Die zehnte Runde auf hoher Oktanzahl beweist leider nur eins: Der Charme der Fast & Furious-Reihe ist schon lange verloren gegangen.
von Susanne Gottlieb
17. Mai 2023: Wer hätte nach 22 Jahren gedacht, dass die Straßengang rund um Dominic Toretto (Vin Diesel) immer noch quer durch die Straßen von Los Angeles, oder rund um die Welt allgemein, flitzt? Was als kleiner Sommer-Actionkracher begonnen hat, ist inzwischen eines der weltweit größten Franchises. Doch kann die Reihe nach all den Jahren überhaupt noch was herhalten? In dem dreiteiligen Showdown, den Diesel nun als Produzent geplant hat, sehen wir den ersten Teil der finalen Saga. Und leider muss man sagen, die Höhepunkte der Reihe liegen schon einige Jahre zurück.
Übrigens: Das Fazit zum nächsten Action-Spektakel von Tom Cruise Mission Impossible 7 gibt’s hier!
Eigentlich wollte sich Dominic Toretto (Vin Diesel) mit seiner Frau Letty (Michelle Rodriguez) und Sohn Brian (Leo Abelo Perry) einen ruhigen Lebensabend in Los Angeles machen und nur noch sporadisch Aufträge für die Agency des inzwischen verstorbenen Mr. Nobody übernehmen. Doch ein Team wie das von Dom macht sich, wie man seit einigen Filmen merkt, nicht nur Freunde, sondern auch viele Feinde. Ein weiterer solcher, und wie immer ist es der Bruder/Sohn/Verwandter/etc eines vorangegangenen Widersachers, ist Dante Reyes (Jason Momoa). Der psychopathische Sohn von Drogenboss Hernan Reyes, der im fünften Teil der Reihe von der Crew in Rio de Janeiro nicht nur bestohlen, sondern auch erledigt wurde. Nun ist er gekommen, um seinen Vater und sein Erbe zu rächen.
Ziel ist, wie immer, Dom und seine Familie höchstpersönlich, aber auch so ziemlich jeder, der ihnen in den letzten 20 Jahren geholfen hat. Das Abenteuer, oder der Krieb besser gesagt, beginnt, als Doms Crew Roman (Tyrese Gibson), Tej (Ludacris), Ramsey (Nathalie Emmanuel) und Han (Sung Kang) in Rom in eine Falle gelockt werden. Dann geht mal eine riesige Bombe hoch und schwupps ist “the family” auf allen “Most Wanted” Listen. Wie sie davon wieder runter kommen und wieder ihren Namen rein waschen kann, beschäftigt nicht nur den Plot der nächsten drei Filme, sondern auch ehemalige Weggefährten. Ob Freund oder Feind, wie Deckard Shaw (Jason Statham), Bruder Jakob Toretto (John Cena), Schwester Mia Toretto (Jordana Brewster), Little Nobody (Scott Eastwood), Madeleine Shaw (Helen Mirren) oder Cipher (Charlize Theron). Neu in diesem Mix sind Mr. Nobodys Tochter Tess (Brie Larson), Agency-Chef Aimes (Alan Ritchson) und die Rennfahrerin Isabel (Daniela Melchior).
Klingt nach vielen Charakteren? Stimmt. Fast & Furious 10 erstickt nicht nur in seiner immer absurder werdenen Logik. Er ist auch inhaltlich überladen. Von einer Reihe, die sich zunächst etwas unsicher über ihre Richtung einer Reihe von Straßenrennen widmete, zu einer der besten Heist-Reihen des letzten Jahrzehnts sind wir in einem CGI-Tollhaus angekommen, wo absolut nichts mehr wichtig ist, außer das sinnentleerte Geschwafel über Familie und der nächste große Stunt. Außerdem fragt man sich, warum die Reihe nicht den Mut nach Walkers Tod hatte, seine Figur Brian einfach umzubringen. Hatte man sich zunächst noch versucht rauszureden, wo der ehemalige Cop diesmal unterwegs war, so verschwendet der Film keine Sekunde mit einer Erklärung, warum er diesmal schon wieder nicht mithilft. Neue Figuren, wie etwa Doms Großmutter (dargestellt von der großartigen Rita Moreno) werden schnell eingeführt und verschwinden dann wieder in der Versenkung. So auch Little Nobody. Nach der Action in Rom ist er plötzlich nicht mehr zu sehen.
Ebenso abstrus ist inzwischen die Action. Die ewig langen Runways am Flughafen, das Hüpfen von Wolkenkratzer zu Wolkenkratzer waren bereits absurd und amüsierte die Zuschauer. Aber was einst noch ein lustiges Fehlersuchen war, ist inwischen schon die Regel. Die Filme hatten sich selbst die Aufgabe gestellt, immer größer und immer fantastischer zu werden. Das rächt sich jetzt. Was einst das große Finale eines Films war, ist inzwischen höchstens noch der Hook zu Beginn. Dass Roman und Tej mit einem Auto im Weltall waren, ist kein Augenzwinkern mehr, sondern einfach nur die Gangart der Filme. Wie soll man hier noch mitfiebern, wenn rein alles nur mehr (teils sehr billig) wie am Computer und im Studio erbaut wirkt?
Dass gleich eine überdimensional große Bombe, wie aus einem alten Bond-Film, durch die fragile, aber ewige Stadt Rom rollt, sagt auch alles, was es über diese Reihe noch zu sagen gibt. Fragil war die Logik und die Qualität der Filme immer. Ewig war klar, dass sie nicht weitergehen können. Aber bevor es dann mit einem großen Knall zu Ende geht, wird nochmals alles in Schutt und Asche gelegt, was die Macher einst wie die Römer selber so mühevoll aufgebaut hatten. Fast & Furious hat sich inzwischen übernommen. Der Spaß ist weg, der Elan futsch. Die Dialoge sind dröge und bedeutungsschwanger, die Action nur mehr absurd. Wer hier noch zwei Stunden Spaß hat, hat einfach einen Autofetisch. Aber da wäre man mit David Cronenbergs Crash oder Julia Ducournaus Titane fast besser aufgehoben.
Die goldene Ära der Fast & Furious Filme ist vorbei. Inzwischen handelt man sich hier nur mehr eine Abfolge überkandidelter Actionsequenzen mit wenig Charakterentwicklung ein. Wer drauf steht, wird Spaß haben, allen anderen wird dieser Kracher eher flau im Magen liegen.
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Aufmacherfoto: (c) Universal Pictures
Susanne Gottlieb schreibt als Filmjournalistin für die Helden der Freizeit, Kleine Zeitung, NZZ, Standard, TV Media, Filmbulletin, Cineuropa und viele mehr. Sie arbeitet im Filmarchiv Austria, berichtet von diversen Filmfestivals und hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert.