America’s Dad als Grantler? Kommen Sie und sehen Sie Tom Hanks als mürrischen alten Mann und nicht als der netteste Kerl, den man sich vorstellen kann. Alles zu haben in Ein Mann namens Otto. Aber reicht das, um ein Kinoticket zu rechtfertigen? Das ist unsere Meinung.
von Susanne Gottlieb
Irgendwas haben die Schweden mit alten einsamen Männern. Nach Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand, ist es der Roman von Fredrick Backman von 2012, Ein Mann namens Ove, der erst eine schwedische Kinoversion erhielt und nun sogar ein amerikanisches Remake erhält.
Zu sehen als der grummelige Senior ist ausgerechnet Box Office-Liebling Tom Hanks, der schon einige Nerds, Immigranten, Romantiker oder etwas egozentrische Buchverkäufer gespielt hat, aber sicher noch keinen Unsympathler. Mit dabei als eine jüngere Version von ihm ist übrigens sein Sohn. Nicht Colin Hanks, der eine eigene stabile Karriere hat, sondern sein jüngster Sohn mit Rita Wilson, Truman Hanks. Also ein bisschen Kinospaß und ein bisschen brandaktuelle Nepo-Baby-Debatte in einem Film.
Wir verraten euch in unserer Kritik, was ihr euch von den Film erwarten dürft und ob man ihn unbedingt gesehen haben muss. Empfehlung! Ab 2. 3. läuft Tár im Kino mit einer oscarreifen Cate Blanchett – lest in dieser ausführlichen Kritik, was diesen Film auszeichnet.
Seit er vor einem halben Jahr seine geliebte Frau Sonya (stets nur als junge Frau: Rachel Keller) verloren hat, ist der überaus korrekte, aber auch sehr verbitterte Senior Otto Anderson (Tom Hanks) des Lebens müde. Also beschließt er sich nach seiner Pensionierung daheim in seiner Wohnung zu erhängen. Doch all die Planerei geht den Bach runter, als seine neuen Nachbarn Marisol (Mariana Treviño) und Tommy (Manuel Garcia-Rulfo) es nicht schaffen, mit ihrem Möbeltransporter vor dem Haus gegenüber richtig einzuparken. Also wird erst mal geholfen, belehrt und als er es dann doch nochmal versucht, hält das Seil nicht.
Dieser Ablauf beginnt sich wie ein Reigen zu wiederholen. Jedes Mal, wenn Otto seinem Leben ein Ende setzen will, scheitert es an der Umsetzung oder es unterbrechen ihn seine neuen Nachbarn. Oder er wird in die Probleme seiner ehemaligen Freunde Anita (Juanita Jennings) und Reuben (Peter Lawson Jones) hineingezogen, die krank und alt kurz vor dem Rauswurf durch ihren entfremdeten Sohn stehen. Außerdem sind da noch die Visionen seiner Frau, die ihn vom Selbstmord abhalten will. Und langsam, ganz langsam, beginnt Otto doch weich ums Herz zu werden. Sieht er vielleicht letztendlich doch noch einen Sinn im Leben?
Ein Mann, der sich aufhängen will und schon im Delirium verschwindet? Leichter Tobak ist der Film in solchen Momenten nicht. Doch der makabere düstere Stil der skandinavischen Vorlage geht zumindest in solchen Momenten nicht ganz verloren. In den Grundgerüsten ist dessen Sensibilitäten noch zu erkennen. Eine tiefergehende Meditation über den Sinn des Lebens, Seelenverwandschaft, der Familie, die man sich selber aussucht. Doch ganz ohne Hollywood-Tamtam geht es dann doch nicht. Drehbuchautor David Magee dreht den Kitschfaktor vor allem im letzten Drittel des Films auf 10 hoch. Die feineren Kanten der Handlung verschwinden und die Nachbarschaft wächst zu einer klischeebehafteten Zweckfamilie zusammen, die es den bösen Vermietern von Anita und Reuben nur so zeigt.
Spaß macht aber dennoch Tom Hanks als grumpiger alter Mann, der keinen Sinn mehr im Leben sieht. Vom Anherrschen des Personals im Baumarkt oder im Krankenhaus bis hin zu den Nachbarn sieht man, wie viel Spaß Hanks daran hat, auch mal der Ungustl zu sein. Trotzdem wäre es keine Hanks-Darbietung, wenn der Superstar nicht auch die feineren, sensiblen Töne dazwischen treffen würde. Der Großteil des Films, inklusive der etwas zu stereotypenhaften Latina Marisol, mag Durchschnitt sein. Aber Hanks allein ist das Ticket dann doch wert. Ob sein Junior Truman das Zeug zum nächsten Schauspieler in der Familie hat? Als junger Otto macht er die Sache ganz gut. Man darf sich in Zukunft überraschen lassen.
Ein Mann namens Otto mag zwar filmisch als Drama nicht allzu sehr herausstechen, macht aber aufgrund eines bitteren, fantastisch spielenden Tom Hanks durchaus Spaß.
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Aufmacherfoto: (c) Sony Pictures
Susanne Gottlieb schreibt als Filmjournalistin für die Helden der Freizeit, Kleine Zeitung, NZZ, Standard, TV Media, Filmbulletin, Cineuropa und viele mehr. Sie arbeitet im Filmarchiv Austria, berichtet von diversen Filmfestivals und hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert.