Das Ende naht. Und diesmal ist kein Morgan Freeman, kein Bill Pullman, kein Bruce Willis da, um den Weltuntergang zu stoppen. Die Hoffnung der Welt in Don’t Look Up liegt auf – Meryl Streep als trumpistische Präsidentin der USA. Wenn das mal kein schlechtes Zeichen ist.
von Susanne Gottlieb
24. Dezember 2021: Das Jahr geht zu Ende und die Welt auch. Zumindest in der Endzeit-Satire von Adam McKay, der schon mit Filmen wie The Big Short über den Finanzcrash 2008, und Vice über Ex-Vizepräsident Dick Cheney und den Irakkrieg gerne im gesellschaftlichen Morast gezündelt hat. Wie kaum anders zu erwarten, ist sein “Asteroid trifft Erde”-Film auch nicht mit jener 90er Jahre Euphorie und so viel Pathos versehen wie Deep Impact (1998) und Armageddon (1998), oder all den anderen Katastrophenfilmen, die davor oder danach kamen.
Lohnt sich dieses Retelling der alten Leier also? Absolut. Aber dennoch, der Film hätte durchaus mehr werden können. Details zur Handlung und wie unser Urteil aussieht, lest ihr hier. Falls ihr wissen wollt, was der Jänner so an Highlights bringt – hier unsere ultimative Monatsübersicht. Und hier gibt es weitere Highlights von anderen Streamingdiensten und die besten neuen Kinofilme.
Wie gehabt entdeckt auch hier nicht die NASA den Kometen, sondern ein Zivilist/Hobbyastronom:in/Student:in. In diesem Fall ist es zumindest PhD Kandidatin Kate Dibiasky (Jennifer Lawrence), die nachts beim Starren durch das Teleskop den Weltenzerstörer entdeckt. Zuerst wird mit den Kommilitonen und Professor Dr. Randall Mindy (Leonardo DiCaprio) noch groß gefeiert. Dann folgt beim Berechnen des Kurses aber die Ernüchterung. Das Ding rast direkt auf die Erde zu. Überlebenschance null.
Wie jede:r gute Wissenschaftler:in geht es mit NASA-Kontakt Dr. Teddy Oglethorpe (Rob Morgan) sofort nach Washington DC, um Präsidentin Janie Orlean (Meryl Streep) von der Entdeckung zu erzählen. Doch die hat Wichtigeres zu tun und lässt die drei erstmal warten. Als sie dann doch vorsprechen können, scheint wenig Interesse für die Thematik zu bestehen. Erst zweifelt Orelans Sohn Jason (Jonah Hill), dass der Komet hundert prozentig einschlagen wird, dann an Kates Kompetenzen. Schlussendlich steht die Befürchtung im Raum, diese Negativ-Schlagzeilen könnten Orlean die Midterm Elections kosten. Die Regierung will erst mal nichts tun und warten – obwohl nur mehr sechs Monate bleiben.
Als seriöse Wissenschaftler wollen sich Randall und Kate damit nicht zufrieden geben. Ein Ansuchen bei einer Tageszeitung und bei der Talkshow von Brie Evantee (Cate Blanchett) und Jack Bremmer (Tyler Perry) zeigt aber, dass die Leute lieber positive Nachrichten wollen. Seichte Unterhaltung. Eine Endzeitstimmung passt da einfach nicht rein. Die Tatsache, dass sich die Popstars Riley Bina (Ariana Grande) und DJ Chello (Kid Cudi) verlobt haben, bekommt da schon viel mehr Online-Traffic. Kates Wutausbruch wird gerade einmal zum schrägen Meme. Doch wie soll man nun die Seriösität der Situation erklären? Vor allem, wenn manche die Existenz des Kometen bereits anzweifeln und selbst Leute wie Bash Multimilliarden-Konzern CEO Peter Isherwell (Mark Rylance) einen besseren Draht zur Regierung haben?
Man muss sich hier keinen Illusionen hingeben. Im Endeffekt geht es Adam McKay weniger um die Wahrscheinlichkeit eines Asteroideneinschlags, sondern um eine Parabel, wie wir mit unserem Planeten umgehen. Dessen kapitalistische Ressourcenerschöpfung und den offensichtlichen Klimawandel, der von vielen Schlüsselfiguren wie reichen Wirtschaftsbossen noch immer als Hoax abgetan wird. Und wie im realen Leben (muss man hier unangenehm feststellen) beginnen die Menschen auch in Don’t Look Up die Gefahr der Situation erst zu erkennen, als es eigentlich schon zu spät ist.
Wenn uns das 21. Jahrhundert etwas gebracht hat, mit seiner Post-9/11 und Irakkrieg-Welt, sowie der Post-Trump politischen Landschaft, dann einen gewissen Zynismus dafür, wie die Dinge in der Welt laufen. Eine heldenhafte Regierung, eine wissenschaftshörige Weltgemeinschaft, das ist auch spätestens seit Corona eher Wunschmusik. Der Optimismus ist raus, ein destruktiver Realismus hat in der Filmlandschaft Einzug gehalten. Bisher war Adam McKay diesem Gefühl der Hilflosigkeit stets mit beißendem Humor begegnet. Sein The Big Short und Vice zeigen mit hoch erhobenen Händen, wie korrupt unsere Gesellschaft funktioniert. Aber nicht, ohne zumindest die eine oder andere wütende Pointe zu landen.
Mit Don’t Look Up orientiert sich Adam McKay erstmals nicht an historischen Tatsachen. Sondern er schafft ein fiktives Sinnbild der Gesellschaft, in der wir leben. Eine Generation, die mehr auf Sensationalismus und seichte Unterhaltung aus ist. Die Top 1 Prozent, die sich weiter bereichern können. Und Wissenschaftler, die die Buhmänner sind, weil sowieso jeder es besser weiß. Zugleich fordert McKay auch die konservativen Agenden der vorangegangenen Filme heraus. Dort waren es stets die Administration, die Behörden, das Militär und die Sondereinheiten, die die großen Helden waren und die Menschheit retten durften. Institutionen, die im realen Leben mit ihren Taktiken eher umstritten sind. Hier sind sie eindeutig die Deppen und jene Spieler, die die Weltenrettung eher behindern als vorantreiben. Des weiteren offenbart er auch schonungslos den Sexismus, den Frauen in der Öffentlichkeit erleben. Randall wird zum “sexy Hunk” und Frauenschwarm. Kate ist nur die hysterische Frau, über die alle lachen.
Doch gerade diese Fokussierung auf die oberen 100.000, sowie das absolute Versinken des Mittelteils in einer stakkato-artigen Abfolge von Social Media Triggern lässt den Film weniger kompakt werden. Zwar hat McKay durchaus recht, wenn er meint, vieles in der Debatte um einen Kometen (oder, seien wir ehrlich, es geht ums Klima) würde nur über Social Media Wars ausgetragen werden. Doch was er diesmal in seiner wie gewohnt süffisanten Abfolge and kleinen Hieben vergisst, ist die Vermenschlichung des Ganzen. Selbst sein Fokus auf die verzweifelten Wissenschaftler macht das nur ansatzweise wett, da sie sich selbst ebenfalls in höheren Kreisen bewegen. Das Drama, die Verzweiflung und die Zivilisten kommen kaum vor.
So wirkt es letztlich auch etwas unverdient, wenn der Film in der letzten halben Stunde, wenn der Komet immer näher rückt, auf einmal leisere, ernsthafte Töne anschlagen will. Selbst die immer wieder eingeblendeten Tier- und Naturaufnahmen, ein Plädoyer für den Erhalt unseres Planeten, wirken in diesen Momenten etwas zwanghaft hinein geschnitten. Im Endeffekt ist Don’t Look Up zu fluffig, um wirklich ernst sein zu können, und zu dramatisch, um absurde Satire wie etwa Idiocracy (2006) sein zu können.
Don’t Look Up dreht das ganze Katastrophendrama einmal um und erzählt, wie wir vermutlich reagieren würden, wenn ein Asteroid auf die Erde einzuschlagen droht. Die Parabel auf den Umgang mit dem menschgemachten Klimwandel ist beißend, pointiert, aber leider auch zu überdreht, um die ernsten Momente wirklich umsetzen zu können.
In unserem Seher-Bereich findest du noch mehr Reviews zu aktuellen Filmen und Serien:
Matrix Resurrections Review – Zurück in die Simulation
Spider-Man: No Way Home – Amüsanter Spidey-Nostalgie-Trip
Bruised – Kritik: Gut gemachtes Regiedebüt von Halle Berry
The Power of the Dog – Psychodrama im Wilden Westen
Fotos: (c) Netflix
Susanne Gottlieb schreibt als Filmjournalistin für die Helden der Freizeit, Kleine Zeitung, NZZ, Standard, TV Media, Filmbulletin, Cineuropa und viele mehr. Sie arbeitet im Filmarchiv Austria, berichtet von diversen Filmfestivals und hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert.