My City ist das perfekte Spiel für die Feiertage oder den nächsten Urlaub. Ein einfaches Grundprinzip sorgt für Familienfreundlichkeit, die verschiedenen Kapitel für Langzeitmotivation bei Strategen. Wie das preisgekrönte Game von Reiner Knizia (lies hier unser Interview mit dem weltrekord-verdächtigen Spieleerfinder) funktioniert, für wen es gut geeignet ist und wie du es mit unseren Tipps auch im Legacy-Modus mehrmals spielen kannst – das alles erfährt ihr in unserem My City Brettspiel-Test.
von Christoph König
Gerade in den Feiertagen sind Brettspiele in der Familie besonders beliebt. Da bietet sich ein Spiel an, das einsteigerfreundlich und nicht zu kompliziert ist, das aber auch über mehrere Tage Motivation bietet. My City von Kosmos (nominiert zum Spiel des Jahres 2020) bringt diese Eigenschaften mit. Denn es ist nicht nur mit einfachen Regeln sehr zugänglich, es ist auch ein sogenanntes Legacy-Spiel. Das sind Spiele, die über eine längere Zeit eine Geschichte erzählen und dabei beispielsweise mit dem Aufkleben von Stickern ihre Gestalt verändern. Das erhöht die Langzeitmotivation und Spieldauer einer Partie enorm, verringert aber den Wiederspielwert, weil es (theoretisch) nur einmal spielbar ist.
Diese Charakteristik als Wegwerfprodukt dürfte gerade Menschen, die auf Nachhaltigkeit achten, nicht so gut gefallen. Entwarnung vorweg: My City bietet auch einen “Ewigen Modus”. Kann also auf Dauer im Spielregal landen. Wie funktioniert es? Wieviel Spaß macht es? Erlaubt das Material ein mehrmals spielen im Legacy-Modus, auch wenn es generell nicht dafür ausgelegt ist? Das alles erfahrst du in unserem My City Brettspiel Test.
Helden-Tipp! Wenn dich Kampagnenspiele interessieren, wirf unbedingt auch einen Blick auf Die Abenteuer des Robin Hood.
Das Spielprinzip ist super simpel. Bei My City erhält jeder Spieler ein Spielbrett mit Landschaftsraster, einer Zählleiste für Fortschrittspunkte und Rundenpunkte und 24 Gebäude-Teile (Polyominos wie bei Tetris) in 3 Farben. Zunächst gibt er seiner Stadt einen Namen, den er links oben einträgt. In der Tischmitte liegt ein verdeckter Stapel mit 24 Karten. Davon wird jeweils eine aufgedeckt. Sie zeigt immer das Gebäude-Teil an, das nun jeder Spieler auf seine Landschaft legen muss. Dabei muss er das erste an den Fluss anlegen und jedes weitere an ein schon ausgelegtes Gebäudefeld seiner Wahl. Wald und Gebirge dürfen (zunächst) nicht bebaut und der Fluss nicht überbaut werden. So entsteht bei jedem seine eigene Stadt.
Das Ziel ist es, die Teile so zu legen, dass sie schön aufeinander passen und möglichst keine grünen Wiesenfelder frei bleiben. Weil die bringen einem am Ende Minuspunkte ein. Außerdem gilt es Felsen zu überbauen (bringen nach jedem Spiel auch Minuspunkte) und Baumfelder möglichst freizulassen (denn die bringen Pluspunkte). Ist der Platz nicht gut genützt, kann es außerdem sein, dass man Gebäudeteile nicht mehr unterbringt. Dann muss man eine Spielrunde vorzeitig beenden oder kann “passen” und das Teil nicht einbauen. Das bringt allerdings sofort einen Minuspunkt. Wer am Ende einer Spielrunde die meisten Punkte hat, gewinnt diese und erhält zwei Fortschrittspunkte. Der zweitplatzierte einen und die weiteren keinen. Wer nach allen 24 Spielrunden die meisten Fortschrittpunkte hat, gewinnt das gesamte Spiel.
Soweit so einfach. Das Besondere ist nun, das “My City” aus 8 Kapitel mit je drei Spielrunden besteht. Man fängt mit seinem Städtebau also 24 Mal von vorne an und rechnet 24 mal ab, wer die Spielrunde gewonnen hat. Hört sich sehr repetativ an, ist es aber nicht, weil es für jedes Kapitel ein eigenes Kuvert mit Zusatzregeln, Pickerln und Teilen gibt, die die Grundregeln Schritt für Schritt erweitern und das Spiel mit der Zeit immer komplexer machen. Die drei Spielrunden eines Kapitels haben dabei nur geringe Regelunterschiede. Es empfiehlt sich daher für ein rundes Spielerlebnis, immer ein oder zwei Kapitel auf einmal zu spielen.
Damit kein Spieler zu schnell davon eilt, gibt es ein Aufholsystem. Wer ein Spiel gewinnt, bekommt (im wahrsten Sinne des Wortes) Steine in den Weg gelegt und muss beispielsweise Felsen auf seinem Spielbrett einbauen, während der letzte noch mehr Bäume als Hilfe bekommt.
Auf der Rückseite der normalen Landschaftskarte findet sich ein Spielbrett für das ewige Spiel. Dies entspricht den Spielregeln der zehnten Spielrunde. Daher empfiehlt es sich zuerst das Legacy-Spiel zu absolvieren, denn dann kennt man die Regeln bereits und wird so auch nicht durch den ewigen Modus gespoilert, was einen in den ersten 10 Spielen im Legacy-Modus erwartet.
Wir haben My City für unseren Test zu zweit gespielt, werden es aber auch zu dritt oder viert noch probieren. Und so war unser Eindruck:
Optisch ist das Spiel sehr schön und stimmig gestaltet, sowohl außen als auch innen. In den beigelegten Plastikbags sind die Teile der vier Spieler praktisch zu verstauen. Bereiche zum Einschlichten wären optisch freilich eine noch hübschere Lösung. In acht weißen Kuverts sind die Regeln für jedes Kapitel mit den eigenen Teilen und Stickern enthalten. So lassen sich die kleinen Erweiterungen auch nach der Partie wieder schön auseinander sortieren.
Für die erste Partie ist das Spiel extrem flott aufgebaut und wegen den einfachen Regeln sehr zugänglich und familienfreundlich. Mit den weiteren Kapitel wird es dann doch spürbar komplexer. Dadurch, dass aber immer nur wenige Regeln hinzukommen, lernt man das Spiel Schritt für Schritt kennen, ohne sich gleich einmal durch einen Regelwälzer kämpfen zu müssen. Das ist sehr angenehm und so schafft es My City einerseits sehr familienfreundlich zu sein und andererseits mit seinem Legacy-Prinzip für Langzeitmotivation bei erfahrenen Brettspielern zu sorgen. Kleinen Kindern ist es wegen der zunehmenden Komplexität aber nicht zu empfehlen.
My City bedient sich schon bestehender Prinzipien, wie von Tetris oder Städteaufbauspielen, und kombiniert sie geschickt. Es erzählt zwar keine große Geschichte wie andere Legacy-Spiele, die Industrialisierung einer Stadt wird einem durch die verschiedenen Kapitel aber schön nähergebracht.
Für ein Spiel mit so vielen Mini-Erweiterungen ist es erstaunlich gut ausbalanciert. Praktisch jede Runde verläuft spannend. Das Aufholsystem sorgt für etwas mehr Ausgeglichenheit, belohnt den Verlierer aber nicht so stark, dass es unfair erscheint. Einzig das Kapitel mit den Kirchen ist hier eine Ausnahme. Denn hier erhält der Gewinner für das gesamte weitere Spiel einen größeren Kirchenteil, was bei der später immer größeren Platznot sehr stark ins Gewicht fällt. Denn Kirchen müssen im Gegensatz zu den anderen Teilen immer eingebaut werden.
Bei uns fiel die Entscheidung über den Gesamtsieg erst in der allerletzten Runde. Allerdings ist es sicher von Vorteil, wenn man sich bei My City gegen in etwa gleichstarke Brettspieler matcht.
Die Langzeitmotivation ist durch die Kapitel sehr hoch. Einserseits ist man gespannt, was im nächsten Kuvert steckt, andererseits sorgen die immer etwas anderen Regeln für willkommene Abwechslung im “Städte-Tetris”. So ist das Spiel auf dem Papier für viele Spieleabende konzipiert – hier wird mit 24 Partien zu a 30 Minuten, also 12 Stunden gerechnet. Wenn man nicht allzusehr trödelt, ist ein Kapitel aber schon in etwa einer Stunde abgeschlossen. Somit lässt sich My City an einem Wochenende gut durchspielen.
Perfektionisten haben mit My City sicher ihre Probleme, denn schon nach ein paar Kapiteln sorgen der begrenzte Platz und die verschiedenen Aufgaben dafür, dass man Kompromisse eingehen muss. Außerdem kommt gefühlt immer im schlechtesten Moment ein Teil zum Verbauen, das man gerade gar nicht brauchen kann. Gerade die Kirchen, die man verbauen muss ohne zu passen, können da schon für ordentlich Probleme sorgen.
Das ewige Spiel ist relativ schnell abgeschlossen. Somit hält sich hier der Wiederspielwert in Grenzen. Ganz anders ist es beim Legacy-Modus. Auch wenn man die Kapitel schon kennt, möchte man sich gerne noch einmal dem Duell stellen und es dann vielleicht auch mit einer anderen Spieleranzahl probieren. Aber geht das? Wir sagen: Jein. Unser Tipp dazu am Ende des Artikels.
My City ist ein toller Einstieg für alle, die Legacy-Spiele noch nicht kennen und schafft einen erstaunlichen Spagat. Denn es ist sowohl als simples Familienspiel als auch für fortgeschrittene Spieler tauglich. Wer am Tetris-Prinzip Gefallen findet und ein Brettspiel sucht, bei dem sich eine Partie über mehrere Urlaubs- oder Feiertage zieht, kann bedenkenlos zugreifen. Wir sind sogar der Meinung, dass sich dieses Spiel von Reiner Knizia den Titel Spiel des Jahres eher verdient hätte, als Keltis, für das er 2008 den Preis erhielt.
Die 8 Kapitel sorgen für ordentlich Langszeitmotivation. Da und dort gibt es Frustmomente (ausgerechnet wegen den Kirchen schickt man gerne mal ein paar Flüche in den Himmel). Dann nämlich, wenn die Teile genau zum falschen Zeitpunkt auftauchen. Aber nachdem alle Spieler irgendwann mit diesem Problem konfrontiert sind, ist es verkraftbar. Das Aufholsystem ist vielleicht nicht jedermanns Sache, weil es eben nie ganz fair ist, wenn man fürs Verlieren belohnt wird. Dass jeder an seiner eigenen Stadt bastelt, sorgt dafür, dass alle am Tisch immer beschäftigt sind. Zunächst nur mit sich, was der Interaktion schadet. Nachdem man im späteren Verlauf aber bei bestimmten Bauaufträgen direkt konkurriert (zum Beispiel beim Goldschürfen oder Minen und Schienen bauen) erhöht sich die Kommunikation. Auch, weil der andere gerne mal rüberspechtelt und mit seinem Zug abwartet, was der andere macht.
Erstaunlicher Fact: My City ist eines von über 800 Spiele von Reiner Knizia – die außergewöhnliche Geschichte des produktivsten Spieleautors der Welt kannst du hier nachlesen.
Name: My City
Autor: Reiner Knizia
Spieler: 2-4
Alter: Ab 10 Jahren
Verlag: Kosmos
Preis: 34,99 Euro
Die 6 besten Harry Potter Spiele
Mission ISS – ein kniffliger, lehrreicher Weltraum-Trip
Helden-Tipp! Hier findest du unsere weiteren Brettspiel-Tipps des Monats
Die 17 besten Reisespiele
Die coolsten neuen Versionen von Spiele-Klassikern
Würfel- und Kartenspiel-Tipp: Raise
Alle Fotos: (c) heldenderfreizeit.com
Der Chefredakteur der Helden der Freizeit hat das Onlinemagazin 2016 ins Leben gerufen und ist seit 2000 als Sportjournalist im Einsatz. Bei heldenderfreizeit.com ist er spezialisiert auf actiongeladene Outdoor-Aktivitäten, Ausflüge, Videos, Spiele, Filme, Serien und Social Media.