Mit Lupin liefert Netflix eine weitere hochkarätige europäische Thrillerserie, die dem cleveren wie charmanten Gauner auch einen ambivalenten Charakter verleiht. In der Kritik verraten wir, warum wir uns schon auf Teil 2 der neuen französischen Netflix-Serie freuen.
8. Jänner 2021: Grandiose Trickdiebstähle, ein sympathischer Hauptdarsteller und eine spannende Geschichte. Die neue Netflix-Serie Lupin, die seit dem 7. Jänner 2021 läuft, hat alles was es braucht, um in den Olymp anderer erfolgreicher europäischer Serien wie Haus des Geldes oder Dark aufzusteigen. Omar Sy (der Star aus Ziemlich beste Freunde) glänzt im ersten Teil der modernen Netflix-Adaption über den französischen Meisterdieb. Die Figur aus den Romanen von Maurice Leblanc wird in der Literatur auch gerne als Gegengewicht zu Sherlock Holmes gesehen. Warum wir uns nach Ansicht von Teil 1 schon jetzt auf die cleveren Taschenspielertricks des sympathischen Gentleman-Diebs in Teil 2 der Serie freuen.
Assane Diop (Omar Sy) schlüpft in viele Rollen: Reinigungskraft, liebevoller Vater oder millionenschwerer Internet-Mogul, der unbedingt die weltberühmte Kette der Königin erstehen will. Vor allem aber ist er eines: Ein meisterhafter und raffinierter Trickdieb, der immer bekommt, was er will. Auch, wenn es ein schwerbewachtes Diamanten-Collier bei einer Versteigerung im Louvre ist. Sein größtes Vorbild: Arsène Lupin, der weltbekannte Gentleman-Gauner aus der französischen Literatur.
Dabei verbindet ihn etwas ganz Besonderes mit dem Meisterdieb: Denn Assanes Vater gab ihm als allerletztes Geburtstagsgeschenk das Buch mit Lupins Abenteuern. Kurz darauf erhängte er sich in seiner Gefängniszelle, in die er zu Unrecht gesperrt wurde. 25 Jahre später macht sich Assane daran aufzudecken, wer wirklich hinter dem Verbrechen steckt, das seinem Vater angehängt wurde. Und er tut das auf die einzige Art, die er kennt: Mit cleveren Diebstählen. Doch dabei gerät er nicht nur ins Visier der Polizei.
Wer einen würdigen Ersatz für Haus des Geldes sucht, wird bei Lupin fündig. Der große Unterschied: Statt mit Waffen in eine Zentralbank einzumarschieren, setzt der französische Meisterdieb auf Subtilität. Ein Ablenkungsmanöver jagt das nächste, während Assane lässig den Tatort verlässt. Die Polizei folgt unzähligen falschen Fährten, die sich im Sand verlaufen. Die Dynamik, mit der der charmante Gauner seine minutiös geplanten Raube exekutiert, ist unglaublich befriedigend mitzuverfolgen.
Und trotzdem fiebern wir mit ihm mit. Das liegt nicht zuletzt an der Erzählstruktur der Serie, die an klassische Krimis erinnert. Denn während wir zunächst nur den Raub in vollem Gang miterleben, klärt uns Lupin erst zum Schluss über den cleveren Plan auf, den Assane ausgeheckt hat. So bleiben wir immer gespannt, ob unser sympathischer Dieb auch wirklich wohlbehalten aus dem nächsten Raubzug hervorgeht.
Und bei seinen Diebstählen täuscht er nicht nur seine Opfer, sondern uns Zuschauer gleich mit. Denn viele seiner Taschenspielermoves sind so schnell und elegant durchgeführt, dass sie uns erst im Nachhinein in einer Rückblende ganz klar werden. Diese Unvorhersehbarkeit ist sehr erfrischend, wenn man bedenkt, wie offensichtlich in den meisten heutigen Shows Handlungsbögen sind. Dabei wird in Lupin nicht einmal der Trick selbst sonderlich intensiv verborgen. Vielmehr wird nur in Schlüsselszenen vom Offensichtlichen abgelenkt. Die Lösung liegt immer direkt vor unseren Augen.
Dass seine Trickdiebstähle aufgehen, liegt nicht zuletzt dran, dass er sich den Rassismus seines Umfelds zunutze macht. Als Reinigungskraft fällt er niemandem auf. Aber wenn er bei einer Auktion mitbietet, wird zunächst einmal gegoogelt, ob er wirklich reich ist. Und trotzdem: Niemand erinnert sich bei den Täterbeschreibungen so recht, wie genau er denn jetzt aussieht. Nur bei seiner Hautfarbe sind sie sich alle sicher. So kommt es, dass die Polizei erst viel zu spät ein genaues Phantombild von ihm erstellen kann. Und sogar dann tut sie sich schwer darin, ihn zu erwischen. Assane flutscht jedem Verfolger wie ein Fisch durch die Finger. Seine Menschenkenntnis und Spitzfindigkeit, genau die rassistischen Tendenzen seiner Opfer zu identifizieren, die ihm nützen, sind aber nicht zuletzt in seiner Vergangenheit begründet.
In Rückblenden erleben wir, wie Assane und sein alleinerziehender Vater aufgrund ihrer senegalesischen Herkunft immer wieder Anfeindungen erfahren. Sei es die Frau des Arbeitgebers, die beim Anblick der beiden erstmal die Zentralverriegelung ihres Autos betätigt. Oder zum späteren Zeitpunkt in der Privatschule, wo Assane erstmal gehässig gefragt wird, was so einer wie er denn überhaupt dort zu suchen hätte. Dabei nehmen die Flashbacks nie zu viel Raum in der Gesamterzählung ein, sondern liefern genau die richtige Menge Kontext, um seine Beweggründe nachvollziehbar zu machen.
Dass für die Netflix-Produktion gerade Omar Sy in die Hauptrolle schlüpft, ist mehr als ein Glücksfall. Denn der sympathische Schauspieler aus Ziemlich Beste Freunde haucht Assane genau das richtige Maß an Wärme ein, um ihn vom ruchlosen Gauner zum Gentleman-Dieb zu wandeln. Und trotzdem vergisst er nicht, ihm auch eine obsessive Seite einzuhauchen. Assane bleibt unzurechenbar und übertritt in seiner Suche nach Rache immer mehr ethische Grenzen.
Gleichzeitig exekutiert Sy den verschmitzten, siegreichen Blick nach einem erfolgreichen Raub so perfekt, dass wir ihm nichts übelnehmen können. Er wird seinen Opfern gegenüber niemals grob. Die meisten bekommen es nicht einmal mit, dass sie ausgeraubt werden. Kein Foltern, keine Gewalt, all seine Tricks werden so durchgeführt, dass niemand langfristigen körperlichen (wohl aber finanziellen) Schaden davonträgt.
Wenn es sein muss, kann er aber auch ordentlich austeilen und seine Gegner mit eleganten Bewegungen außer Gefecht setzen. Dabei kann er eine ganze Bandbreite an Charakteren spielen und sich schauspielerisch voll ausleben. Denn auch der Meisterräuber schlüpft von einer Rolle in die nächste. Mal ist er der Hipster mit Brille und Beanie, mal ist er ein am Stock gekrümmt gehender, alter Mann. Im Endeffekt spielt Sy also nicht nur eine Figur, sondern viele, ohne dabei jemals zu straucheln.
Mit Lupin bietet Netflix eine spannende Thrillerserie, die nicht nur einiges an Action bereithält, sondern auch zum Miträtseln einlädt. Omar Sy stellt den cleveren und sympathischen Meister-Dieb, der alle (inklusive Zuschauer) wieder und wieder an der Nase herumführt und uns damit begeistert. Sehempfehlung für alle Fans von Sherlock Holmes oder Haus des Geldes!
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Bilder: ©Emmanuel Guimier/Netflix
Die Journalistin ist bei Videospiel-Tests und Wien Guides voll in ihrem Element. Seit 2021 verstärkt sie die Redaktion des KURIER.