Im Game of Thrones Prequel House of the Dragon wird wieder um den Thron gekämpft, diesmal aber unter der Herrscherfamilie Targaryen. Welche Stärken und Schwächen wir nach Ansicht der ersten sechs Folgen ausgemacht haben.
von Susanne Gottlieb
19. August 2022: Eigentlich hatten wir ja schon alle mit dem Universum von Game of Thrones abgeschlossen. Nach den überaus schlampigen, gehetzten letzten zwei Staffeln und der katastrophalen Auflösung der Geschichte hatte die Serie irgendwie ihr kulturelles Momentum zerstört. Vielmehr wurde das 2019 geendete Epos zum “cautionary tale”, wie man es nicht machen wollte. Vor allem nachdem die Showrunner David Benioff und D.B. Weiss zugeben hatten, mit wie wenig Erfahrung und teils Interesse, George R.R. Martins Vorlage zu folgen, sie da rein gegangen waren. Wie eilig sie es am Schluss hatten, die Geschichte abzuschließen, weil Netflix und Star Wars auf sie warteten.
Dass Optionen sich nie materialisierten ist eine andere Geschichte. Doch nach einem bereits gescheiterten weiteren Piloten mit Naomi Watts, der 2000 Jahre vor Game of Thrones hätte spielen sollen, bekommen wir nun House of the Dragon. Das basiert auf Martins Romanvorlage Fire&Blood von 2018. Dort handelt er die lange Geschichte der Targaryens ab. Eine solche Episode, der rund drei Generationen umfassende “Tanz der Drachen”, ein Kampf um die Erbfolge, steht nun im Zentrum der Serie.
Warum diese auch ganz gut gelungen ist, und warum es trotzdem noch Verbesserungspotenzial gibt, erfahrt ihr hier bereits vor dem Sky-Start der HBO-Serie. Übrigens: Hier im Review könnt ihr auch schon nachlesen, wie gut die neue Herr der Ringe Serie geworden ist.
Den Thron zu erklimmen und auch zu halten war nie einfach im Haus Targaryen. 179 Jahre vor Daenerys Geburt, der Drachenlady aus Games of Thrones, stand schon ihr Vorfahre Jaehaerys I vor dem Problem, seinen Erben zu bestimmen. In dem patriarchalen Westeros war ein männlicher Erbe eine Selbstverständlichkeit. Doch er hatte keinen. In der Wahl zwischen Enkelin Rhaenys (Eve Best), Tochter des älteren Sohnes und Viserys (Paddy Considine), Sohn des jüngeren Sohnes, fiel auch hier wie gewohnt die Wahl auf den männlichen Kandidaten.
Einige Jahre später herrscht Viserys I nach wie vor über ein friedliches Reich. Doch auch ihn plagen wie einst seinen Großvater Sorgen der Thronfolge. Seine Frau Aemma (Sian Brooke) hatte bisher nur eine gesunde Tochter, Rhaenyra (erst Milly Alcock) geboren, und sonst nur Fehlgeburten erlitten. Bei ihrem letzten (erfolgreichen) Versuch einen männlichen Erben zu gebären, sterben sie und das Baby. Nun würde an sich Viserys Bruder Daemon (Matt Smith) als Erbe gelten. Doch Daemon ist ein aufbrausender Wildfang, der auch schon mal vor Gewalt nicht zurückschreckt. Die Hand des Königs, Otto Hightower (Rhys Ifans), möchte das verhindern und schlägt Rhaenyra als Erbin vor. Viserys willigt ein, als er in seiner Trauer doch das Potenzial seiner Tochter zu erkennen beginnt.
Doch wie Rhaenys Rhaenyra erklärt, die Männer würden eher das ganze Reich niederfackeln, als eine Frau am Thron zu sehen. So scheint es unausweichlich, dass Viserys noch einmal heiratet und einen männlichen Erben produziert. Tatsächlich hat Otto begonnen, seine jugendliche Tochter und Rhaenyras Freundin Alicent (erst Emily Carey) zu instrurieren, dem König Gesellschaft zu leisten. Bald darauf kommt es zur Hochzeit. Das stößt nicht nur Rhaenyra vor den Kopf, sondern auch die engsten Verbündeten der Targaryens, Haus Velaryon, ebenfalls valyrischer Abstammung. Dessen Haupt ist Rhaenys Mann Corlys Velaryon (Steve Toussaint). Sie hätten ihre eigene Tochter im heiratsfähigen Alter gehabt gerne am Thron gesehen.
Daemon, der sich ebenfalls noch immer übergangen fühlt, verbündet sich daraufhin mit den Velaryons und möchte sein eigenes Reich aufbauen. Rhaenyra fürchtet um ihren Titel und muss sich als Erwachsene (nun Emma D’Arcy) dem Schicksal ihrer Mutter fügen, zu heiraten und Erben zu produzieren, um ihren Anspruch zu festigen. Und Alicent (nun Olivia Cooke) fürchtet, dass ihre Söhne, von denen sie sicher ist, dass Westeros sie auf den Thron sehen will, Rhaenyra zum Opfer fallen könnten. Und so steht Westeros abermals vor einem ausufernden Konflikt, wer denn nun den Eisernen Thron besteigen darf.
Alle, die schon mit Game of Thrones abgeschlossen hatten, können beruhigt sein. House of the Dragon hat bereits einen Vorteil gegenüber der alten Serie – es ist handlungstechnisch in sich abgeschlossen. Während dem Vorgänger irgendwann mal die Bücher ausgingen, und die Showrunner sich nur auf Notizen von Martin verlassen konnten, wenn sie das überhaupt wollten, weiß man bereits, wie der Tanz der Drachen enden wird. Gleichzeitig ist die Handlung nicht so ausufernd und aufgeblasen, wie die Bücher 4 und 5 von A Song of Ice and Fire bereits waren. So können die Showrunner Ryan J. Condal und Miquel Sapochnik die Geschichte ganz nach ihrem Bedürfnis weiter ausschmücken, ohne dass die Handlung zu sehr verändert wird.
Und was man zu sehen bekommt, macht auch Spaß. Es ist vielleicht noch nicht so episch im Umfang, aber das könnte es im Laufe der weiteren drei, vier Staffeln, die man noch drehen möchte, noch werden. Da sich die Targaryens hier am Höhepunkt ihrer Macht befinden, gibt es auch viel mehr Drachenaction, und auch wenn die Renderarbeiten an den Pixelmonstern in den vorab zur Verfügung gestellten Episoden noch nicht ganz fertig war, dürften das imposante Biester werden. Allein viele der Hintergründe sind diesmal zu künstlich. Man merkt, dass für Kings Landing diesmal keine Dreharbeiten in Dubrovnik stattgefunden haben.
Ebenso versiert ist der Cast, allen voran Matt Smith als durchtriebener Prinz Daemon, der aber ausgerechnet am besten versteht, wie die Bevölkerung von Westeros wirklich tickt. Olivia Cookes Alicent hingegen wird im Gegensatz zur Vorlage als weniger manipulativ und mehr als Opfer ihrer Umstände dargestellt. Auch wenn die Serie hier eine sehr feministische Linse anlegt und viele pointierte Beobachtungen über Standards gegenüber Frauen macht, so hätten sich die Showrunner ruhig trauen können, hier eine düstere Figur zu schaffen. So war Cersei beispielsweise korrupt und trotzdem eine liebende Mutter.
Was sich die Serie aber wirklich hätte sparen können, ist diese verklärte Game of Thrones Nostalgie, auf der sie ihre Existenzberechtigung aufbaut. Verweise auf den “Prinzen, der versprochen wurde” nerven, weil wir als Zuseher genau wissen, dass das Original diese Mysterien sehr unzufrieden bis gar nicht auflöst. Vielmehr war Jon Snows Geschichte, von dem die Prophezeiung sicher redet, einer der gegen Ende unterentwickelsten überhaupt. Genauso versucht die Serie auf einem Meta-Level zu oft augenzwinkernd alte Handlungsorte einzuführen, wo man sich genau erinnert, wer da nicht schon alles 200 Jahre später vorbei marschiert ist. Man würde sich durchaus mehr Mut zur eigenen Identität wünschen.
House of the Dragon ist ein mit Intrigen und Action gespickter Fantasy-Spaß, der sich durchaus trauen sollte, mehr auf eigenen Beinen zu stehen, anstatt sich über Game of Thrones zu definieren.
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Susanne Gottlieb schreibt als Filmjournalistin für die Helden der Freizeit, Kleine Zeitung, NZZ, Standard, TV Media, Filmbulletin, Cineuropa und viele mehr. Sie arbeitet im Filmarchiv Austria, berichtet von diversen Filmfestivals und hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert.