Der letzte X-Men Film unter der ehemaligen Fox und Simon Kinberg Vorherrschaft ist genauso unspektakulär und uninteressant wie die anderen letzten Veröffentlichungen des sterbenden Franchise. Unsere The New Mutants Filmkritik.
von Susanne Gottlieb
10. September 2020: Viele haben es schon vor einem Jahr bei Dark Phoenix gesagt: Ein Jammer, wie ein so den Geist seiner Zeit bestimmendes Franchise so enden konnte. Damals dachten jedoch noch viele, dass die Neuerzählung von Jean Greys Leidensweg die letzte Inkarnation der Marvel-Mutanten auf der Leinwand sein würde. New Mutants, der Auftakt einer neuen geplanten Filmreihe von Josh Boone, lag da bereits seit 2017 im Tresor und war mehrmals verschoben worden. Der Konsens war, im Kino (wenn überhaupt) würde den Film niemand mehr zu Gesicht bekommen.
Aber Corona sei Dank, könnte man fast sagen, waren die Filmstudios nun in der Situation, die halbleeren, sicherheitsbedingt schwer regulierten Säle mit Ware zu füllen, die entweder nicht sonderlich teuer oder finanziell verlusttauglich war. Auftritt New Mutants. Heute kommt der Film bei uns ins Kino. Und wahrlich – der Reiz ist schlussendlich nur, ihn doch noch einmal gesehen zu haben. Denn gut ist es nicht, was man da zu sehen bekommt.
Die junge Native American Dani Moonstar (Blu Hunt) muss miterleben, wie ihr Vater in ihrem Reservat von einer übernatürlichen Kreatur attackiert wird und stirbt. Nachdem sie aus ihrer Ohnmacht aufwacht, findet sie sich in einer seltsamen Einrichtung wieder, die ihr angeblich helfen will ihre noch unbekannten Mutantenkräfte unter Kontrolle zu bekommen und vielleicht eines Tages den X-Men beizutreten.
Neben der Leiterin Cecilia Reyes (Alice Braga) lernt sie auch vier andere jungen Mutanten kennen. Rahne (Maisie Williams) kann sich in einen Wolf verwandeln. Sam (Charlie Heaton) hat die Energie eines Kanonenballs Robert (Henry Zaga). Und Illyana (Anya Taylor-Joy) kann interdimensional reisen und schwingt das Schwert.
Als wäre die Einrichtung nicht schon mysteriös genug, beginnen auch bald unheimliche Ereignisse jede einzelne der Figuren heimzusuchen. Urängste, traumatische Erinnerungen brechen hoch, Leben sind in Gefahr. Und dann ist da auch noch die Frage, warum die fünf Mutanten wirklich in diesem Krankenhaus sind.
Gleich vorweg, das so groß angeteaserte Mysterium ist schnell gelöst. Regisseur Josh Boone, der auch das Drehbuch geschrieben hat, beweist kein Händchen darin, den Zuschauer lange raten zu lassen, was dann auch die Qualität des Horrors irrsinnig schnell mindert. Insgesamt scheint Boone sich auch nicht so recht sicher gewesen zu sein, was für einen Film er drehen wollte. Das Ganze ist nie so recht vollwertiger Horror und flirtet mit der Idee eines klassischen X-Men-Films. Coming-of-Age-Aspekte sind auch eher etwas unbeholfen eingewoben.
Auch wenn versucht wird die Charaktere irgendwie aufzubauen und einem näher zu bringen, immerhin winkte zunächst noch ein Sequel, so richtig vertraut werden sie dem Zuschauer nicht. Sie dienen eher primär dem Ziel, sie alle einem nach dem anderen einem Horrortrip auszusetzen. Und sie am Schluss, klassisch X-Men, noch ein wenig kämpfen zu lassen. Das Einzige, was man wirklich von den Figuren mitnimmt, ist die reale Kontroverse, dass die Figur des Roberto nicht mit einem POC-Schauspieler (Person of Color) besetzt wurde.
Was hingegen ein wenig Spaß macht, sind die eindeutig jüngeren Versionen von Heaton, Taylor-Joy oder Williams, die auf der Leinwand wirklich das Beste aus ihrem Material machen. Und: die doch ganz unterhaltsamen Kampfszenen. Taylor-Joy interdimensional mit leuchtenden Augen, glühendem Schwert und dem Drachen Lockheed auf der Schulter kämpfen zu sehen, ist das Ganze dann schon irgendwie wert. Der Rest fühlt sich gefühlt hundert mal bereits gesehen und von besseren Filmen kopiert an. Ein Film, der im Gegensatz zu Mulan (hier unsere Kritik) eher auf der Streaming-Seite seine Heimat hätte finden sollen.
The New Mutants vermag nicht wirklich Originalität zu bieten oder Interesse beim Zuseher zu wecken. Es ist ein letzter Nachschlag zu einem Franchise, das schon lange seinen Zenit überschritten hatte.
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Susanne Gottlieb schreibt als Filmjournalistin für die Helden der Freizeit, Kleine Zeitung, NZZ, Standard, TV Media, Filmbulletin, Cineuropa und viele mehr. Sie arbeitet im Filmarchiv Austria, berichtet von diversen Filmfestivals und hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert.