Zurück im Lockdown. Aber langweilig wird uns deswegen nicht. Sollten die Kinos wirklich wieder am 13. Dezember aufmachen, gibt es einiges auf das wir uns freuen können. Ansonsten sind Netflix, Prime, Disney+ und Sky unsere guten alten Vertrauten im Unterhaltungs-Dschungel.
Filmexpertin Susanne Gottlieb scannt für euch jeden Monat das Kino- und Streaming-Programm nach Highlights – inklusive einer persönlichen Empfehlung.
1. Dezember 2021: Lange hat die Kino-Party nicht gehalten. Pünktlich zum Spätherbst befinden wir uns in Österreich also wieder im Lockdown. Was bedeutet, dass nicht nur ihr, sondern auch unsere Tipps wieder auf die altbekannten Streaming-Plattformen ausweichen müssen. Da wir aber Optimisten sind, haben wir noch ein paar Kino-Tipps für die zweite Dezemberhälfte beigefügt. Vielleicht wird das ja heuer noch einmal was mit Riesenleinwand und Popcorn.
Wer die spitzzüngigen Dialoge in Yorgos Lathimos The Favourite (hier unser Review) mochte, der wird auch an der ersten Staffel von The Great Gefallen gefunden haben. Denn das Skript stammt ebenfalls aus der Feder von Tony McNamara, lebt von seiner spritzigen Dynamik und dem lustvoll aufgeladenen Spiel seiner Hauptdarsteller Elle Fanning und Nicholas Hoult. Diese “anti-historische” Serie, wie der Originalstreamer Hulu sie bezeichnet, basiert auf dem Leben der russischen Kaiserin Katharina die Große, die an die Macht kam, nachdem der Adel ihrem Ehemann, Kaiser Peter III., die Gefolgschaft verweigert hatte. In Staffel 2 ist die einst naive Katharina bereits zur abgebrühten Herrscherin aufgestiegen und liefert sich alltägliche Machtspielchen mit ihrem Mann. Die gegenseitige Apathie der beiden ist kein Geheimnis. “Ich schaue dich an und werde trocken, wie Sand”, wird da schon mal mit verbalen Geschützen geworfen. Wer Starzplay auf Prime abonniert hat, sollte die Serie daher nicht verpassen.
Adam McKay, Schaffer von den gesellschaftskritischen schwarzen Komödien The Big Short und Vice, kehrt mit seinem neuesten Film zurück. Und wie immer hat er einen beeindruckenden Cast um sich versammelt. Die gerade aus ihrer vierjährigen Auszeit zurückgekehrte Jennifer Lawrence, der stets triumphale Leonardo DiCaprio, Schauspielikone Meryl Streep, Franchise- und Indiestar Timothée Chalamet, den wandelbaren Jonah Hill, die ebenfalls mehrfach ausgezeichnete Cate Blanchett und auch sonst so bekannte Namen wie Ariana Grande, Matthew Perry, Himesh Patel, Ron Perlman, Tyler Perry, Melanie Lynksey, Chris Evans, Mark Rylance, Michael Chiklis oder den Sänger Kid Cudi.
Die Handlung selber schien pre-Corona vielleicht noch etwas absurd, hat aber mit den wissenschaftsfeindlichen Entwicklungen und dem politischen Kalkül doch einen Funken Realismus gewonnen. Statt Armageddon oder Deep Impact, in denen die Welt zusammenkommen muss, um einen Kometeneinschlag zu überleben, interessiert sich hier niemand für das drohende Ende der Welt. Daher müssen zwei mittelmäßig gute Astronomen auch selber auf Tour gehen, um die Menschen darauf hinzuweisen, dass das in sechs Monaten ein großes Problem ergeben könnte. Wenn die Leute mal Zeit haben, sich nicht in der parteiischen und polarisierenden politischen und medialen Landschaft gegenseitig zu zerfleischen. Wie gut wir ihn finden, kannst du hier in unserem Review nachlesen.
18 Jahre, nachdem er Vater Jango Fett in Star Wars Episode II – Angriff der Klonkrieger gespielt hatte, kehrte Temuera Morrison nicht nur als Voice Actor, sondern auch schauspielerisch in das Star Wars Universum zurück. Diesmal durfte er den beliebten Bounty Hunter Boba Fett selbst spielen, der in der zweiten Staffel von The Mandalorian eine größere Rolle hatte. Gemeinsam mit Mando befreite er den kleinen Grogu aus den Händen der Überbleibsel des Imperiums. In einer Post-Credit Szene konnte man sehen, wie er mit seiner Verbündeten Fennec Shand (Ming-Na Wen) das Unterwelt-Imperium von Jabba the Hutt auf Tatooine an sich reißt. Das wurmartige Alien ist natürlich nicht mehr auf dem Thron, vielmehr mussten Boba und Fennec seinen Nachfolger, Bib Fortuna, beiseite räumen. Dass nicht alle Unterwelt Bosse mit dieser Entwicklung zufrieden sein werden, ist zu erwarten. In unserer Review zu Folge 1 kannst du mehr Details nachlesen.
Man muss kein Fan von Sex and the City, seiner Konsumpropaganda, Stereotypen oder sonstigen überholten Konzepten sein. Oder man nimmt die Serie als den Kult hin, der sie ist. Unabhängig davon, ist die Fortsetzung And Just Like That die Zeit wert, weil wie oft sieht man Frauen in ihren Mitt-50igern als Hauptdarstellerinnen, die nicht auf die Rolle der Mutter oder Großmutter (!) reduziert sind. Die sich anziehen können, wie sie wollen, Sex haben können, wie sie wollen und keinem klassisch-konservativen Wertebild unterworfen werden. Die nicht der Ansicht unterworfen werden, dass jenseits der 40-50 das Leben für Frauen vorbei ist. Die, mit Ausnahme von Kristin Davis wie es scheint, stolz ihre Falten oder ihre grauen Haare tragen und einfach das tun können, was man ihnen in den Medien oft verbietet – kompromisslos ihr Leben leben.
Diesmal leider ohne Samantha, deren Darstellerin Kim Catrall nicht zurückkehren wollte, müssen Carrie (Sarah Jessica Parker), Miranda (Cynthia Nixon) und Charlotte (Kristin Davis) sich mit der komplizierteren Realität des Lebens und der Freundschaft in ihren 50ern auseinandersetzen. Mit dabei sind auch wieder alte und neue Bekannte, unter anderem Sara Ramírez, Sarita Choudhury, Nicole Ari Parker, Karen Pittman, Chris Noth, Mario Cantone, David Eigenberg, Willie Garson und Evan Handler.
Das Multiverse ist eröffnet und Marvel und Sony nutzen die Gunst der Stunde, so ziemlich jeden Spider-Man Schauspieler der letzten 20 Jahre aus drei verschiedenen Franchises zurück zu bringen. Auch wenn die Fans sich am meisten damit auseinander setzen, ob Andrew Garfield und Tobey Maguire nun wirklich keinen Auftritt in dem Film haben oder doch, die Castliste kann sich sehen lassen. Neben MCU Regulars Tom Holland als Spider-Man, Zendaya als MJ, Jacob Batalon als Ned, Jon Favreau als Happy Hogan, Tony Revolori als Flash und Marisa Tomei als Tante May geben sich auch die MCU Helden Doctor Strange (Benedict Cumberbatch) und Wong (Benedict Wong) ein Stelldichein. Dazu Charaktere aus den alten Filmen: Alfred Molina als Dr. Octopus, Jamie Foxx als Electro, Willem Dafoe Green Goblin, Thomas Haden Church als Sandman, Rhys Ifans als Lizard und natürlich, unauswechselbar und schon im letzten Film angeteasert: J.K. Simmons as J. Jonah Jameson.
Der Plot? Peter Parker will seine geheime Identität zurück, nachdem Jameson ihn medienwirksam geoutet und ihn als den Mörder von Mysterio (Jake Gyllenhaal) angeführt hatte. Also sucht er Doctor Strange auf, um ihn zu bitten, dass alle vergessen, dass er Spider-Man ist. Doch wie erwartet, funktioniert das nicht ganz so wie erhofft. Warum der Film ein krönender Abschluss der neuesten Trilogie ist, liest du hier in unserer Filmkritik.
Wenn Paul Verhoeven etwas kann, dann ist es die Gemüter zu erregen. Im Vorfeld war sein neuer Film als “Nonnen-Lesbenporno” verschrien worden. Doch wie immer wird hier heißer gegessen als gekocht. Der Film basiert auf der 1986 erschienenen Biographie Schändliche Leidenschaften: das Leben einer lesbischen Nonne in Italien zur Zeit der Renaissance von Judith Cora Brown. Dabei geht es um die mit fiktionalen Elementen angereicherte Lebensgeschichte der italienischen Nonne Benedetta Carlini (Virginie Efira). Diese tritt im 17. Jahrhundert in ein Kloster in der toskanischen Stadt Pescia ein. Sie fängt eine Liebesbeziehung mit der Novizin Bartolomea (Daphné Patakia) an.
Doch Verhoeven geht es, wie bei seinen alten Smashern Robocop oder Starship Troopers, um mehr. Seine feine, perfide Gesellschaftskritik, die manchmal kitschig amüsant, manchmal brutal ehrlich ist, schielt diesmal auf die Institution Kirche, institutionalisierte Herrschaft und sexuelle Freiheit. Denn Benedetta hat Visionen von Jesus, die langsam auch ihre Umwelt zu beeinflussen beginnen. Die Bevölkerung freut’s. Sie kann sie vor der Pest retten. Die Äbtissin (Charlotte Rampling) und den Bischof aber dafür weniger …
Das Wiedersehen mit alten Bekannten geht weiter. The Matrix Resurrections ist der vierte Teil der Matrix-Reihe, die in den späten 90ern und frühen 2000ern ihren Fußabdruck im modernen Filmemachen hinterlassen hat. Man denke nur an die zig Spoofs von Neos Slo-Mo Kampfstil. Diesmal nur von einem Teil der Wachowski Schwestern inszeniert, Lana Wachowski, kehren Keanu Reeves, Carrie-Anne Moss und Jada Pinkett Smith in ihre alten Rollen aus vorherigen Filmen zurück. Auch Hugo Weaving und Laurence Fishburne sucht man diesmal vergeblich. Dafür runden Yahya Abdul-Mateen II, Jessica Henwick, Jonathan Groff, Neil Patrick Harris, Priyanka Chopra Jonas und Christina Ricci den Cast ab. Die Handlung ist wie im realen Leben auch knapp 20 Jahre nach The Matrix Revolutions angesiedelt. Neo lebt als Thomas A. Anderson in San Francisco, nimmt blaue Pillen, und kennt Trinity nicht. Doch dann bietet ihm Morpheus (diesmal Abdul-Mateen II) eine rote Pille an. Lest hier in unserer Kritik – wie sehenswert das ist.
Annette ist Geschmackssache, hat aber ihren Charme. Das englischsprachige Debüt des französischen Regisseurs Leos Carax ist ein Musical, ohne jedoch dem klassischen, zückersüßen Pfad anderer großer Leinwand-Singspiele zu folgen. Das liegt einerseits an Carax selber, der bekannt ist für seinen poetischen Filmstil, in dem er qualvolle Darstellungen der Liebe hochstilisiert. Zum anderen aber auch an den Komponisten des Soundtracks, den Sparks Brothers (ja, die aus der Edgar Wright Doku), die nicht minder exzentrisch sind. Die Geschichte ist auch diesmal wieder eine von gescheiterter, egoistischer und zerstörerischer Liebe. Der Stand-Up Comedian Henry (Adam Driver) und seine Frau Ann (Marion Cottilard), eine Opernsängerin, bekommen ihr erstes Kind, Annette. Doch während Anns Karriere weiter blüht, scheint Henrys Stern bald zu sinken. Die Katastrophe ist vorprogrammiert. Wer bei der etwas zähen ersten Hälfte des Films nicht aufgibt, wird mit einer bewegenden zweiten belohnt. Und ja, Annette wird von einer Puppe dargestellt. Alles Absicht.
Hier kannst du nachlesen, welche Highlights schon im Oktober und November erschienen sind.
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Susanne Gottlieb schreibt als Filmjournalistin für die Helden der Freizeit, Kleine Zeitung, NZZ, Standard, TV Media, Filmbulletin, Cineuropa und viele mehr. Sie arbeitet im Filmarchiv Austria, berichtet von diversen Filmfestivals und hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert.