Letztes Jahr hat uns Forza Horizon 5 ins Rennfieber versetzt. Nun will es mit Need for Speed Unbound auch das Racing-Urgestein von EA noch einmal wissen. Die Kultserie hatte viele Höhen und Tiefen, jetzt soll der neueste Ableger das Flair alter Klassiker wieder aufleben lassen. Ob das zum ebenbürtigen Forza-Konkurrenten reicht, erfahrt ihr hier.
Von Klaus Kainz
2. Dezember 2022: Klammheimlich wurde Need for Speed Unbound im Oktober angekündigt, jetzt schon dürfen wir losdüsen. Auf PS4 und Xbox One hatte es Need for Speed nicht einfach. Lediglich das zuletzt erschienene Need for Speed Heat kam bei Kritikern halbwegs gut weg, während Forza Horizon der Marke den Wind aus den Segeln nahm. Need for Speed Unbound mischt nun das Beste aus allen Welten für PS5, Xbox Series und PC.
Übrigens: Seht hier nach, ob es Need for Speed in unser Ranking der Top 24 Racing Games geschafft hat. Und ebenfalls brandneu – unser Test zu Callisto Protocol, der so manche harsche Kritik in anderen Medien relativiert.
Wenn sonst nichts mehr hilft, dann ein bisschen Nostalgie. Kaum ein Racing-Fan der frühen 2000er ist an Need for Speed Underground vorbeigekommen – allein der Startbildschirm mit Get Low von Lil’ Jon ist unvergessen. Damals zielte EA auf den Hype der ersten Fast & Furious Filme ab. Mit Need for Speed Unbound geht es nun zurück in die illegale Tunerszene. Bunte Autos, poppiges Graffiti und Hip Hop – inklusive Deutschrap – sind also wieder an der Tagesordnung. Im Gameplay ist es aber kein simpler Klon vom alten Kultklassiker Underground.
Wie in Underground gilt es Autos für hippe Straßenrennen die Autos optisch zu pimpen und für bessere Stats unter der Motorhaube zu tüfteln. Gleich zu Beginn darf man teure Luxusautos testen, aber einen Schicksalsschlag später gilt es sich mit einer Schrottkiste wieder nach oben zu arbeiten. Zu Launch bietet das Spiel ganze 143 Autos, die ihr nicht nur bei den Stats frisieren dürft. Extravagante Muster können – mit genug Geld – euren Flitzer schmücken. Außerdem habt ihr eine große Auswahl an knalligen Cartoon-Effekten, die bei Stunts wie Reifenqualmen und langen Sprüngen aktiviert werden.
Vom Spielaufbau her knüpft Unbound an Need for Speed Heat an: in einer Open World arbeitet ihr Straßenrennen, Kombo-Herausforderungen, Eskortmissionen usw. ab, um Geld und “Heat” zu verdienen und euch langsam an die Spitze zu kämpfen. Dabei sind Tag und Nacht erneut strikt voneinander getrennt. Vergehen genug Tage, erwarten euch besonders lukrative Events.
Besonders, wenn ihr mit den teuersten Wagen in Highspeed durch die Rennen brettert, kommt wieder das Action-Feeling der alten Ableger von Criterion Games auf, die für Unbound wieder zuständig waren. Allerdings hat das Spiel sonst wenig mit Criterion’s vorherigen Ablegern Need for Speed Hot Pursuit und Need for Speed Most Wanted (2012) zu tun. Stattdessen dürfte Forza Horizon eine Inspiration gewesen sein. Nitro-Boosts und waghalsige Sprünge gibt es natürlich noch immer. Allerdings fordern viele Rennen deutlich präzisere und langsamere Drifts, wie man sie sonst eher von der Microsoft Konkurrenz gewohnt ist. Auch müssen wie in Forza-Rennen nun Checkpoints streng abgefahren werden.
Dann wäre da noch die Open World, die die Missionen und die Story zusammenhält – für uns leider der Tiefpunkt des Spiels. Generell ist nichts gegen eine klassische Aufstiegsgeschichte einzuwenden, in der nicht sofort alle Luxusautos zur Verfügung stehen. Durch das Weltdesign ist Fortschritt aber oft mühsam. Neue Wagen sind teuer, Tuning ebenso und selbst die Teilnahme an Rennen kostet Geld. Gerne würde man Missionen also schnell hintereinander abschließen und die Kohle absahnen.
Nur funktioniert das nicht. Quicktravel ist nämlich nicht drin. Nach jedem Rennen muss man zuerst zum nächsten Missions-Icon tuckern. Zwar ist die Welt dazwischen mit Mini-Herausforderungen zugepflastert, die sind aber meistens uninteressant. Genauso wie banale Verfolgungsjagden mit den Cops, die nur das Erreichen eures Zieles hinauszögern. Sind genug Rennen gefahren, muss außerdem Geld verstaut werden. Das bedeutet, es kommen viele dröge Abstecher zum nächstbesten Unterschlupf dazu. Gerade am Anfang können die Wege langatmig sein, wenn nur wenige Missionen und Verstecke auswählbar sind. Kurzum: Die Open World ist halbgar.
Vor allem bei der Grafik zieht Forza Horizon an Need for Speed Unbound vorbei. Die Open World sieht zwar nicht schlecht aus, aber befindet sich “nur” auf gutem PS4 Niveau. Wow-Momente wie im Mexiko von Forza Horizon 5 bleiben aus. Der Graffiti-Style von Unbound versucht das wettzumachen, aber ist nicht konsequent genug. Charaktere zeigen sich im Cartoon-Gewand, der Rest ist realistisch.
Euren Wagen könnt ihr Instagram-mäßige Effekte antackern, die ganz cool, aber leicht übersehbar sind. Der bunte Style ist also nichts Halbes und nichts Ganzes. Wäre das Gesamtbild cartooniger, hätte die Grafik von Need for Speed Unbound ein richtiges Alleinstellungsmerkmal gegenüber der Konkurrenz gehabt.
Außerdem sei hier angemerkt, dass wir das Spiel zweimal neustarten mussten, weil das Fahrzeug in Open World Objekten hängen blieb und kein Respawn möglich war. Allerdings ist das Game sonst sehr poliert und glitch-frei.
Need for Speed Unbound ist ein solider Open World Arcade Racer. Einschlagen wie Forza Horizon 5 wird es vermutlich nicht. Dafür fehlen die großen Wow-Momente, aber auch Innovationen, wie die Action im zuletzt neu aufgelegten Need for Speed Hot Pursuit. Gleichzeitig macht Unbound nichts grundlegend als direkter Nachfolger von Need for Speed Heat oder als Light-Version von Forza Horizon nicht grundlegend falsch. Wer sich mal wieder ein paar Nachmittage in der Tuner-Szene á la Need for Speed Underground behaupten will, bekommt genau das.
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Alle Bilder: (c) EA
Hinweis: Für den Test wurde uns ein Rezensionsmuster zur Verfügung gestellt.
Der Redakteur (APA, Helden der Freizeit) und Videospiel-Blogger reviewed für uns vor allem Games, Serien und Filme - ist aber auch so manchem Naturausflug nicht abgeneigt.