Schon wieder hat sich Netflix die Rechte an einem Fantasy-Hit unter den Nagel gerissen. Mit Shadow and Bone zaubert der Streamingdienst aus Leigh Bardugos Erzählungen über die epische Welt der Grisha ein mitreißendes Abenteuer. Unsere Kritik zu Shadow and Bone.
von Sophie Neu
21. April 2020: Fans fiebern schon länger auf den Serienstart von Shadow and Bone – Legenden der Grisha hin. Zu Recht, denn das neue Netflix-Fantasy-Epos basiert auf Leigh Bardugos Young-Adult-Bestsellern. Schließlich sind die Legenden der Grisha – wie die Trilogie auf Deutsch heißt – randvoll mit Abenteuern, Intrigen und Magie.
Die Netflix-Version des Grishaverse dürfte aber nicht nur die bisherigen Anhängerinnen begeistern, sondern auch zahlreiche Neulinge in ihren Bann ziehen. Spannende Charaktere, zwischen denen es hörbar knistert, beeindruckende Sets und großartige Schauspieler entfalten schon in den ersten fünf Folgen (die wir im Vorhinein für euch sichten durften) ihre Magie und lassen uns auf viele weitere Staffeln hoffen. Nur ein Gefühl wurden wir nicht los: Manchmal zwingt das einengende Format als Serie Shadow and Bone in dieser ersten Staffel dazu, viel zu schnell durch die Handlung zu hetzen.
Ob trotzdem für uns das Potential hat, DER neue Fantasy-Serien-Hit zu werden und unser Ranking mit den 44 besten Netflix-Serien aufzumischen, verraten wir in unserem Review.
An Kartografin Alina (Jessie Mei Li) ist eigentlich nichts besonders. Als sie aber während einer Mission für die erste Armee ihres Heimatlandes Ravka ihrem Kindheitsfreund Mal (Archie Renaux) mit Hilfe einer übernatürlichen Macht das Leben rettet, wollen plötzlich alle Alina. Manche wollen sie tot, andere lebendig. Denn nicht nur ist sie eine Grisha – wie man Ravka Magierinnen nennt – sondern sie ist auch die Einzige, die die Macht des Lichts kontrollieren kann und damit die Zukunft des Landes. Um sie vor Attentätern zu schützen, bringt der junge General Kirigan (Ben Barnes) Alina ins Trainingslager der magischen Kämpfer Ravkas, wo er sie unter ihre Fittiche nimmt. Was Alina nicht weiß: Um sie herum sind finstere Mächte am Werk, die vor nichts zurückschrecken. Gleichzeitig machen sich der zwielichtige, aber charismatische Kaz (Freddy Carter) und seine Freunde Inej (Amita Suman) und Jesper (Kit Young) auf in ein wagemutiges Abenteuer.
Und damit erklären wir die wirklich spannende Handlung von Shadow and Bone eigentlich nur in ihren Grundzügen. Denn gerade in den ersten Folgen kann die durchaus komplex sein und es dauert erstmal, bis wir jedem Gesicht den richtigen Namen zuordnen können. Ähnlich wie Game of Thrones (lies hier 14 Gründe, warum wir GOT lieben) wird nämlich auch die Handlung des Grishaverse aus mehreren Perspektiven inszeniert. Dabei zentriert sich zwar alles im Endeffekt auf Alina und wie sie sich langsam in ihrer neuen Rolle zurechtfindet. Aber die Story schwenkt auch immer wieder zu ihrem Kindheitsfreund Mal, der nach einem Weg zurück zu ihr sucht und sich dafür in Gefahr begibt.
Gleichzeitig spinnt Shadow and Bone aber auch die fesselnde Geschichte um Kazs Kriminellenbande. Die sympathischen Ganoven sorgen einerseits für etwas Auflockerung, bieten aber einen genauso spannenden Handlungsbogen. Wenn die Stränge der Geschichte dann früher oder später unweigerlich zusammenlaufen, entfaltet Shadow and Bone durch seine dynamische Erzählung einen Sog, dem sich niemand entziehen kann. Keine Szene fühlt sich zu lang an. Dafür wirkt die Fantasy-Serie ab und zu gehetzt. Das liegt höchstwahrscheinlich daran, dass hier versucht wird, möglichst viel Handlung in die erste Staffel zu pressen. Durch das flotte Erzähltempo wird aber leider vielen Nebencharakteren, die für Alinas Weiterentwicklung wichtig sind, zu wenig Zeit am Bildschirm gegeben.
Immerhin lässt man den Charakteren bei den wichtigen Beziehungen von Shadow and Bone genug Zeit. Nicht unähnlich Bridgerton (hier unsere Review) sind es hier die subtilen Gesten, die Annäherungen andeuten. Dabei überhastet die Serie nie, sondern lässt die Gefühle langsam über die Folgen hinweg hochkochen und gibt den Charakteren dabei Zeit, die eigene Lage zu reflektieren. Die Spannung zwischen den verschiedenen Darstellern ist deutlich spürbar. Das liegt nicht zuletzt an ihren großartigen schauspielerischen Künsten. Sei es Mei Li, die ihrem Charakter vor allem mit ihrer Mimik und Körperspannung eine unglaubliche Komplexität verleiht. Oder Carter, der als Kaz den gutherzigen Schurken mit Charisma auflädt. Fürs Tüpfelchen auf dem I sorgen die fantastischen Kostüme mit ihren aufwendigen Stickereien und Anleihen aus der russischen Kultur.
Vielleicht wirken die schauspielerischen Leistungen aber auch deshalb so stark, weil die Charaktere in eine unglaublich detailliert ausgedachte Welt eingebettet sind. Von den unterschiedlichen Sprachen, verschiedenen Währungen und sich bekriegenden Fraktionen bekommt man gleich in der ersten Folge so viel mit, dass man erstmal sehr konzentriert zuhören muss. Ist die Orientierung aber dann da, fesselt einen die faszinierende Geschichte innerhalb dieser auch für sich eigenständig bestehen könnenden Welt umso mehr.
Gerade auch deswegen, weil die Sets, an die es Alina, Mal und Kaz verschlägt, absolut großartig umgesetzt sind. Vom eleganten Os Alta mit seinen prunkvollen Palästen bis hin zu den zwielichtigen Gassen und Glücksspiellokalen Ketterdams sind alle Locations von Shadow and Bone lebendig und detailliert. Dabei zieht die Serie Inspiration aus den verschiedensten Kulturen. Fühlt man sich von Jesper und manchen Nebencharakteren in Ketterdam stark an Westernfilme erinnert, so zieht das Land Ravka ziemlich eindeutig seine Inspiration aus Russland. Nicht umsonst wird der König wiederholt als Tsar angesprochen.
Einzigartig ist aber neben der Detailliertheit des Settings auch seine ungewohnte Ausrichtung. Erleben wir sonst eher Fantasy im Rahmen von mittelalterlichen Geschichten über Drachen, Ritter und epische Schwertkämpfe, so versetzt uns Shadow and Bone an einen ganz anderen Zeitpunkt in der Menschheitsgeschichte. Auf den Schlachtfeldern sind Pfeil und Bogen längst Vergangenheit. In der fiktiven Version des 19. Jahrhunderts gibt es stattdessen Gewehre, Säbel und vor allem die Mächte der Grisha. Entsprechend ist die gesamte Aufmachung von Shadow and Bone um einiges frischer. Die Kostüme sind anders, aber auch die Interaktionen zwischen den Charakteren entsprechend dem Jahrhundert.
Mit Shadow and Bone liefert Netflix in Zusammenarbeit mit der Erfolgsautorin Leigh Bardugo eine frische Fantasy-Serie, die nicht nur bei Young Adults für Begeisterung sorgen dürfte. Nicht nur ist die Story absolut fesselnd, auch die Charaktere entwickeln durch die starken Darsteller eine fast schon magnetische Wirkung, sodass man alle Folgen wie im Bann bingen will. Für alle Fans von Game of Thrones, The Witcher aber auch Bridgerton das perfekte Format.
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Aufmacher: ©Netflix
Die Journalistin ist bei Videospiel-Tests und Wien Guides voll in ihrem Element. Seit 2021 verstärkt sie die Redaktion des KURIER.