Wiedersehen mit alten Bekannten. Im neuesten Spider-Man Film bekommt es Peter Parker gleich mit einer ganzen Armada an Bösewichten zu tun, die man eigentlich schon aus anderen Filmen kennt. Und auch sonst macht Spider-Man: No Way Home mächtig viel Spaß.
von Susanne Gottlieb
16. Dezember 2021: Dass Spider-Man bereits dreimal adaptiert wurde, hat man dem Franchise oft vorgehalten. Immer wieder der Spinnenbiss, immer wieder Onkel Ben, immer wieder die gleichen Konflikte. Doch mit dem MCU-Spider-Man fiel diese Origin Story nicht nur weg. Vielmehr profitiert die Reihe im jüngsten Film davon, dass man hier mit so viel Vorgeschichte herumspielen kann. Denn Spider-Man: No Way Home ist nicht nur das endlich einmal geglückte Finale einer Spider-Man Filmreihe. Es ist auch eine Zelebrierung von rund 20 Jahren Spider-Man im Kino. Wir verraten euch, warum sich der Film lohnt.
Nachdem Mysterio (Jake Gyllenhaal) und J. Jonah Jameson (J.K. Simmons) im letzten Film Spider-Mans ziviles Alter Ego öffentlich bekannt gegeben haben, ist es mit dem Frieden für Peter Parker (Tom Holland) vorbei. Statt sich in Ruhe mit seiner Freundin MJ (Zendaya) und seinem besten Freund Ned (Jacob Balaton) auf das Studium am MIT vorbereiten zu können, wird er nicht nur von der Uni abgelehnt, sondern in einer Tour von der Presse gejagt. Selbstlos wie Peter ist, geht es ihm dabei aber weniger um ihn selbst, sondern um das Leben seiner Freunde und Familie, das er meint ruiniert zu haben.
Um Schadensbegrenzung zu betreiben, taucht er vor der Tür von Doctor Strange (Benedict Cumberbatch) auf und bittet ihn, ihm zu helfen. Strange schlägt einen Vergessenszauber vor, vergisst Peter aber darauf hinzuweisen, dass absolut jeder Mensch ihn vergessen würde. Peter versucht in letzter Minute noch Ausnahmeklauseln in den Zauberspruch einzufügen, doch seine Spezialwünsche lassen die Magie unstabil werden. Es kommt zur Katastrophe und das “Multiverse” reißt auf. Anstatt dass die Menschen ihn vergessen, kommen nun all jene Figuren in diese Welt, die wissen, wer Spider-Man wirklich ist. Darunter einige alte Spider-Man Bösewichte wie Green Goblin (Willem Dafoe), Doctor Octopus (Alfred Molina), Sandman (Thomas Haden Church), Lizard (Rhys Ifans) und Electro (Jamie Foxx).
Um das Chaos rückgängig zu machen, beauftragt Strange Peter und seine Freunde, all die Parallelwelten-Figuren einzufangen, damit sie wieder zurückgeschickt werden können. Doch als Peter herausfindet, welches Schicksal sie in ihrer eigenen Welt erwartet, möchte er ihnen eine zweite Chance geben.
Zweite Chancen ist ein Stichwort, das sich durch den ganzen Film zieht. Nachdem Verleiher Sony es in der Vergangenheit eher verbockt hatte, seine Spider-Man-Filmreihen zufriedenstellend ausklingen zu lassen, bittet er hier zwischen den Zeilen quasi um eine zweite (beziehungsweise dritte) Chance. Selten ist ein Film so vollgestopft mit selbstreferentiellen Insider-Gags, Easter Eggs und auch sonstigen nostalgisch-wonnigen Flashback-Elementen. Man habe aus seinen Fehlern gelernt, will der Film offensichtlich sagen. Gleichzeitig ist er aber auch eine Zelebrierung all jener Spider-Man Vorgeschichte, die man seit Tobey Maguieres erstem Auftritt 2002 mitgetragen hat.
Auch wenn der Film sich sehr stark wieder in Richtung der von Sony präferierten etablierten Spider-Man-Comic-Mythologie bewegt, so ist er doch im Kern ein klassischer MCU-Film. Viel Action, die klassischen Cameos von anderen Avengers, massenhaft Klamauk. Die Formel muss man natürlich mögen, um an einem MCU-Film Gefallen zu finden. Mit der inhaltlichen Verknüpfung an ältere Filme ist Spider-Man: No Way Home aber ein spannendes Unterfangen für Fans der Tobey Maguire und Andrew Garfield Ära.
Was Sony aber besonders freuen dürfte ist, dass das Konzept “viele Bösewichte im letzten Teil” endlich einmal funktioniert. Hatte das Studio Spider-Man 3 (2007) und The Amazing Spider-Man 2 (2014) noch mit jeweils drei schlecht entwickelten Gegenspielern übersättigt, darf Hollands Spinnenmann gleich gegen fünf Bösewichte kämpfen. Aber dank dem Multiverse kann sich der Film hier dem brillanten Schachzug bedienen, bereits etablierte Charaktere aus der Vergangenheit zu verwenden. Diese müssen nun nicht mehr umständlich eingeführt werden. Der Zuschauer kennt sie und ihren Konflikt. Und der Film kann sich vielmehr darauf konzentrieren, Peters Konflikte und Entwicklung in den Vordergrund zu stellen.
Denn auch wenn dieser sich bereits mit dem Trauma herumschlagen musste, für fünf Jahre weggeblipt worden zu sein, etwas fehlte bisher in der MCU-Version. Etwas, dass Spider-Man wirklich zu Spider-Man machte. Diese Charakterentwicklung nimmt sich dieser Film nun vor. Peter kennt vielleicht den Größenwahnsinn, der mit all diesen übernatürlichen und teils außerirdischen Bösewichten einhergeht. Doch Spider-Man: No Way Home lehrt ihn auch erstmals die persönlichen Opfer, die er bringen muss, um seiner großen Macht große Verantwortung folgen zu lassen. In den folgenden MCU-Abenteuern, je nachdem für wie viele Tom Holland noch zur Verfügung steht, dürfte dem Zuschauer somit ein ganz anderer Spider-Man als bisher gegenüber treten.
Spider-Man: No Way Home ist nicht nur ein gelungenes Finale der bisherigen Trilogie, eventuelle weitere Filme außen vor gelassen. Es ist auch eine nette Reise in die Vergangenheit. Ein spaßiges Abenteuer, vollgepackt mit Selbstironie und viel Nostalgie, dass mehr als nur die MCU-Fans begeistern könnte.
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Fotos: (c) Sony Pictures
Susanne Gottlieb schreibt als Filmjournalistin für die Helden der Freizeit, Kleine Zeitung, NZZ, Standard, TV Media, Filmbulletin, Cineuropa und viele mehr. Sie arbeitet im Filmarchiv Austria, berichtet von diversen Filmfestivals und hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert.