Mit Jungle Cruise adaptiert Disney bereits zum siebten Mal eine Disneypark-Attraktion als Film. Ein Vermarktungskonzept das, mit Ausnahme von Piraten der Karibik, bisher weniger für das Studio funktioniert hat. Doch mit Superstar Dwayne Johnson in der Hauptrolle könnte hier ein neues Franchise starten.
von Susanne Gottlieb
29. Juli 2021: Eine verwunschene Reliquie, ein Geschwisterpaar das einen Fluch brechen möchte und ein Abenteurer, der ihnen bei diesem Auftrag hilft. Jungle Cruise klingt nicht von ungefähr wie eine Abenteuerkomödie der frühen 2000er. Man denke Die Mumie, gepfeffert mit ein wenig Piraten der Karibik, Indiana Jones und Jagd nach dem grünen Diamanten. Einzig die CGI-Sets und das animierte Jaguar-Haustier erinnern den Zuschauer daran, dass der Film aus 2021 ist.
Rumoren in Filmformeln der Vergangenheit ist anscheinend Teil des Konzepts von Jungle Cruise, abermals eine Disneyland-Parkattraktion in ein Franchise umzuwandeln. Erfolgreich waren damit bisher nur die Piratenfilme von Gore Verbinski. Mit Dwayne Johnson hat man zumindest schon mal einen der erfolgreichsten Stars der Gegenwart an Bord. Doch ob ein Abenteuer im Stil vergangener Sommerblockbuster funktioniert, in denen Johnson meistens noch den Antagonisten spielte und nicht wie hier den Helden, steht auf einem anderen Blatt.
Im London des Jahres 1916 hat sich die Wissenschaftlerin Lily Houghton (Emily Blunt) der Suche nach den “Tränen des Mondes” verschrieben. Das sind die Blüten eines legendären Baumes im südamerikanischen Dschungel, der angeblich alle körperlichen Beschwerden heilen kann. Ein Jungbrunnen in Zeiten des Ersten Weltkriegs. Aber die Gesellschaft der Wissenschaft und ihre ausschließlich männlichen Mitglieder nehmen Lily und ihren Bruder McGregor (Jack Whitehall) nicht ernst. Die beiden müssen den einzigen Hinweis, eine Pfeilspitze der Konquistadoren, stehlen und setzen sich nach Brasilien ab.
Dort treffen sie auf Skipper Frank (Dwayne Johnson), der reichen Touristen Touren über den Amazonas anbietet. Sie können sich seine Dienste und die seines Bootes La Quila sichern, obwohl Frank aus verschiedenen Gründen selber interessiert an der Pfeilspitze scheint. Und dann ist da noch der deutsche Prinz Joachim (Jesse Plemmons), der die Tränen des Dschungels ebenso finden will, um Deutschland den Sieg im Krieg zu ermöglichen.
Früher musste man ins Disneyland gehen, um seine Lieblings-Disneyhelden live und in Action zu sehen. Mit der Adaption von Parkattraktionen zu Filmen kehrt Disney dieses Prinzip immer wieder um. Aber ähnlich wie bei Videospiel-Fahrgeschäften, hat das Studio nach wie vor nicht die richtige Formel gefunden, daraus auch veritable Hits zu machen. Manche Rides, wie Mission to Mars, werden wegen mangelnder Popularität schon Jahre vor dem Film abgesetzt. Manche, wie The Country Bears, sind vom Konzept her einfach zu absurd, um eine Verfilmung zu garantieren.
Dass Fluch der Karibik hier aus der Reihe tanzte, lag unter anderem daran, dass die Macher nie die Absicht hatten, einen klassischen Disneyfilm zu drehen. Der konstante Streit zwischen dem Studio und dem Filmteam wurde ausführlich dokumentiert. Aber der durchschlagende Erfolg gab dem Regisseur und seinen Stars Recht.
Mit Jungle Cruise versucht das Studio offensichtlich an den filmischen Box-Office-Erfolgen anderer Dwayne Johnson Filme anzuknüpfen. Von der Charakterzeichnung und der Umsetzung erinnert er stark an die Kassenknüller, mit denen The Rock auch anderen Studios regelmäßig zu finanziellen Höhenflügen verhilft. Die Rückbesinnung auf Spaß und Unterhaltung in einem Abenteuerfilm ist eine erfreuliche Entwicklung. Mehr von Die Mumie nach Brendan-Fraser-Stil und weniger von dem, was auch immer Die Mumie mit Tom Cruise war.
Ebenso mit von der Partie sind die klassischen Elemente der echten Attraktion. Wie bei den Park-Skippern nehmen hier zahlreiche Flachwitze einen wichtigen Platz im Skript ein. Gemeinsam mit seinen Gästen begutachtet Frank beispielsweise auch “die Rückseite des Wassers” hinter einem kleinen Wasserfall.
Doch diese ganzen Anlehnungen an und Zitate aus alten Hollywood Klassikern lassen einen wundern, ob die Macher wirklich so viel Vertrauen in das filmische Produkt hatten. Nicht nur wird die Ausgangs-Storyline recycelt, auch viele der Gags hat man so schon mal in einem anderen Film gesehen. Man denkt nicht von ungefähr an die Bibliotheksszene von Indiana Jones, wenn Lily im Takt mit einem Forscher, der auf einen Amethyst hämmert, heimlich auf eine Kiste einschlägt, um sie zu öffnen. Auch der Fluch, der auf den Konquistadoren lastet, war schon mal so ähnlich bei Barbossa und Gefährten zu sehen.
Jesse Plemons stiehlt hier wieder einmal allen die Show als perfide böser deutscher Prinz mit erstaunlich gutem deutschen Akzent. Dennoch wirkt seine Figur ein wenig grotesk und wie der ungelenke Versuch, einen klassischen Nazi-Bösewicht zu schreiben, ohne dass die Figur aufgrund der zeitlichen Verortung ein solcher sein kann. Hier hätte der Film mehr Originalität und weniger ausgetretene Trampelpfade gebraucht.
Ebenso wünschenswert für einen Film, der so gerne Vorangegangenes zitiert, wären mehr szenischer Realismus und kleinere Actionsets gewesen. Die Verankerung in bombastischen CGI-Welten lassen den Dschungel an manchen Stellen zu künstlich und blass, das Finale zu chaotisch und übertrieben wirken. Ein Grund, warum Filme dieser Art in der Vergangenheit funktioniert haben, ist ihre geerdete Action und das Gefühl, dass das Gesehene plastisch und in der Welt verankert ist.
Jungle Cruise hat viele gute Lacher und einen netten Nostalgie-Trip in petto. Doch wirklich originell und das Genre umschreibend wie Piraten der Karibik ist das Ganze dann doch nicht. Wer sich auf das Abenteuer mit The Rock und Emily Blunt begeben will, kann das in Österreich seit 28. Juli im Kino und ab 30. Juli über einen Disney+-VIP-Zugang tun.
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Fotos: (c) Walt Disney Pictures
Susanne Gottlieb schreibt als Filmjournalistin für die Helden der Freizeit, Kleine Zeitung, NZZ, Standard, TV Media, Filmbulletin, Cineuropa und viele mehr. Sie arbeitet im Filmarchiv Austria, berichtet von diversen Filmfestivals und hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert.