiederholt und simplistische Botschaften vermittelt.
Doch was hier durchaus pointiert heraussticht, ist die Kritik an der absoluten modernen Medienhörigkeit der Menschheit. Clay wird zum absolut nutzlosen Versager, sobald sein GPS und sein Handy ausfallen. Tochter Rose ist nur semi an den Geschehnissen interessiert und möchte eigentlich nur endlich die allerletzte Folge Friends schauen. Als sie ein verlassenes Haus voller Vorräte und DVD-Sammlungen findet, ist somit klar, was ihr wichtiger ist.
Andere Botschaften bleiben etwas unklarer. Auch wenn Esmail nicht unbedingt den oft paranoiden Überlebenskünstlern in Form von Danny unbedingt Recht geben will, scheint er noch der Abgeklärteste der Runde zu sein. Dinge hinterfragen, sich nicht in falschen Sicherheiten wägen, scheint die Botschaft. Oder auch, dass man in Zeiten der Not enger zusammen rücken müss, um sich zu retten. Denn letztendlich, das sagt auch Ruth zu der Menschen hassenden Amanda, sind andere Menschen das Einzige, was wir haben.
Leave the World Behind hat seine provokanten Momente, leidet aber unter seinem Tempo und der oft zu plakativen Botschaft.
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Susanne Gottlieb schreibt als Filmjournalistin für die Helden der Freizeit, Kleine Zeitung, NZZ, Standard, TV Media, Filmbulletin, Cineuropa und viele mehr. Sie arbeitet im Filmarchiv Austria, berichtet von diversen Filmfestivals und hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert.