In Thunder Force lässt Ben Falcone seine Frau Melissa McCarthy und Octavia Spencer als Ladys mittleren Alters gegen eine Horde Bösewichte kämpfen die Chicago bedrohen. Eigentlich eine gute Idee, aber an der Umsetzung hapert es.
von Susanne Gottlieb
09. April 2021: Aus dem Superhelden-Genre heute noch einen spannenden neuen Gedanken herauszuholen ist nicht leicht. Ben Falcone ist es immerhin gelungen, einen naheliegenden Twist in die Angelegenheit einzubringen. Was, wenn zur Abwechslung mal nicht lauter junge, umwerfende Modeltypen die Superhelden sind, sondern zwei kräftigere Mittvierzigerinnen? Was, wenn die beiden dazu noch von Comedy-Stars Melissa McCarthy und Octavia Spencer dargestellt werden? Hier sollte theoretisch nichts schief laufen.
Warum der Film aber leider hinter den Erwartungen zurückbleibt, das verraten wir euch hier. Ihr könnt euch seit heute eure eigene Meinung bilden, Thunder Force ist bereits auf Netflix verfügbar. Falls ihr nicht sicher seid, ob sich das Anschauen lohnt, lest besser hier unsere Thunder Force Kritik.
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Emily (Octavia Spencer) und Lydia (Melissa McCarthy) sind seit der Middle School nicht nur Außenseiter, sondern auch beste Freundinnen. Die hochintelligente Emily hat in jungen Jahren ihre Eltern, zwei Forscher an die sogenannten Miscreants verloren. Miscreants sind Psychopathen, die durch ein einzigartiges Naturereignis im Jahr 1988 Superkräfte bekommen haben. Doch da keine guten Menschen mit neu entdeckten Superheldenkräften ihnen entgegen treten konnten, terrorisierten sie von da an Lydias und Emilys Heimatstadt Chicago.
Nach einem Streit in jungen Jahren haben sich Emily und Lydia allerdings seit Jahren nicht mehr gesehen. Als die High School Reunion ins Haus steht, und Emily nicht auftaucht, geht Lydia sie suchen. Emily ist nun CEO einer megareichen, riesigen Genetikfirma, und wie sich herausstellt, hat sie in all den Jahren versucht, die Arbeit ihrer Eltern weiterzuführen. Mit ihrer Tochter Tracy (Taylor Mosby) hat sie eine Behandlung entwickelt, die es ihr erlaubt, auch reguläre Menschen in Superhelden zu verwandeln.
Der Plan war eigentlich, sich allein diese Kräfte zu geben. Doch Lydias Besuch und ihre Neugier lässt eines zum anderen führen, und plötzlich erleben beide die Transformation zu Superheldeninnen. Als neu gegründete Thunder Force werden sie ab nun für Ordnung auf den Straßen von Chicago sorgen. Und Anlässe gibt es genug. Da wären die Miscreants Laser (Pom Klementieff) und The Crab (Jason Bateman), die die Straßen terrorisieren, aber auch der zwielichtige Bürgermeisterkandidat The King (Bobby Cannavale).
Was Ben Falcone hier anvisiert hat, ist eigentlich löblich. Statt mit einer End-20er/Frühe 30er Schauspielriege wie aus einem Fashionkatalog aufzufahren, hat er auf Frauen Mitte 40 gesetzt, die sich nicht durch perfekte Maße und Sexualisierung in Szene setzen. Um genauer zu sein, McCarthys Charakter ist wieder einmal die Paraderolle einer vulgären Frau, die das Herz am rechten Fleck hat.
Ist der Film deshalb an ältere Semester gerichtet? Eigentlich nicht. Um ehrlich zu sein, der Film weiß selber nicht so recht, wer seine Zielgruppe ist. Für die Großen mag er in seiner Art ein wenig zu infantil im Humor sein. Für die Jüngeren hat er zu viele grausliche Bodyhorror Szenen, wenn es um Krabben geht. Und für alle dazwischen ist der Film eine etwas unausgegorene Angelegenheit. Ein Pot voller Ideen, aber nichts funktioniert wirklich.
Vor allem die sexuelle Fetischierung von Jason Batemans Krabbenarmen ist mehr ungustiös als der nächste David Cronenberg. Andererseits, die ständigen Auswüchse auf McCarthys Körper während das Superheldenserum ihre DNA verändert, sind amüsant. Hier werden wirklich mal die Fragen gestellt, was kann so eine Verwandlung sonst noch mit dem Körper macht.
Das mag vielleicht daran liegen, dass McCarthy die Ehefrau von Falcone ist, und er die Rolle mit ihr vor seinem inneren Auge geschrieben hat. Das ändert aber nichts an dem uninspirierten Fokus, den der Film hat. Es scheint generell ein Problem von Falcone zu sein, Ideen ein- und dann auch wirklich durchzuführen. So stellt er immer wieder Figuren vor, die aber über ein paar kurze Zeilen nichts mehr zur Handlung beitragen.
Falcone weiß zudem nicht so richtig, wenn er als seine Protagonistin inszenieren will. Die naheliegende Lösung wäre die junge Emily, die mit der Entwicklung der Superhelden-Behandlung den Tod ihrer Eltern rächen will. Doch aus irgendeinem Grund tendiert er dazu, die Handlung aus der Sicht von Lydia zu erzählen, deren Geschichte aber viel oberflächlicher und uninteressanter ist (hat Lydia Eltern, Familie, ein Haustier? Man erfährt es nie).
Zum anderen versucht er hier klassische Hollywood-Konflikte einzuführen, um die sowieso schon nicht unerhebliche Grundprämisse, eine Frau versucht ihre Eltern zu rächen, noch weiter aufzubauschen. Als wäre es irgendwie von Relevanz, zerbricht Emilys und Lydias Freundschaft zu Beginn an dem Zwiespalt, wie viel Spaß soll man im Leben haben, und wie viel soll man fleißig studieren. Diese Lebemann-Einstellung von Lydia und die Streberattitüde von Emily, auch wenn sie immer wieder sagt “I am not a nerd”, schaukeln sich andauernd gegenseitig hoch. Vor allem, wenn Emilys ebenso kluge, aber doch den Freuden des Lebens nicht so abgeneigte Tochter Tracy die Bühne betritt.
Man mag zwar diesen Konflikt schon hunderte Male gesehen haben, aber umso überraschender ist, dass er einer der vielen Dinge in diesem Film ist, die nicht wirklich aufgelöst werden. Fast wie ein Fremdkörper schlängeln sich die Ideen von Falcone durch den Plot. Es wirkt, als wären sie aufgezwungene Plotdetails, die er notwendigerweise in die Geschichte einbauen musste.
Diese etwas oberflächliche Abhandlung der Geschichte und die abgenutzte Proletenfigur von McCarthy können auch nicht durch gute Action wettgemacht werden. Falcone hat sich zwar dankenswerterweise nicht für einen Skybeam entschieden und kreiert einen Konflikt der alten Schule, aber das Adrenalin fehlt einfach in diesem Film. Was man ihm jedoch zugute halten kann ist, wie viel Zeit er sich für die Trainingseinheiten der Superhelden nimmt. Was sonst eine schnelle Trainingsmontage ist, wird hier zu einem plot-treibenden Element.
Thunder Force hat ein paar unterhaltsame Elemente, bleibt aber weit hinter den Erwartungen zurück.
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Bilder: © 2021 Netflix
Susanne Gottlieb schreibt als Filmjournalistin für die Helden der Freizeit, Kleine Zeitung, NZZ, Standard, TV Media, Filmbulletin, Cineuropa und viele mehr. Sie arbeitet im Filmarchiv Austria, berichtet von diversen Filmfestivals und hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert.