Die zweite cinematische und insgesamt dritte Dune Verfilmung, diesmal unter der Regie von Wunderkind Denis Villeneuve, hat es letztendlich doch in die Kinos geschafft. Ob dem Franko-Kanadier das Schicksal seiner gescheiterten Vorgänger ereilt, steht noch in den Sternen. Was von dem Film zu halten ist, das erfahrt ihr hier in unserer Dune Review.
von Susanne Gottlieb
16. September 2021: Was haben Arthur P. Jacobs, Alejandro Jodorowsky, Ridley Scott und David Lynch gemeinsam? Sie alle wollten bei der Adaption von Frank Herberts Science Fiction Meilenstein Dune Regie führen (oder haben es in Lynchs Fall sogar) und sind kläglich gescheitert. Lynchs Film gilt als seine größte filmische Katastrophe. Der Regisseur distanzierte sich in den Jahren danach entschieden davon. Jodorowskys Versuch, das Buch umzusetzen, hätte ein zehn Stunden Epos mit Darstellern wie Dan O’Bannon, Orson Welles, Salvador Dalí und Gloria Swanson werden sollen. Die chaotische Produktion und das letztendliche Versiegen der finanziellen Quellen wurde zu so einem großen Fiasko, dass 2013 sogar ein Dokumentarfilm mit dem Titel Jodorowsky’s Dune entstand.
Nach den TV-Serien Dune und Children of Dune, die die ersten drei Bücher filmisch adaptierten (u.a. mit einem noch damals unbekannten James McAvoy), hat Star-Regisseur Denis Villeneuve, Mastermind hinter Filmen wie Sicario, Arrival und Blade Runner 2049, nun den neuesten Versuch gewagt, sich diesem Urgestein moderner Science-Fiction-Literatur anzunehmen. Ist es ihm gelungen? Man kann getrost sagen, und das ist wohl schon ein Kompliment im Vergleich zu den Vorgängern, großteils ja. Zahlt sich der Gang ins Kino aus? In unserer Dune Review bekommst du von eine gute Entscheidungshilfe:
Tausende von Jahren in der Zukunft hat sich die Menschheit auf die Galaxis ausgedehnt und wenige alte, traditionelle Häuser herrschen über das Imperium. Eines ist das Haus Atreides, geführt vom Herzog Leto (Oscar Isaac). Dieser wird vom Kaiser aufgefordert, vom verfeindeten Baron Harkonnen (Stellan Skarsgård) die Kontrolle über den Planeten Arrakis zu übernehmen. Arrakis ist die einzige Quelle des “Spice“, die wertvollste Substanz im ganzen Universum. Sie ermöglicht Visionen, Voraussichten in die Zukunft und die Navigation des Weltraums.
In der Annahme, das hier politische Machtspiele im Gang sind, stimmt Leto zu. Er bringt seine Familie, das Bene-Gesserit-Mitglied Lady Jessica (Rebecca Ferguson) und seinen Sohn Paul (Timothée Chalamet) mit. Die Bene-Gesserit, die über übernatürliche Wahrnehmungen und politische Macht verfügen, spüren nicht nur ebenso einen anbahnenden Krieg, sondern auch die ebenfalls höheren Begabungen Pauls. Er hat seit vielen Nächten Träume von dem Fremen-Mädchen Chani (Zendaya) auf Arrakis, die ihn vor den anstehenden Konflikten warnt.
Ihr Volk ist es auch, das Leto auf seine Seite ziehen will. In Angesicht der feindlichen Übermacht und der planeteneigenen Bedrohung – den riesigen Sandwürmern. Diese graben sich quer über den Planeten und sind auch die Quelle des Spice. Doch bevor Allianzen geschmiedet werden können, kommt es zum Attentat. Paul, in dem die Fremen an Hof den ihnen versprochenen Messias von außerhalb ihrer Welt sehen, und Jessica müssen vor den Schergen der Harkonnen in die unerbitterliche Wüste fliehen.
Villeneuve gelingt mit seinem Film etwas, was seine Vorgängern schafften. Der Film ist fertig gestellt – und sogar ganz gut. Warum aber nur ganz gut? An dieser Stelle muss man ehrlich sein. Ein neues Herr der Ringe Phänomen, in dem ein Literaturklassiker breite Massentauglichkeit erlangt und zum Meilenstein der Popkultur wird, ist es nicht geworden. Aber hier stand die Crew auch vor einer komplizierten Herausforderung. So komplex Tolkiens erweiterte Welt auch ist, so simpel war die Handlung auf drei Filme heruntergebrochen. Die einen schmeißen den Ring ins Feuer, die anderen bekämpfen die dunkle Armee.
Dune ist ungleich schwerer und komplexer ab der ersten Seite des Romans. Die Exposition zieht sich über mehrere Seiten. Welten, Figuren, Orden werden im Detail erklärt. Das übersetzt sich nicht in einen zügigen Handlungsstrang. Während Serien wie Game of Thrones mehrere Episoden und Staffeln Zeit hatten, die verzweigten gesellschaftlichen Systeme aufzubauen, muss Dune das bereits in einem Film schaffen. Nicht mitgerechnet, dass man sich die Hälfte der Handlung für einen noch nicht gedrehten zweiten Teil aufgehoben hat. Dadurch wirkt vor allem der Anfang etwas langsam, mit viel Dialog und geschickten Kunstgriffen, die Zuschauer in diese Welt einzuführen.
Was Villeneuve aber nicht geschadet hätte: seine Inszenierung mit weniger Mystik und Fremdwelten-Aura zu versehen. Das macht den Film oft weniger greifbar und wirkt wie ein weniger aufregender LSD-Trip den Jodorowsky eigentlich geplant hatte. Die Bildgewalt, die er mit Kameramann Greig Fraser (bekannt für Zero Dark Thirty, Rogue One und Vice) gemeinsam auf die Leinwand zaubert, ist atemberaubend. Die großen weiten Einstellungen, die jeden Milimeter ihres Cinemascopes voll auslasten und sich aus einer reichen Palette an Gelb-, Grün-, Braun- und Grautönen nähren, lassen den Kinosaal unter sich zusammenschrumpfen. Fraser erweist sich als perfekter Ersatz für Villeneuve Standard-Kollaborateur Roger Deakins. Die Inszenierung ist eine der stärksten Elemente des Films. Nicht ganz verhindern kann aber auch die Kameraarbeit, dass die Figuren in der Größenmanie der Bilder oft etwas verloren wirken. Die Welt schafft wenig vertrautes, anknüpfbares für den Zuseher und wirkt daher wie ein Fremdkörper.
Wo sich der Film verkalkuliert hat, ist der Soundtrack. Hans Zimmer ist ein Meister seines Faches, doch seine dröhnenden, computergenerierten Vrooms und Syntheziser haben es diesmal etwas zu gut gemeint. Die schwere, behäbige Musik macht den Film langsam, zu behäbig und überlagert delikate Szenen wie zu viel Knoblauch eine gute Tomatensauce. Villeneuve will stets zu viel auf einmal, zu viele verschiedene Geschmäcker und Impressionen in einem Topf. Doch statt das Ganze explosiv und aufregend zu machen, bekommt der Film dadurch einen faden Beigeschmack.
Wer die Vorlage liebt oder die Geduld hat, langsam in die Welt Dunes eingeführt zu werden, der wird den Film auf jeden Fall schätzen. Für Nicht-Buch Kenner könnte es zu Beginn kompliziert werden. Die etwas aalglatte Hollywood Fantasie macht dann aber doch die nötigen Zugeständnisse, um bis am Ende unterhalten zu werden.
Dune macht das Beste aus einer komplizierten Vorlage, wirkt aber streckenweise etwas behäbig und nicht immer massentauglich. Für Fans des Romans und großartiger Cinematographie aber ein absolutes Muss.
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Fotos: (c) Warner Brothers
Susanne Gottlieb schreibt als Filmjournalistin für die Helden der Freizeit, Kleine Zeitung, NZZ, Standard, TV Media, Filmbulletin, Cineuropa und viele mehr. Sie arbeitet im Filmarchiv Austria, berichtet von diversen Filmfestivals und hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert.