Nach Mulan darf nun eine neue asiatische Actionheldin ihr Land retten. In Raya und der letzte Drache muss die junge Raya den mystischen Drachen Sisu wiedererwecken, um eine übernatürliche Plage aus ihrem Heimatland Kumandra zu vertreiben. Doch Magie allein, wie sie bald lernt, ist nicht der Weg um die Welten zu verreinen. Unsere Raya und der letzte Drache Kritik zum Disney+ Start.
von Susanne Gottlieb
3. März 2021: In einer Zeit, in der Disneys Animationstudios (sowohl Disney Animation als auch Pixar) in erster Linie zahlreiche Sequels auf den Markt werfen, man denke an Findet Dory, Cars 3 oder Chaos im Netz, ist es immer umso wunderbarer, wenn dazwischen ein geglücktes Original auf den Markt kommt. Raya und der letzte Drache ist eine kulturell sensiblere Darstellung asiatischer Figuren im Gegensatz zu beispielsweise Mulan 1998. Der Film beweist, dass das Studio nach wie vor in der Lage ist, wunderbare Geschichten zu erzählen.
Zwar mag der Film nicht das Potenzial haben zum kommerziell ausschlachtbaren Kultwerk aufzusteigen, aber das lässt das Ganze auch so frisch und unverbraucht wirken. Hier wird einfach nur eine spannende und einfühlsame Story erzählt, die uns für einige Momente in ferne fantastische Welten entführt. Statt im Kino muss dieser Film leider wie so viele vor ihm nur im Streaming Angebot starten. Er ist daher ab dem 5. März auf Disney+ abrufbar. Allerdings – so wie schon Mulan (hier unser Review) – nur mit extra VIP-Zugang. Ob es sich lohnt, die 21,99 Euro dafür locker zu machen, liest du in unserem Review.
Die junge Raya (Kelly Marie Tran) wohnt in der fragmentierten Welt von Kumandra, einer Fantasieversion des südostasiatischen Raums. Der Film legt nie ganz fest, ob diese irdischer Natur sein soll, oder eine Parallelwelt. Klar ist aber, hier ist Magie am Werk, denn die Bewohner haben Jahrhunderte mit Drachen in Frieden gelebt. Diese Drachen haben sich vor hunderten Jahren geopfert, um den Einfall der bösen Druun, einer mystischen dunklen Kraft, die alle Menschen in Stein verwandelt, zu stoppen.
Daraufhin zerfielen die Einwohner Kumandras in mehrere konkurrierende Stämme. Rayas Vater Chief Benja (Daniel Dae Kim) lädt alle Stämme ein, um über einen möglichen Frieden und eine Wiedervereinigung zu reden. Das Treffen endet aber katastrophal. Die anderen Clans wollen nur an das Drachenjuwel, den mystischen Artefakt mit dem die Drachen die Druun besiegten. Als dieser zerbricht, wandeln die Druun erneut über die Welt.
Raya, die ihren Vater an seine Steinifizierung verlor, hat es sich nun zur Aufgabe gemacht den mystischen Drachen Sisu (Awkwafina) zu finden. Sie will sie erwecken und mit all den zerbrochenen Teilen des Drachenjuwels die Druun erneut verjagen. Während die Wiedererweckung Sisus ein Leichtes zu sein scheint, steht Raya bald vor ganz anderen Herausforderungen. Verfolgt werden sie und ihre kleine, sich akkumulierende, Bande von Outcasts aus allen möglichen Clans von der energischen Prinzessin Namaari (Gemma Chan). Deren Clan will verhindern, dass die Druun erneut verschwinden. Doch Sisu ist überzeugt, dass ohne Zusammenhalt die Druun nie aufgehalten werden können. Raya, aufgewachsen in einer Welt von Misstrauen und Verrat, wird sich hier aber nicht so leicht tun.
Im Gegensatz zu früheren Versuchen, die Kultur Asiens in einem Kinderfilm einzufangen, geht Disney diesmal sensibler mit seinem Weltenbilden und Figuren um. So werden diesmal ausnahmslos alle Charaktere von asiatisch-stämmigen Schauspielern gesprochen. Neben Tran, Kim, Chan und Awkwafina sind unter anderem die Stimmen von Benedict Wong, Sandra Oh, Lucille Soong oder Ross Butler zu hören. Einzige Ausnahme ist Alan Tudyk, der offenbar als Stimme der zahlreichen Tiere langsam einen Stammplatz hat.
Neben dem diversen Cast schafft Disney hier auch eine wunderbare weibliche Hauptfigur. Raya darf stark sein, ohne ihre Feminität zu verlieren. Sie lernt keinen Mann kennen, ihr Ziel ist allein ihre Welt zu retten und sich um ihre Findeltruppe zu kümmern. In einem fortwährenden komödiantischen Schlagabtausch mit Awkwafinas Sisu lehnt es der Film auch ab, Raya als die emotionslose verhärtete Heldin darzustellen und Sisu nur als den albernen “fish out of the water” wiedererwachten Drachen, der doch nicht so mystisch-weise-mächtig ist wie zunächst erwartet. Vielmehr nährt sich ihre Beziehung vom wechselseitigen Spiel der Kräfte, in der sowohl einmal Raya als auch einmal Sisu die Stimme der Vernunft ist.
Raya ist außerdem ein weiterer Beweis dafür, dass sich animierte Kinderfilme langsam von dem Trick der 2000er und frühen 2010er Jahre wegbewegen, allzu viel schlüpfrige Anspielungen für ältere Generationen zu bieten. Der Film missversteht sich auch nicht als Gagreel für die Autoren, eine Tendenz der letzten Jahre Kinderfilme zu oft mit absurden Humor zuzupacken. Wo sie vielleicht ein wenig zu sehr auf die Tube gedrückt haben, ist die Anzahl an niedlichen Sidekicks, die Raya auf ihrer Reise begleiten. Neben einer erhöhten Anzahl an Tierchen gibt es diesmal auch ein geistig sehr vorangeschrittenes Baby. Raya zieht somit mit einer ganzen Knuddelarmee in den Krieg gegen die Druun.
Eines der beeindruckendsten Elemente des Films bleibt aber das Weltenbilden der Regisseure Don Hall und Carlos López Estrada. Mit viel Liebe zum Detail, bunten Farben und einer abwechslungsreichen Landschaft gelingt eine romantisierte Vision eines lang vergangenen Asiens, ohne aber im Kitsch zu versinken. Disney hält sich erneut brav an die Vorgaben eines asiatischen Drachens, klein und schlangenartig. Jedoch wirken Sisu und ihre Artgenossen manchmal etwas zu kitschig und Kuscheltier inspiriert.
Die Botschaft, man müsse einander vertrauen und zusammenarbeiten, mag in manchen Momenten vielleicht etwas zu aufgetackert wirken. Doch gerade in diesen Zeiten kann uns gar nicht genug daran erinnern, wie wichtig überpateiliche Denkweisen und Kooperation sind. Und es wäre natürlich kein Disneyfilm, wenn diese Botschaften nicht auch auf simple, aber effektive Weise zum emotionalen Happy End führen würden.
Raya mag manchmal etwas zu offensichtlich in seiner Mission sein und gewisse Disney Klischees auch zum Maximum ausreizen. Trotzdem ist es ein wunderbarer, phantastischer Ausflug in eine visuell umwerfende Welt, die sich auch eher an die älteren Kinder richtet als an die ganz kleinen. Man kann hoffen, dass sich Disney vielleicht in Zukunft öfter an “Kinder-Actionfilmen” versucht.
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Bilder: © 2021 Walt Disney Animation
Susanne Gottlieb schreibt als Filmjournalistin für die Helden der Freizeit, Kleine Zeitung, NZZ, Standard, TV Media, Filmbulletin, Cineuropa und viele mehr. Sie arbeitet im Filmarchiv Austria, berichtet von diversen Filmfestivals und hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert.