Als Komponist, Dirigent und mit der Veröffentlichung seines Debüt-Romans Frey nun auch Schriftsteller ist Roland Freisitzer ein wahres künstlerisches Multitalent. Auch die Reise in seinem Buch ist äußerst vielseitig. In unserer Rezension erfahrt ihr, wie lesenswert diese Neuerscheinung ist. Dazu haben wir ein Video von unserem ausführlichen Gespräch mit dem Autor.
Eine Kritik von Peter Marius Huemer. Der freie Schriftsteller stellt euch in “Peters Buchtipp” jeden Monat ein außergewöhnliches Werk vor.
16. August 2021: Daniel Frey ist ein recht biederer Mann. Seine Frau verabscheut ihn und er ist in Therapie, um seine Wutanfälle in den Griff zu bekommen. Als die Ehe wenig überraschend (aber auf überraschende Art und Weise) endgültig in die Brüche geht, gibt es für Frey nur noch die Flucht nach vorne, zum Flughafen und ins Unbekannte – nach Japan. Im Flugzeug kommt er mit seinem Sitznachbarn ins Gespräch, der ihm selbst täuschend, ja bis zur Verwechslungsgefahr, ähnlich sieht. Die beiden und alle anderen Passagiere steuern auf unruhiges Wetter zu.
Frey ist ein Roman mit vielen Gesichtern. Nicht nur, weil das Buch in mehrere Teile unterteilt ist, sondern weil Stimmung und Handlung stets auf der Kippe stehen. Zwischen Drama, Abenteuerroman, Crimethriller und Liebesgeschichte schwingt das Pendel hin und her und bleibt dabei doch immer eins: schlüssig. Obwohl nicht jeder Plotpunkt, jede Wendung oder jeder Dialog unter der Lupe den strengen Gesetzen der Logik standhält, entwickelt Frey eine eigene Welt, deren Logik das Buch folgt.
Diese Welt steckt voller Zufälle, voller Verschwörungen und bedeutungsvollen Begegnungen. In Frey ist alles Mysterium und alles fügt sich, weil es das muss und nicht weil Daniel Frey und Roland Freisitzer es so bestimmen. Es ist ein interessantes Spiel zwischen dem Erleben des Protagonisten, für den das aufregende Verwirrspiel die Realität darstellt, und dem Autor oder dem ständig spürbaren Erzähler, der die Geschichte eindeutig vor unseren Augen konstruiert, nach den Regeln verschiedener Genres aufbaut, nur ohne, dass die Figuren es zu bemerken scheinen.
So erweckt Frey niemals den Eindruck, eine naturalistische Erzählung sein zu wollen, bei der dem Autor dann doch die Fantasie durchgeht. Stattdessen ist Frey eine wild fabrizierte Fantasie, in die sich die Figuren (echte Menschen) hinein verirren, die sie als echt akzeptieren und sich in ihr zu RomanheldInnen wandeln.
Dass irgendwann auch ein Hauch für die Figuren spürbarer Surrealismus Einzug hält, nie aber die Überhand gewinnt, ist nur konsequent, weil sie im Zwiegespräch mit dem jeweiligen Genre stehen, das sie gerade durchlaufen. Die Figuren passen ihre Sprechweise, ihre Handlungsweise, ihr Auftreten nicht nur an die Situation, sondern auch an die Erzählkonventionen des gerade vorherrschenden Genres an, ohne ihr Selbst zu verlieren oder unerkennbar zu werden.
Stilistisch ist Frey erstaunlich einheitlich. Die Wechsel zwischen den erzählten Genres vollziehen sich so rasant wie geschmeidig und werden erst bei genauem Hinsehen offenbar. Es ist, als würden hier mehrere Geschichten mit gleicher Stimme erzählt. Diese Konsequenz kann sich sehen lassen. Hin und wieder kennt man dem Stil in einigen Sätzen oder Wortwechseln dann doch den Debütroman an. Da schleicht sich schon das ein oder andere Mal erzählerische Bequemlichkeit ein und nicht jeder Dialog wirkt in seiner Ausführlichkeit plausibel. Nicht jeder weiterführende Gedanke (obwohl zur Situation passend) macht im Gesamtbild Sinn. Aber das zu sehr auseinanderzupflücken wäre eine unnötige Spitzfindigkeit, und so bleibt ein stimmiger Roman voller unerwarteter Wendungen. Mehr erfahrt ihr hier in unserem Gespräch mit dem Autor bei Peters Buchtipp:
Frey ist ein äußert unterhaltsamer und kurzweiliger Roman, der einen in Sachen Spannung und Kreativität immer bei der Stange hält. Zwar gibt es einige wenige stilistische Schwächen, diese sind aber dünn gesät und vermögen kaum das Gesamtbild zu trüben. Ein mutiger Genremix voller skurriler Charaktere. Empfehlenswert.
Frey (Septime Verlag) von Roland Freisitzer ist seit 9. August 2021 um 23,60€ in jeder gut sortierten Buchhandlung und im Online-Handel verfügbar.
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Peter Huemer stellt bei den Helden der Freizeit jedes Monat in "Peters Buchtipp" ein außergewöhnliches Werk vor. Außerdem schreibt er bei uns über Games, Kino und Streaming. Der Freie Schriftsteller hat vergleichende Literaturwissenschaft studiert und arbeitet auch als Lektor, Korrektor und Übersetzer.