Mit seinem ersten Film seit sechs Jahren beweist der finnische Regisseur Ari Kaurismäki, dass er nach wie vor zu den gegenwärtig besten Regisseuren zählt. Warum es in Fallende Blätter geht und unser Urteil.
von Susanne Gottlieb
15. September: Der finnische Regisseur Ari Kaurismäki ist nicht nur bekannt dafür, amüsante Auftritte in der Öffentlichkeit zu bieten. Er ist auch brillanter Geschichtenerzähler, der sich auf die Schicksale von gesellschaftlichen Außenseitern in städtisch-urbanen Zentren konzentriert. Ob das nun die syrischen Flüchtlinge der letzten Jahren sind, wie in seiner Flüchtlings-Trilogie, oder das Proletariat, in seiner Proletariat-Trilogie.
In Fallende Blätter verlieben sich die einsamen Arbeiter Ansa und Holappa. Warum das so schön anzusehen ist, das erfahrt ihr in unserer Fallende Blätter Kritik – weitere Kinotipps des Monats haben wir hier für dich.
An einem Abend in einer Bar in Finnland treffen einander die Supermarkt-Angestellte Ansa (Alma Pöysti) und der Bauarbeiter Holappa (Jussi Vatanen), ein Alkoholiker, in einer Bar. Die Chemie stimmt sofort, man geht miteinander auf ein Date ins Kino. Doch ab dem Zeitpunkt wird es kompliziert für die beiden. Da Ansa nicht allzu viele Details verraten will, hat Holappa nur ihre Nummer, aber keinen Namen. Diesen verliert er auch gleich einmal, so dass er Ansa nicht mehr kontaktieren kann. Eine Suche durch die Stadt beginnt.
Und auch dann stehen die beiden vor großen Herausforderungen um zueinander zu finden. Ansa möchte keinen Alkoholiker als Partner. Holappa ist zunächst nicht bereit, sein Trinken für sie aufzugeben. Und dann ist da noch eine weitere Herausforderung, die die Zuneigung der beiden auf die Probe stellen wird …
Es ist etwas Altmodisches an Kaurismäkis Film, das ihn so unterhaltsam macht. Mann und Frau treffen einander, Dinge kommen dazwischen, sie müssen einander wieder finden. Das ist kein neues Konzept. Es trotzdem so amüsant zu verpacken ist daher eine geschickte Leistung. Als kalkulierter Beobachter seiner Umgebung, ist Kaurismäki aber auch nie darum verlegen, seinen so trockenen, pointierten Humor in die Handlung einzubauen. Sein Stil, die Schauspieler immer etwas steif-mechanisch agieren zu lassen, unterstreicht die Absurdität der Gesellschaft und der Situationen. Dennoch, in den Momenten, wo Herz gefragt ist, ist Fallende Blätter wieder mit melancholischer Liebenswürdigkeit und pointierter Traurigkeit gefüllt.
Das ist vor allem auch den beiden Hauptdarstellern zu verdanken, die mit stoischer Miene und perfektem Timing ihren aufs Minimum reduzierten Figuren so viel Leben einhauchen. Die Chemie zwischen Pöystie und Vatanen knistert, und vor allem in Momenten wie ihrem Kinobesuch, ein brillanter Gag-Regen für jeden Cineasten, ist es ihre ernste Miene, die die immer abstrusere Abfolge an Dialogen so perfekt verkauft.
Die Szenerie, inmitten der sonst so pulsierenden Hauptstadt Helsinki, schafft eine Welt, die sich den modernen Sensibilitäten entzieht. Allein die Nachrichten über den Krieg in der Ukraine geben dem Ganzen eine zeitliche Verortung und erinnern daran, dass Finnland ein Nachbar Russlands ist, und auch unter deren Besatzung leiden musste. Eine gewisse Bedrohung aus der Ferne liegt über der Handlung, doch die Einheimischen verfolgen weiter ihren Alltag.
Fallende Blätter mag vielleicht nur 81 Minuten lang sein, und lässt die Komplexität früherer Werke Kaurismäkis vermissen. Aber der Film beweist erneut, wie wenig es eigentlich bedarf um wirklich gut unterhalten zu werden. Ein stimmiger Cast, eine charmante Geschichte, eine Vision, wie diese zu erzählen ist. Eine Romanze, die man nicht verpassen sollte.
Fallende Blätter ist eine kurze, aber unterhaltsame Liebes-Tragikomödie, die einen zum Schmunzeln bringt und auch berührt. Sollte man auf keinen Fall verpassen.
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Alle Fotos: (c) Filmladen
Susanne Gottlieb schreibt als Filmjournalistin für die Helden der Freizeit, Kleine Zeitung, NZZ, Standard, TV Media, Filmbulletin, Cineuropa und viele mehr. Sie arbeitet im Filmarchiv Austria, berichtet von diversen Filmfestivals und hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert.