Anime-Fans weltweit horchten auf, als Netflix die Realverfilmung von Cowboy Bebop ankündigte. Denn der Kultklassiker gilt für Enthusiasten als eine der besten Animeserien aller Zeiten. Dementsprechend groß war die Skepsis gegenüber der Neuversion. Vor allem nachdem Netflix-Realverfilmungen wie Death Note bei eingesessenen Fans auf Empörung gestoßen sind. Ob Cowboy Bebop diesmal dem Kultstatus des Vorbilds gerecht wird, oder eure Zeit beim Original besser aufgehoben ist, erfahrt ihr in unserer Kritik.
von Klaus Kainz
Vor rund zwanzig Jahren zog Cowboy Bebop hiesige MTV Fans in seinen Bann. Die Mischung aus Science Fiction, Western, Film-Noir, Hongkong-Kino und Jazz hat eines gezeigt: Anime ist auch ein erwachsenes Medium, nicht nur Sammelmonster- und Sailor Moon-Wahnsinn im Nachmittagsprogramm. Eine mit Keanu Reeves in der Hauptrolle geplante Verfilmung ging nie über Konzeptionsphasen hinaus. Jetzt hat sich Netflix der Sache angenommen. John Cho, den meisten vermutlich aus Harold & Kumar bekannt, übernimmt die Hauptrolle als Kopfgeldjäger Spike Spiegel. Statt einen Spielfilm bringt Netflix aber eine Serie mit satten zehn Episoden.
Wir haben sie für euch gesichtet und erklären dir in unserer Cowboy Bebop Review, um was es geht und wie unser Urteil zur Neufassung ausfällt. Helden-Tipp! Eine neue Netflix-Serie, die ihr euch unbedingt ansehen solltet, ist Arcane – lies hier, warum sie zu Recht ein Welthit geworden ist.
An der grundlegenden Prämisse hat sich auf Netflix nicht viel geändert. Die Weltraum-Kleinganoven Spike Spiegel, Jet Black and Faye Valentin versuchen sich mit Kopfgeldern über Wasser zu halten und stolpern dabei in irrwitzige Abenteuer und Missgeschicke. Die stilistische Mischung übertrug das Original auch auf seine Genres – es brachte gekonnt Action, Crime, Comedy, Drama und sogar Horror unter einen Hut. Schießereien in Space-Casinos gab es genauso wie Monsterjagden und Tarantino-esque Wortgefechte. Im Hintergrund brodelte dabei stets die dunkle Vergangenheit der Charaktere, die sie einzuholen drohte. Die Chemie zwischen den Charakteren war es auch, die den Storyteil getragen hat.
Die Charakterdynamik der Protagonisten ist auf Netflix weiterhin die größte Stärke der Geschichte. Spike, Fey und Jet agieren unterhaltsam miteinander, wobei Mustafa Shakir als Jet den größten Elan in die Gruppe bringt. Trotz ein paar witzigen Dialogen fiebert man aber weniger mit den Charakteren als noch im Anime. Das liegt am Rest. Der Plot übernimmt Schlüsselmomente und Bilder der Erstversion, mischt sie aber zu einer eigenen (mainstream-konformeren) Interpretation. Viele der ursprünglichen Abenteuer sind gemächlicher, da das Live Action-Format wohl nicht mehr zuließ. Der vierte Protagonist, das überdrehte Hackerkind Ed, fehlte zudem in dieser Staffel noch.
Im Gegenzug füllt die Neuversion einige Lücken des Originals mit neuen Plot-Verknüpfungen und Charakteren. Wobei im alten Cowboy Bebop weniger mehr gewesen ist. So muss nun Jet beispielsweise unnötige Familienprobleme lösen, die er zuvor nicht hatte. Vor allem aber die Charakterisierung von Spike fällt flach. Seine Vergangenheit wurde im Anime bewusst subtil gehalten, um am Ende die volle Wucht zu entfalten. Auf Netflix bekommen Spikes Gegenspieler Vicious und Julia eine vollständige Storyline über alle Episoden, die vor vorhersehbaren Klischees nur so strotzt. Das fällt umso mehr negativ auf, weil die meisten NebendarstellerInnen begrenztes Schauspieltalent aufweisen.
Die geradezu legendäre audiovisuelle Aufmachung hat der Anime-Version von Cowboy Bebop den finalen Schliff verliehen. Die futuristischen Locations waren wunderbar detailliert, die Animationen dynamisch und die grandiose Musik perfekt auf jede Szene abgestimmt.
Selbst ohne HD sieht das Original heute noch gut aus. Um dem gerecht zu werden, hätte Cowboy Bebop von Netflix ein Budget benötigt, das es nicht bekommen hat. In seinen schwächsten Momenten erinnern die Requisiten und CG-Effekte an alte B-Serien wie Stargate. Die besten Sets sind wiederum flach in Szene gesetzt und Regisseur Alex Garcia Lopez (auch an Netflix-Adaptionen von Daredevil oder The Witcher beteiligt) hat neben schiefen Kamerawinkeln wenig Tricks parat. So kann selbst der herausragende Soundtrack der Ursprungs-Komponistin Yoko Kanno keine spürbare Dynamik in die Szenen bringen.
Außerdem: So sehr sich die Serie Freiheiten bei der Story erlaubt, so penibel klammert sie sich bei den Kostümen an den Anime. Animationsstile ließen sich aber noch nie 1:1 auf Live Action übertragen. Ironischerweise machen das Realverfilmungen in Japan ebenfalls. Doch auch dort wirken bunte Wirbelfrisuren und schrille Klamotten unfreiwillig komisch. Zudem passt Cho als 72er-Jahrgang schlicht nicht ins Bild des jungen Haudegens Spike (in einer der letzten Action-Szenen sticht sein Stunt-Double besonders hervor). Insgesamt hat die Serie daher das Flair von Cosplay in einem hochwertigen Fanfilm.
Auf sich alleine gestellt ist die Neuauflage von Cowboy Bebop ganz nett. John Cho feuert mit zumindest zwei talentierten KollegInnen ein paar witzige Sprüche ab, während sie durch ulkige SciFi-Sets stolpern. Das könnte zwar für einen müden Sonntagnachmittag reichen. Als Reboot eines Klassikers allerdings nicht. Doch es gibt gute Nachrichten. Netflix hat sich kurz zuvor die Rechte zur Originalserie gesichert. Die kann man uneingeschränkt Fans von Action-Abenteuern und Science Fiction (besonders Cyberpunk) empfehlen, selbst wenn man mit Anime wenig am Hut hat. Die Neufassung muss man nicht ächten, sollte sie aber bestenfalls als Kuriosität ans Original hinten anschieben.
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Aufmacherfoto: (c) Netflix
Der Redakteur (APA, Helden der Freizeit) und Videospiel-Blogger reviewed für uns vor allem Games, Serien und Filme - ist aber auch so manchem Naturausflug nicht abgeneigt.