Woanders reden sie vom schönen Spiel oder ach so stimmungsvollen Ultras. Beim Wiener Sportklub ist der Fußball dagegen endlich wieder so, wie er vermutlich nie war.
von Markermit
Am Anfang war das Licht. Frisch aus Bayern, diesem Hybrid aus Piefkonien und Österreich, nach Wien gezogen, suchte ich mit meiner Ex-Freundin (und heutigen Frau) eine Wohnung. Nach gefühlten 1.883 Besichtigungen standen wir im Herbst 2002 im Wohnzimmer einer schönen Behausung am Fuße des Himmelmutterwegs.
Und plötzlich sah ich es: weiß, hell, gleißend, mit einer magischen Anziehungskraft. Ich wusste: Die Butze will ich! Eine Wohnung mit Blick auf einen Flutlichtmasten, der Traum eines jeden Fußball-Junkies. Was ich damals noch nicht wusste: zu wem das Lichtspiel, dessen Anzahl an funktionierenden Leuchten an eine Lotterie erinnerte, gehörte. Was ich wusste: Ich wollte es so schnell wie möglich herausfinden.
Vom Ruhrgebiet nach Dornbach
„Sportkluuuuub, Sportkluuuuub“, hörte ich am ersten Freitag nach unserem Einzug, als ich die Alszeile entlang Richtung Stadion schlenderte. Ich hatte mich natürlich informiert und glaubte zu wissen, was mich gegenüber vom Hernalser Friedhof erwartete. Aber: Emotionen kann man nicht googeln (Copyright: Gerald Enzinger). Verstohlen schlich ich mich auf die Friedhofstribüne und stellte mich ans äußerste rechte obere Eck. Aus Respekt vor den echten Fans, die direkt hinter dem Tor standen und zu denen ich mich nicht zu gesellen traute.
Das ist bis heute übrigens so, was an meiner (vermutlich verschrobenen) Sicht auf die Fußballdinge liegt. Denn Fan kann man nur von einem Klub sein, von dem, der einen ausgesucht und an den man sein Herz bedingungslos verloren hat. Das ist bei mir, im Ruhrgebiet der 70er und 80er Jahre sozialisiert und von Schalke- und Dortmund-Supportern fußballerisch versaut, Borussia Mönchengladbach. Was allerdings geht, ist eine aufrichtige Sympathie für einen anderen Klub, ein Schätzen, ein Anerkennen, ein Teilen von Werten. Und, wie im Falle des Sportklub, auch ein bisschen Neid auf die Kreativität, die Leitlinien, die Haltung, die das Universum Dornbach ausstrahlt.
Das Sounderlebnis Sportclub-Platz
Über den Kult zu schreiben, der von diesem Universum ausgeht, ist wie Veilchen nach Favoriten tragen. Die Anzeigetafel aus dem Jahre Schnee. Der Toilettenmann, der immer da ist, aber nie ein Tor sieht (dafür hört). Udo Huber, dessen anscheinend legendäre Hitparaden-Moderationen vor meiner Zeit waren und den ich ausschließlich als Sportklub-Macher schätzen gelernt habe. Das abgewohnte Stadion, das sich nach englischen Vorbild in einer Wohngegend perfekt eingeparkt hat und weit von einer Arena entfernt ist. Und, und, und…
„Danke, für diesen schönen Spieltag. Danke, für diesen Sportklub-Sieg. Danke, dass wir zum Fußball gehen und nicht zu Rapid!“ Aus dem Fußball-Deutschland der Jahrtausendwende war ich eher eintönige, Jahrhunderte alte Gesänge gewohnt. Dort wird in manchen Stadien noch heute „von der Elbe, bis zur Isar, immer wieder Bla Bla Bla“ gesungen. Am Sportclub-Platz haben mich sofort die Eigenkreationen begeistert, die ich an diesem Abend (und vielen folgenden) zum ersten Mal gehört habe.
Von Tequilla bis Metaxa – immer wieder Sportklub AXA
Mein diesbezügliches Highlight und bis heute All-Time-Favorit: „Von Tequilla bis Metaxa – immer wieder Sportklub AXA!“ Schöner kann man sich nicht selbst auf den Arm nehmen und trotzdem Haltung zeigen. Wer hier einen Gegner auspfeift, erntet böse Blicke, Schmähungen der Gäste gehen nur, wenn sie selbstironisch gemeint sind. Mainstream ist woanders, hier regiert der WSC. Oder K, aber das ist eine eigene, durchaus manchmal nervige Geschichte.
Mein Sportklub-Moment
Nun hat ja jede Beziehung ihre Schlüsselmomente (kein Wortspiel!). Bei mir und den Schwarz-Weißen war das ein Spiel gegen den ruhmreichen Kremser SC, es muss im Spätsommer 2005 gewesen sein. Ein entfesselt schlechter Sportklub ging mit 1:5 unter, das Dargebotene hatte mit Fußball nur peripher zu tun – und trotzdem wurden beide Mannschaften mit kräftigem Applaus zur finalen Dusche verabschiedet. Ich habe die Eintrittskarte genommen, auf die Rückseite „Demut und Fairplay“ geschrieben und trage sie heute noch in meinem Geldbörsel mit mir herum. Wann immer die Gefahr besteht, dass mir fußballerisch die Gäule durchgehen, werfe ich ein Blick auf das Billet – und die Relationen stimmen wieder.
Petar Segrt, Segrtvara, der D’Artagnan vom Sportclub-Platz
Der damalige Trainer, die Älteren werden sich erinnern: Petar Segrt, Segrtvara, der D’Artagnan vom Sportclub-Platz. Für mich der Typ, der seit meiner Anfixung bis heute am besten zu diesem Kult- und Chaos-Klub passte. Aber gut, ich bin da nicht objektiv. Seit damals verbindet mich eine Freundschaft mit dem kroatischen Deutschen oder deutschen Kroaten, der heute übrigens Teamchef von Afghanistan ist. Böse Zungen könnten sagen: Zwei Missionen, die sich in ihrer apokalyptischen Anziehungskraft kaum voneinander unterscheiden.
In der Ära Segrt unternahm ich übrigens den ersten und definitiv einzigen Versuch, meine Ex-Verlobte (und heutige Frau) für den Sportklub zu begeistern. Derby gegen die Austria Amateure, der Sportklub zur Pause 0:2 hinten, Endstand 2:2, und wäre noch ein bisschen mehr Halligalli gewesen, wäre der nur ein paar Dutzend Meter entfernt begrabene Ernst Happel wohl aus seinem Grab gestiegen. „Und, wie hats dir gefallen“, fragte ich in enthusiastischer Erwartungshaltung. „Eh ganz nett.“ Ich habe Judith nie wieder gefragt, ob sie mich nochmal begleiten möchte.
Dafür gehe ich heute gern mit meinen Kindern zum Sportklub, denen ich dort, im Gegensatz zu anderen Stadien, noch nie erklären musste, warum einer der Spieler der Filius einer Animierdame sein soll. Sie essen dann eine Stadionwurst, schwenken bei Standards begeistert meinen Schlüsselbund und freuen sich, wenn alle zusammen „Udo, ein Leben lang mit dir“ schmettern. Oft gehe ich auch mit meinem Kumpel Philipp hin, der sich dort wiederum mit ein paar Kumpels trifft, und dann wird philosophiert, geraucht, ein bis fünf Bier getrunken, und am Ende wundern wir uns, warum der Sportklub schon wieder verloren hat. Was uns im nächsten Moment auch schon wieder wurscht ist.
Und dann geht das Licht aus.
Nähere Information zum Wiener Sportklub findet Ihr unter www.wienersportklub.at.
Sitzplatz: 11 Euro
Stehplatz: 10 Euro
VIP Karte: 50 Euro
Kinder frei (bis 14)
Jugendkarten: 4 Euro (bis 18)
Ermäßigt: 8 Euro (Studenten, Senioren, Präsenz- und Zivildiener, Menschen mit Behinderung)
Mit Vorortelinie bis Hernals oder der Linie 43 bis S-Bahn Hernals
Adresse: Alszeile 19, 1170 Wien
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Sportlich spielt der Sportklub nur in der dritten Liga. Was den Support betrifft, können die Fans aber mit den großen Vereinen mithalten. Wer es nicht glaubt, kommt vorbei und macht sich selbst ein Bild.
Fotos: Arthur Wackenreuther
Der Chefredakteur der Wiener Alszeilen verfasst für heldenderfreizeit.com Buch-, Musik- und Spiel-Rezensionen, ist Video-Redakteur von CU TV und schreibt für das Musikmagazin Stark!Strom. Dazu berichtet er von Konzerten, Sport- und anderen Kulturevents und führt Interviews mit Stars und spannenden Persönlichkeiten.