Sony bastelt weiter an seinem Sinister Six Universum. Nach zwei Venom Filmen mit Tom Hardy folgt nun Jared Leto als der Vampir Morbius. Das Verlangen nach Blut und die Konfrontation mit einem alten Freund ziehen (wie gewohnt bei Comicverfilmungen) ein chaotisches Blutbad quer durch New York.
von Susanne Gottlieb
31. März 2022: Es geht auch ohne Spider-Man – bisher. Nachdem es Sony zweimal nicht geschafft hatte, mit der Tobey Maguire und der Andrew Garfield Inkarnation ein Universum der Sinister Six aufzubauen – Spider-Man Bösewichte, die sich zusammentun, um gegen diesen zu kämpfen – versucht es das Studio diesmal komplett in Abwesenheit der Titelfigur. Was bleibt ist ein etwas altmodischer aber doch unterhaltsamer Auflauf an Anti-Helden.
Auch Morbius ist kurzweilige Unterhaltung für jene, denen die allzu protzige, umfangreiche Superhelden-Saga des MCU und auch DC vielleicht schon zu anstrengend wird. Warum das so ist, und worum es geht, erfährt ihr hier. Und was erscheint noch neues im Kino? Hier alle Kinostarts im April mit Vorstellung der Highlights. Und hier unsere Kritik zu Phantastische Tierwesen 3, der ebenfalls bereits gestartet ist.
Der junge Michael Morbius (Jared Leto) leidet an einer seltenen Blutkrankheit. Im Krankenhaus unter der Aufsicht von Nicholas Morbius (Jared Harris) lernt er den jungen Lucien (Matt Smith) kennen, den er fortan Milo nennt. Auch er hat die seltene Krankheit. Als er Milo nach Ausfall der technischen Geräte mit seinem technischen Verständnis vor dem Tod rettet, schickt ihn Nicholas nach Amerika, umeine richtige Ausbildung zu erhalten. Michael wird dort hochangesehener Arzt, der es sich zur Lebensaufgabe gemacht hat, eine Heilung für seine und Milos Krankheit zu finden.
Diesen Durchbruch glaubt er mit einer gefährlichen Kolonie an Fledermäusen aus Costa Rica zu erreichen, die sich rein von Blut ernähren, aber dabei ein gewisses Enzym herstellen, dass seine Krankheit bekämpfen könnte. Gemeinsam mit seiner Partnerin Martine Bancroft (Adria Arjona) entwickelt er ein Serum, dass er sich, aufgrund der illegalen, hochexperimentellen Natur des Mittels, heimlich auf einem Schiff in internationalen Gewässern spritzt. Doch Heilung – weit gefehlt. Michael verwandelt sich stattdessen in eine vampirähnliche Kreatur, die alle außer Martine an Board leersaugt und auch das FBI (Tyrese Gibson, Al Madrigal) auf den Plan ruft.
Zurück in New York muss Morbius erkennen, dass er zwar von seiner Krankheit geheilt ist, sich dafür alle 4-6 Stunden in ein Monster verwandelt, wenn er nicht Blut trinkt. Zunächst versucht er es noch mit künstlichem Blut, da ihn das Original in eine ungehemmte Rage schickt. Doch mit jeder Dosis wird die Wirkung schwächer. Außerdem muss er sich auch mit Milo herumschlagen, der als Finanzier der Untersuchungen nun auch seine Dosis will. Koste es was es wolle. Und Milo ist bei weitem kein so reflektiertes Wesen wie Michael, der sehr wohl diese Monster in sich sieht.
Mit Morbius, könnte man meinen, dass Jared Leto beweisen will, dass er doch irgendwie einen Platz in dem ganzen Superhelden-Geschehen hat. Nachdem sein Joker in Suicide Squad eher mäßig bei den Massen ankam, jetzt also als Vampir im Marvel Lore? Funktioniert es? Nach seinem “damaged” Joker und den kritisch verpönten Gucci Clan Mitglied in House of Gucci versucht es Leto zumindest diesmal nicht mit übertriebenen Gebärden. Sein Michael ist im menschlichen Zustand durchaus normal – fast ein wenig langweilig.
Und so funktioniert der Film auch am Besten, wenn sich Leto in sein Alter Ego, den Vampir Morbius verwandelt. Regisseur Daniel Espinosa versteht es, sich hier weniger an jüngernen Vampirromanzen oder allzu düsteren Horrorschockern zu orientieren, sondern den campy Vampir der 80er und 90er gelungen wiederzubeleben. Michaels und Milos verzerrte Visage als Vampire erinnert mehr an Klassiker wie The Lost Boys, Buffy, Die rabenschwarze Nacht oder From Dusk Till Dawn. Überzogener Splatter, knautschige Gesichtsformen (leider kein Silikon, sondern alles CGI) und viel schwarzer Humor. Das beginnt schon mit einem Kiefer Sutherland/Jason Patrick Callback zu The Lost Boys, wenn Matt Smith ebenfalls fast zärtlich sein “Michael, Miiiichaeeeel” durch den Raum haucht. Fulminant auch Smith selber, der sehr viel Spaß mit der Rolle hat und schon mal eine richtig überdrehte Tanznummer vor dem Spiegel aufs Parkett legt
In unserer von epischen Storytelling geplagten Zeit, in der zweieinhalb bis drei Stunden Laufzeit nicht mehr für einen schlechten Schnitt stehen, sondern als die Norm gelten, mag der Film wegenadaptierter Sehgewohnheiten schon fast etwas kurz und gehetzt wirken. Aber letztendlich ist hier alles drinnen verpackt, was man sich von einer Story erwarten sollte. Der Anfang mag vieles etwas zu schnell abhandeln, die Kampfszenen auch nur aus Super-Speed artigen Fetzen von CGI Pixeln bestehen, aber die Konfrontation der Kontrahenten macht Spaß. Smith kann hier eine düstere Version seiner bisher eher positiven Überdrehtheit als Doctor Who spinnen. Leto kann wie gewohnt seine eigene bizarre Marke sein. Und Jared Harris ist seine gewohnte stoische Ruhe – wenn auch mit viel zu wenig Screentime.
Morbius ist kurzweilige Unterhaltung, die hier ebenfalls eindeutig auf ein gemeinsames Bösewicht Universum hinbaut. Ein überdrehter Vampirspaß mit Rückgriffen auf alte Kultfilme.
In unserem Seher-Bereich findest du noch mehr Reviews zu aktuellen Filmen und Serien – im Kino oder Stream. Aber auch die besten Empfehllisten und Monatsvorschauen für Netflix, Kino und Co.:
Kinostarts im April: Tierwesen, Tove, Northman und Co.
Netflix im April – diese Topserien starten ins Finale
Die 10 besten Marvel-Filme im Ranking
The Batman – Filmkritik
Fotos: (c) Sony Pictures
Susanne Gottlieb schreibt als Filmjournalistin für die Helden der Freizeit, Kleine Zeitung, NZZ, Standard, TV Media, Filmbulletin, Cineuropa und viele mehr. Sie arbeitet im Filmarchiv Austria, berichtet von diversen Filmfestivals und hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert.