Schon lange sorgte keine neue Gaming-IP für so viel Hype wie Atomic Heart. Denn der Egoshooter verspricht alles zu bieten, was schon Klassiker wie Bioshock und Fallout zu Hits machte. Ob er diese hohen Erwartungen wirklich erfüllen kann, sagt euch unser Atomic Heart Test.
von Klaus Kainz
Wer hätte das gedacht? Mit Atomic Heart schaffte tatsächlich ein bisher unbekannter Entwickler mit einer neuen IP den großen Gaming-Hype im Frühjahr 2023 – zumindest für alle, die mit Urlaub in Hogwarts nichts anfangen können. Schließlich scheint Atomic Heart die Lücke zu füllen, die Bioshock hinterlassen hat. Bis zum spirituellen Bioshock-Nachfolger Judas dürfte es außerdem noch dauern. Deswegen bedient vorerst Atomic Heart das beliebte Shooter-Gameplay mit Telekinese-Fähigkeiten, während das alternativ-historische Setting auch an Fallout oder Wolfenstein erinnert.
Die Sowjetunion im Jahr 1955 – nur nicht ganz. Atomic Heart verfrachtet euch in ein alternatives Russland, das in den 1950ern mit bahnbrechenden Erfindungen in der Robotik Aufsehen erregt. Mit einem neuen KI-Handschuh ausgerüstet verschlägt es nun Protagonist Sergei Nechaev auf eine Forschungsinsel, auf der die Maschinen verrückt spielen. Um sich gegen die bösen Roboter zur Wehr zu setzen, helfen ihm nicht nur Wummen und Äxte, sondern auch elektromagnetische Fähigkeiten.
Spielerisch wirkt das alles erstmal wie ein klassischer Egoshooter. Im Marketing präsentierte sich Atomic Heart als Rollenspiel – so weit würden wir nicht gehen, aber es geht durchaus tiefer als typische Kampagnen von Call of Duty & Co. Über einen Skill-Tree könnt ihr euch Fähigkeiten wie Telekinese oder Blitze und Extra-Moves anschaffen, aber auch eure Waffen mit Elementen und Bonus-Attributen kombinieren. In den ersten Stunden geht es noch ähnlich wie in Bioshock zu. In einer Versuchsanstalt gilt es sich gegen fehlgeschlagene Experimente durchzuschlagen und kleine Rätsel zu lösen.
Nach einer Weile öffnet sich das Game aber drastisch und lässt euch die gesamte Insel als Open World erforschen. Durch die offene Struktur beim Erkunden der historischen SciFi-Welt erinnert es ein wenig an Fallout, aber auch an Crafting– und Stealth-Games. Besonders zu Beginn ist es wichtig, unbedeckt zu bleiben und die gefundenen Ressourcen sinnvoll in sein Arsenal zu investieren. Denn Roboter und etliche Sicherheitskameras aktivieren – ähnlich wie in Grand Theft Auto – einen Alarmpegel, der euch mehr gegnerische Truppen auf den Hals hetzt, desto höher er ist.
Atomic Heart hat sich viele Bestandteile anderer Shooter genommen, die auch weiterhin funktionieren. Vor allem motiviert es, mit den stetig ausbaubaren Fähigkeiten und Waffen zu experimentieren. Allerdings fühlt sich das Game durch das vergleichsweise geringere Budget nicht so poliert an, wie manche Inspirationen. Schwer wiegt vor allem, dass das Kampfsystem nicht so spektakulär ist, wie es aussieht. Vielen Angriffen fehlt eine spürbare Wucht, wenn man selbst Hand anlegt, und die Tastenbelegung ist nicht immer intuitiv.
Währenddessen geht ihr den Mysterien rund um die Roboterrevolution und den Verrat des dafür verantwortlichen Wissenschaftlers sowie dem Geheimnis des Projekts “Atomic Heart” nach. Der hochnäsige Hauptcharakter Nechaev schimpft dabei viel und streitet öfter mit dem stoischen KI-Kumpanen. Aber die Schimpftiraden bieten keine smarten Pointen, wodurch die Dialoge nicht wirklich witzig oder interessant sind. Überzeugender als Story und Writing ist daher das World Building.
Die Mischung aus Science Fiction und 1950er-Ästhetik kennen wir schon aus Fallout oder Bioshock. Das Sowjet-Szenario gibt Atomic Heart aber einen eigenen Touch. Die Maschinen und Roboter wirken durch ihren Plastik- und Blech-Look sowie durch die poppigen Farben mehr Retro als SciFi und die Insel scheint wie das Hauptquartier einem alten James-Bond-Streifen entnommen. Allerdings sollte kein grafisches Wunder erwartet werden, es handelt sich definitiv um kein Projekt mit AAA-Budget. Zu den Highlights zählt dafür der Soundtrack von Mick Gordon, dessen Techno-Rock schon Wolfenstein und Doom enorme Dynamik verliehen hat. Das gilt nun auch für die Action in Atomic Heart, wobei dem Rock öfter mal klassischer russischer Gesang beigefügt wurde.
Atomic Heart ist ein gutes Placebo für alle, die nicht mehr auf das nächste Bioshock oder Fallout warten können. Es setzt kompetent bekannte Elemente solcher Marken um – sprich, strategisches Shooter-Gameplay mit kreativem Skill-Tree und Crafting vor einem alternativ-historischen Setting. Obendrauf liefert Komponist Mick Gordon nach seinem Abgang bei Bethesda erneut Top-Arbeit. Allerdings sollte nicht dieselbe Qualität der Vorlagen erwartet werden. Dafür war uns die Story etwas zu flach und die Action ein klein wenig zu unpoliert.
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Der Redakteur (APA, Helden der Freizeit) und Videospiel-Blogger reviewed für uns vor allem Games, Serien und Filme - ist aber auch so manchem Naturausflug nicht abgeneigt.