Mit The Prom präsentiert uns Netflix ein Musical-Drama, das zwar nicht in jeder Hinsicht perfekt ist. Aber seine kleinen Makel macht es mit sehr viel Herz, wunderschönen Songs und einer riesigen Ladung Broadway-Glamour wett. Unsere Kritik.
Von Sophie Neu
11. Dezember 2020: Gefühlt hat dieses Jahr kein Produzent so viel auf Netflix veröffentlicht wie Ryan Murphy. Egal ob bei Hollywood, Ratched oder The Boys in The Band – der Produzent hat überall seine Finger im Spiel. Und optisch sind durch die Bank alle seiner Produktionen von 2020 mehr als gelungen. Auch bei The Prom verhält es sich konsequenterweise nicht anders. Wenn Meryl Streep und James Cordon durch New York tanzen, dann schwappt das glitzernde Dasein der Broadway-Stars durch den Bildschirm ins heimische Wohnzimmer über. Vor allem aber bietet die Verfilmung des erfolgreichen Feelgood-Musicals eines: Ganz viel Herz. Unsere Review zum neuen Netflix-Hit, der ab heute verfügbar ist.
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Die Karrieren der Broadway-Stars Dee Dee (Meryl Streep), Barry (James Cordon), Angie (Nicole Kidman) und Trent (Andrew Rannells) stehen auf der Kippe. Zu oft sind sie durch selbstsüchtige Eskapaden auf und abseits der Bühne negativ aufgefallen. Um ihren Ruf zu retten, wollen sie etwas Gutes tun. Da kommt ihnen das Schicksal der jungen Emma (Jo Ellen Pellman) gerade recht. Die will eigentlich nur ihre feste Freundin Alyssa (Ariana DeBose) mit auf den Abschlussball ihrer High-School nehmen. Aber die homophobe Elternvereinigung des kleinen Orts in Idaho verweigert Emma wegen ihrer sexuellen Orientierung die Teilnahme am Fest. Schnell finden sich die glamourösen Musical-Darsteller im Städtchen ein um sich als Aktivisten zu versuchen. Aus ihrem PR-Projekt wird aber schnell mehr. Denn Emma wächst den Stars so richtig ans Herz.
Schon in den ersten Minuten von The Prom werden wir vom Glitzer und Pomp des Broadways überrollt. Spätestens wenn Streep singend mit einer ganzen Schar an Tänzern durch eine glamouröse Bar steppt wird uns klar: Das hier ist eine ziemlich grandiose Umsetzung eines Musicals. Von den Sets bis hin zu den Acts wähnt man sich als Zuschauer immer in einer Bühnenshow. Hier wird erst gar nicht versucht, subtil zu sein oder ein möglichst lebensnahes Filmerlebnis zu kreieren. Stattdessen leuchtet das Wohnzimmer von Emma während Kidmans Gesangseinlage plötzlich in den wildesten blauen und pinken Neontönen. Und auch das Büro des Schulrektors hat Schiebetüren, die Streep blitzschnell öffnet, um mehr Raum für ihre Stimme und Tanzeinlagen zu schaffen.
Das glamouröse Dasein der Prominenten setzt sich bis ins kleinste Detail fort. Sei es das knallige Outfit oder das noch knalligere Auftreten der Diven. Der Film delektiert jede Szene, in der ihr Hochmut und ihre Weltfremdheit mal wieder so richtig offensichtlich wird. Mal setzt Streep in Primadonnen-typischer Anspruchshaltung gleich mehrere ihrer Auszeichnungen vorm ratlosen Rezeptionisten eines Mittelklasse-Hotels ab, um den Schlüssel zu einer (nichtexistenten) Suite aus ihm herauszupressen. Mal verlangt Trent naivst und voller Inbrunst beim Monster-Truck-Derby per schmalzigster Songeinlage, dass die ziemlich derben Zuschauer dort toleranter und weltoffener sein sollten.
Aber all der Glanz der Broadway-Stars, stellt die eigentliche Heldin der Geschichte leider in den Schatten. Auch wenn wir immer wieder ein paar Eindrücke von Emma und ihrem Leben mitbekommen, so bleibt ihre Story doch eher der Backdrop der persönlichen Dramen von Dee Dee und Co. Das ist durchaus schade, denn ein bisschen mehr von der heimlichen Liebesgeschichte zwischen ihr und Alyssa, der Tochter der Leiterin der Elternvereinigung, hätte The Prom richtig gutgetan.
Stattdessen werden wir mit sehr schönen und schmissigen, aber leider wenig zuträglichen, Szenen und Gesangseinlagen abgespeist, die sich auch in Murphys Glee oder Disneys Highschool Musical sehr gut gemacht hätten. All das sorgt für ordentlich Laune, schlittert aber am Ziel vorbei, Emma mehr Charakter zu verleihen. So wie Barry zunächst ihren Wunsch nach einem Vintage-Kostüm für den Abschlussball ignoriert und sie stattdessen im (sehr hübschen, aber nicht ihren Vorlieben entsprechenden) Tüllkleid à la Frozen auf die Tanzpiste schicken will – so setzt sich der Film insgesamt auch in großen Teilen darüber hinweg, was Emma eigentlich will.
Erst zum Schluss kommt es endlich zum Umbruch. Leider zu spät für die Liebesgeschichte von Emma und Alyssa, denen ein paar intime Momente mehr gut getan hätten. Sehr abrupt passiert auch der Umschwung der Broadway-Stars von PR-Getriebenen zu altruistischen Menschen. Hier erwartet man eigentlich eine langsame Entwicklung. Aber stattdessen präsentiert uns der Film von einem Augenblick auf den anderen eine geläuterte Dee Dee, die sogar ihr Haus in den Hamptons für das Glück von Emma opfern will.
Trotzdem ist es gerade Meryl Streep, die mal wieder allen anderen Darstellern die Show stiehlt. Da kommt ihr Charakter Dee Dee gerade recht, der keinen Hehl daraus macht, dass er seinen Wert kennt. Spätestens wenn Streep verschmitzt singt „It’s not about me“, wechselt The Prom in die Meta-Ebene und macht uns allen klar: Hier dreht sich eigentlich alles um Streep. Mit unvergleichlichem Pepp schmeißt sie den Laden und sorgt bei jeder ihrer Nummern für ein unwillkürliches Lächeln im Gesicht.
Mit The Prom bringt Ryan Murphy zum Ende eines schweren Jahres genau das Musical-Drama zu uns nach Hause, das wir gerade alle brauchen. The Prom strahlt aus jeder einzelnen Filmeinstellung gute Laune aus, so dass man beim Abspann garantiert lächelnd dasitzt. Kleinere Patzer beim Fokus und beim Tempo der Erzählung können diesem glamourösen Feelgood-Film am Ende nichts anhaben.
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Bilder: ©Melinda Sue Gordon/Netflix
Die Journalistin ist bei Videospiel-Tests und Wien Guides voll in ihrem Element. Seit 2021 verstärkt sie die Redaktion des KURIER.