Capcom enttäuscht auch im neuesten Ableger seiner Horrorreihe nicht. In unserem Test erweist sich Resident Evil Village als spektakuläres, spannendes und vor allem visuell bombastisches Game, das man nicht zur Seite legen will.
von Sophie Neu
Sehnsüchtig haben wir auf Resident Evil Village gewartet. Nicht zuletzt wegen Lady Dimitrescu, der charismatischen Vampirdame des neuen Teils des Erfolgsspiels von Capcom. Aber abseits der zuvor schon spielbaren Demos ist im neu für Playstation, Xbox und PC erschienenen First-Person-Horrorspiel nicht mehr sie der Star, sondern die faszinierende Kulisse, vor der sich Ethan Winters zweites Abenteuer im Resident Evil-Universum abspielt. Denn das kleine rumänische Dorf und dessen umliegende Ruinen, Katakomben und Ländereien sorgen für unvergleichliches Gruselflair. Nur manchmal scheint die Verbindung zum klassischen Resident Evil ein bisschen an den Haaren herbeigezogen.
Tipp! Zu Resident Evil Village ist eben eine Gold Edition mit tollen Erweiterungen erschienen. Lies hier in unserem DLC-Test, wie sehr sich der Kauf lohnt.
Nachdem Ethan und seine Frau Mia die Strapazen im Horrorhaus der Bakers in Teil 7 der Capcom-Reihe überstanden haben (hier unser Test), ziehen sie nach Europa, um weit weg von den schlechten Erinnerungen und Umbrella eine Familie zu gründen. Als eines Nachts aber Soldaten ihr Häuschen stürmen und die Familie samt Baby Rose entführen, wird Ethan erneut in finstere Machenschaften hineingezogen. Während des Transports kommt es zu einem Unfall und der Familienvater strandet als Überlebender in einem kleinen rumänischen Dorf, wo er seine Tochter sucht. Schnell stellt er fest, dass hier nichts mit rechten Dingen zu geht und Monster die Siedlung heimsuchen. Sie unterstehen Mutter Miranda. Und die hat gemeinsam mit ihren vier Kindern Rose entführt. Ethan setzt alles daran, seine Kleine zu retten und muss sich den Ungeheuern in ihren Verstecken stellen.
Mit der Story erreichen wir bereits den eigentlichen Schwachpunkt von Resident Evil Village. Denn auch wenn die Geschichte spannend erzählt wird, fällt es einem schwer, sie dem bisherigen Universum des Franchise zuzuordnen. Denn statt Zombies treiben diesmal Werwölfe und Vampire ihr Unwesen. Statt Hightech-Laboratorien erwarten einen mittelalterliche Schlösser, Katakomben und mystische Ruinen. Zwar hat Teil 7 mit seinem Setting in den Sümpfen Lousianas schon für Abwechslung gesorgt, aber der Kontrast ist in Resident Evil 8 doch nochmal um einiges stärker. Vor allem, weil lange Zeit unklar bleibt, wo die Verbindung zwischen der Umbrella-Corporation und den Vorgängen im Dorf besteht und sich nur in kleinen Notizen und zum Ende des Spiels hin wirklich eine Antwort auf die Frage finden lässt. Und die ist, wenn man ehrlich ist, etwas an den Haaren herbei gezogen.
Es ist offensichtlich, dass hier um des Settings willen die Plausibilität der Story ein bisschen in den Hintergrund gerückt wurde. Im Endeffekt schadet das aber nicht. Denn der Schauplatz von Resident Evil Village ist absolut großartig und in seiner Komplexität beeindruckend. Ethans Suche nach Rose führt ihn nicht nur durch das verwunschene Dorf mit seinen unheimlichen Getreidefeldern, verwinkelten Gassen und verwunschenen Friedhöfen. Er durchstreift auch stockdunkle Höhlen, feuchte Katakomben und vor allem das imposante Schloss der Dimitrescus. Von dem kennt man zwar schon Teile aus den Demos. Aber im richtigen Spiel entfaltet die herrschaftliche Behausung der Vampirfamilie ihre volle Pracht. Opulente Säle, die so golden glänzen wie die Vertäfelungen im Schloss Versailles, schaurige Kerkeranlagen im weitläufigen Keller, spannende Rätsel und unzählige verzweigte Gänge machen die riesige Festung zum absoluten Highlight des Spiels.
Aber wer denkt, dass man den Großteil der rund 9 Stunden Spielzeit von Resident Evil Village im Schloss Dimitrescu verbringt, der irrt. Das Herrschaftshaus ist quasi nur ein Appetizer für die vielen anderen Locations, an die es ihn in der Folge verschlägt. So wie Ethan nur ein Appetizer für Lady Dimitrescu ist. Denn die allseits beliebte Vampirdame erfreut sich daran, den Familienvater durch die altehrwürdigen Hallen ihres Schlosses zu scheuchen. Bei diesem Katz-und-Maus-Spiel entfaltet sie aber nicht die gleiche Bedrohung, wie andere Gegner im späteren Verlauf des Spiels es tun. Vielleicht, weil die Gänge und Säle ihrer Behausung zu verzweigt sind und die Flucht vor ihr damit relativ leicht ist. Vielleicht aber auch, weil die Dame einem (im Gegensatz zur Familie Bakers aus Teil 7 etwa) fast schon zu sympathisch ist.
Aber natürlich gibt es auch die für Resident Evil typischen Verfolgungsjagden durch enge, drückende Gänge. Dabei steigert die Erzählung ihr Tempo geschickt mehr und mehr. Vom taghellen Schloss mit seinen verhältnismäßig wenigen Gegnern stolpert Ethan durch den beklemmenden Nebel, aus dem heraus Untote auftauchen und landet schließlich in den unterirdischen Gängen einer Monsterfabrik, in der die potentiellen nächsten Gegner schon an den Wänden bereithängen.
Gerade, wenn einem Heisenbergs Kreaturen in den langen, engen Gängen auf den Fersen sind, rast das Herz. In bester Frankenstein-Manier experimentiert Mutter Mirandas Sohn hier nämlich mit allerlei (für ihn) lustigen mechanischen Modifikationen an menschlichen Körpern. Da kommt es schon mal vor, dass wir von Monstern gejagt werden, die statt Armen spitze Bohrer oder Kettensägen haben. Insgesamt bietet Resident Evil Village eine wirklich große Anzahl unterschiedlicher Monster, die in ihren Variationen für ein abwechslungsreiches Gameplay sorgen. Für jede Gegnerart entdeckt man mit der Zeit die beste Taktik. Dabei wird man nicht ganz allein gelassen. Aufmerksame Spieler entdecken immer mal wieder Notizen zu den „Forschungsprojekten“ von Mutter Mirandas Kindern, die Hinweise auf Schwachpunkte geben.
Gegner zu besiegen lohnt sich im neuen Resident Evil übrigens wirklich. Denn sie droppen quasi immer Gegenstände. Mal sind es Heilkräuter, mal ein kristalliner Schädel. Letzteren kann man bei Duke verkaufen. Mit Duke kehrt die Spielereihe zu Teil 4 zurück – denn schon dort gab es einen Händler, der immer mal wieder auftaucht. Bei ihm kann man sich allerlei Gegenstände und Upgrades holen. Und, was wohl am wichtigsten ist: Größere Taschen! Inventar-Management ist zwar in diesem Resident-Evil-Teil nicht mehr so wichtig – es gibt etwa keine Truhe zum Verstauen – aber mit Ethans wachsender Waffensammlung wird es dann früher oder später doch eng in seinen Jackentaschen und eine Vergrößerung muss her.
Und die Waffensammlung braucht Ethan. Denn je nach Bosskampf braucht er eine andere Strategie und damit Ausrüstung. Die Fights an sich sind für Resident-Evil-Verhältnisse eigentlich recht leicht, vorausgesetzt man geht nicht mit leeren Munitionstaschen ins Gefecht. Aber sogar dann ist das Spiel zumindest auf der Standard-Schwierigkeit so sozial, zusätzliche Geschosse, Minen und Heiltränke bereitzustellen. Wenn auch manchmal ein stärkeres Feedback auf Schaden von den Bossgegnern nett wäre, so sind ihre Muster verständlich und fair zum Spieler. So bleibt genug Zeit, ihr Design zu bewundern. Denn die Gegner sind unglaublich detailverliebt entworfen und faszinieren teils mit einer ganz eigenen, mystischen Ästhetik, wie man sie sonst noch nicht im Universum von Resident Evil gesehen hat.
Mit Resident Evil Village legt Capcom in Sachen Horror mal wieder eine Meisterleistung hin. Das frische Setting in Osteuropa bewahrt das Franchise davor, abgestanden zu wirken und gibt der Zombiestory ein neues Flair. Vampire, Werwölfe und Co. sind zwar jetzt nicht innovativ, aber ästhetisch umgesetzt, gleiches gilt für die Bossgegner. Das fesselnde Erzähltempo und vor allem die faszinierend detaillierte Welt entwickeln mit der Zeit trotz einiger Kohärenzprobleme einen richtigen Sog. Ein Must-Play für alle Horrorfans.
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Bilder: ©Capcom
Die Journalistin ist bei Videospiel-Tests und Wien Guides voll in ihrem Element. Seit 2021 verstärkt sie die Redaktion des KURIER.