Nach acht Jahren Abstinenz war ich wieder Teil des Vienna City Marathon. Mit 32 geht’s nicht mehr ganz so leicht wie mit 24. Fünf Helden-Tipps helfen.
von Manuel Stenger
Am Tag nach dem Vienna City Marathon wirke ich im öffentlichen Bild wie viele anderen Teilnehmer: Die Stufen werden im Seitwärtsschritt erledigt, das Aufstehen gelingt nur mithilfe der Hände und ab und zu gönne ich mir ein lautes Aufstöhnen – um von meinen Mitmenschen das wohltuende Mitleid zu erhalten. „Theatre of emotions“, so das Motto des VCM 2016, und den sterbenden Schwan hab ich sichtlich gut drauf.
Eigentlich halte ich mich für einen halbwegs guten Langstreckenläufer. 2008 habe ich den ganzen Wien Marathon bewältigt. Damals sogar unter vier Stunden, eine Zeit, auf die ich heute noch stolz bin. Da ich in den letzten Jahren zwar gerne, teilweise aber nicht regelmäßig trainiert habe, meldete ich mich diesmal für die halbe Distanz an. Eine gute Entscheidung, wie sich im Nachhinein herausstellte.
6 Uhr Früh: Tagwacheeee!
Ich bin kein Frühaufsteher. Auch nicht am 10. April 2016, als um 6 Uhr morgens der Wecker klingelt. Ein kurzer Blick aus dem Fenster: Wolken und ordentlicher Wind verheißen leider kein optimalen Laufwetter. Egal. Um meinen Magen zu schonen, esse ich zeitig vor dem Marathon. Bananen, Knäckebrot und Müsli: Nach einer ordentlichen Kalorienzufuhr, Dehnübungen und einigen Motivationsvideos schnüre ich meine Schuhe. Auf zur UNO-City – direkt davor auf der Wagramer Straße ist der Startbereich.
“Wir sind alle Helden”
Angekommen, ist bei vielen Läufern die Anspannung deutlich zu spüren. Ich sauge die Stimmung des Events auf . Das Tolle bei einem solchen Laufspektakel ist für mich der Startbereich und der Zieleinlauf. Auf den ersten Kilometern ist die Motivation noch extrem hoch, man kann beim Laufen die Strecke und das Umfeld genießen. Der Moment, wenn du durch’s Ziel läufst ist auf eine andere Art und Weise schön: Schließlich hat man sich ihn auf den letzten Kilometern herbeigesehnt und etwas geschafft, auf das man hingearbeitet hat.
Die einzelnen Blöcke starten im 10-Minuten-Takt. 9.20 Uhr, endlich ist es auch für mich soweit. Mein angepeiltes Ziel ist eine Zeit unter 1:50 Stunden. Ist erst einmal die Wagramer Brücke überquert, läuft sich’s die ersten zwei Kilometer bequem Richtung Prater. Nach dem Riesenrad geht es die Hauptallee entlang, vorbei an der unteren Donaustraße, dann über den Ring hinauf zur Operngasse. Noch sehen die meisten Gesichter ziemlich frisch aus. Auf einem der Werbebanner steht der Slogan: „Wir sind alle Helden“. Wie passend. Noch fühle ich mich recht gut.
Motivation durch die Masse – Vor- und Nachteil zugleich
Bei Kilometer 12 oder 13 macht sich das erste Mal mein Körper bemerkbar. Das Wetter tut sein übriges. Statt Rückenwind ist der Gegenwind dieses Jahr besonders unangenehm und kostet zusätzliche Kräfte. Da wird mir bewusst, dass ich über meinem Tempo gelaufen bin. Bei großen Events wie dem Wien-Marathon tappt man gern in diese Falle. Die Masse zieht Läufer und -innen regelrecht mit. Das kann aber auch ein Vorteil sein, wenn man trotz schwindender Kräfte mit dem Teilnehmerfeld „mitschwimmt“.
Jetzt habe ich auch zum ersten Mal wirklich das Bedürfnis stehenzubleiben. Die Wasserstation bei Kilometer 15 erlöst mich. Die kurze Erholungsphase nutzt aber wenig: Nach mehreren hundert Meter werden meine Beine wieder bleischwer. Vor allem die Gelenke in Knie und Knöchel sind meine Schwachpunkte, Jetzt kommen auch leichte Rückenschmerzen dazu.
Mein Kopf trägt meine Beine
Das letzte Viertel ist für mich die schönste Strecke beim Wiener Halbmarathon, schließlich muss die gesamte Mariahilfer Straße bewältigt werden. Zu Fuß geht man vom Westbahnhof bis zum Rathaus wohl eine Viertel Stunde. Die Kilometer 18 bis 21 fühlen sich aber bis zum Schluss wie eine kleine Ewigkeit an. Es bewahrheitet sich die Weisheit, dass man bei längeren Laufstrecken die ersten drei Viertel mit den Füßen, das letzte Viertel mit dem Kopf rennt. Obwohl meine Beine Stopp sagen, setze ich mit viel Überwindung einen Schritt nach dem anderen. Kurz vor dem Ziel möchte ich fast stehenbleiben, schleppe mich dennoch über die dicke weiße Linie vor dem Burgtheater. Mit einer Zeit von 2:00:30 bleibe ich deutlich unter meinen Erwartungen.
Der Vienna City Marathon bedeutet für viele Läufer den Startschuss in die Marathon-Saison. Wenn man für einen Lauf über eine größere Distanz trainiert, gibt es ein paar wichtige Punkte, die man beachten sollte. Durch meine bisherigen Erfahrungen, aber auch Fehler, rate ich zu folgenden fünf Punkten.
1. Regelmäßiges Training
Im Nachhinein gesehen wäre ein Training nach Plan ratsam gewesen – und ich hätte früher mit meiner Vorbereitung beginnen sollen. Und das, obwohl ich damals über die ganz Distanz wahrscheinlich mit einer schlechteren Vorbereitung angetreten bin. Es klingt vielleicht blöd, aber mit 32 geht’s leider nicht mehr so einfach wie mit 24. Eine ordentliche und regelmäßige Vorbereitung über mehrere Monate ist prinzipiell empfehlenswert, ganz egal, für welche Distanz man sich angemeldet hat. Nicht nur, um mit einer besseren Zeit abzuschneiden, sondern auch aus gesundheitlichen Gründen und um sich die Tage nach dem Marathon halbwegs gut zu fühlen.
Will man den Halbmarathon laufen, sollte man davor ein paar Mal mindestens zwei Stunden laufen, beim Marathon empfiehlt es sich, mehrmals mindestens drei Stunden zu absolvieren. Um immer längere Distanzen zurücklegen zu können, ist es meiner Meinung nach ratsam, immer wieder kleine Pausen während einem Trainingslauf einzulegen oder zwischendurch zu gehen. Es ist also besser, fünf mal drei Kilometer zu laufen und dazwischen kurze Gehpausen einzulegen, anstatt zehn Kilometer durchzumarschieren und dann keine Puste mehr zu haben. So können sich Beine und Gelenke besser auf Steigerungen im Training einstellen. Auf eines sollte man sich aber, wie oben erwähnt, im Vorhinein einstellen: Egal wie viel man trainiert, die letzten Kilometer sind eine mentale „G’schicht“.
2. Ordentliche Ausrüstung
Ein ordentliches Laufgeschäft aufzusuchen, ist sicher ratsam – damit meine ich jetzt nicht unbedingt eine Filiale der großen Sporthandelsketten. In vielen Einzelhandelsgeschäften werden Kunden von aktiven Laufsportlern beraten, die über ausreichend Erfahrung verfügen. Die Verkäufer sind auf ihrem Gebiet Experten und empfehlen dir den zu dir passenden Schuh, je nachdem ob man Vorderfuß-, Mittelfuß, oder Hinterfußläufer ist. Die Preise sind oftmals höher als bei gängigen Sportartikelhändlern, die Qualität wird bei der Beratung praktisch mitgezahlt. Letztendlich ist ein teurer Schuh immer noch billiger als die Behandlung beim Orthopäden. Bei den Laufschuhen gilt die Regel, sie alle 500 Kilometer zu wechseln. Auch die besten Schuhe haben nur eine gewisse Laufzeit (im wahrsten Sinne des Wortes). Der Gesundheit zuliebe sollte man sich nach einiger Zeit ein neues Paar leisten.
3. Leg dir eine Taktik zurecht
Beim Marathon ist die Motivation enorm hoch. Der Strom der Masse verleitet einen dazu ein höheres Tempo zu gehen als es der Körper eigentlich zulässt. Man sollte versuchen, sich anfangs etwas „einzubremsen“. Was hilft es, die ersten Kilometer in Bestzeit zu meistern, wenn einem ab der Hälfte die Puste ausgeht?
Im Vorhinein die Strecke besichtigen und eine Taktik zurechtlegen hilft. In welchem Tempo laufe ich die ersten fünf Kilometer? Wie schnell von Kilometer 20 bis 30? Ratsam ist, die Steigungen der einzelnen Streckenabschnitte zu beachten, die meistens auf der Webseite der jeweiligen Laufveranstaltung eingezeichnet sind. Dies hilft, um Teilziele für die verschiedenen Abschnitte festzulegen und zu wissen, an welchen Stellen es eher schwierig wird, ein hohes Tempo zu gehen. Natürlich ist es empfehlenswert, zu wissen, an welchen Stellen der Strecke sich Verpflegungsstationen befinden.
4. Genügend zeitlicher Spielraum
Drei Stunden vor dem Start sollte man als Teilnehmer auf den Beinen sein. Dann bleibt auch noch genügend Zeit, um zu essen, sich warm zu machen und zu dehnen. Gleichzeitig kann man sich auch mental vorbereiten und hat einen gewissen zeitlichen Spielraum, um mindestens eine viertel Stunde vor dem Start im Zielbereich zu stehen.
5. Verstärkung holen!
Es hilft ungemein, Verwandte, Freunde und Bekannte mitzunehmen, die dich an bestimmten Streckenpunkten unterstützen – sei es mit einer Flasche Wasser, einer Banane oder auch einem nötigen Motivationsschub. Gemeinsam ist man immer schneller!
Prinzipiell gilt aber, die beste Vorbereitung und die besten Rahmenbedingungen für sich selber zu finden – sei es bei der Ausrüstung, dem Training, der Taktik oder der Ernährung.[/toggles]
Weniger Leistung für mehr Geld
Was mir an diesem Tag negativ auffällt: Das Teilnehmerfeld hat sich in den vergangenen Jahren stark vergrößert, man muss bis zum letzten Schritt aufpassen, niemandem auf die Schuhe zu treten. Diesbezüglich hätten die Veranstalter ruhig längere Pausen während den einzelnen Blöcken wählen können. Bei der Verpflegung der Hobbyläufer wurde in den vergangenen acht Jahren anscheinend ebenfalls ins Sparbörserl gegriffen: Während 2008 noch ein ordentliches Lunchpaket nach dem Marathon bereitgestellt wurde, sieht das Package diesmal mager aus. Dafür haben die Veranstalter den Zielraum mächtig durchkommerzialisiert: Zu überhöhten Preisen gibt’s deftige und fettige Speisen – nicht gerade die gesunde Variante für die schnelle Regeneration.
Facts: Der Vienna City Marathon fand 2016 zum 33. Mal statt. Vom Start bei der Wagramer Straße, müssen sich die Athleten bis ins Ziel vor dem Burgtheater kämpfen. 1983 gab es noch eine „Light-Version“ des Events auf der Donauinsel. Ein Jahr später gab es den ersten offiziellen „1. Wiener Frühlingsmarathon“. Mittlerweile erstreckt sich der Lauf über ganz Wien.
Anfahrt: Vor der UNO-City in Wien
Fazit: Der VCM ist und bleibt einfach ein Lauferlebnis, vor allem für einen gebürtigen Wiener wie mich und selbst bei Schlechtwetter. Enttäuscht hat mich die Durchkommerzialisierung des Events. Mein Eindruck: Trotz steigender Starterpreise wurde in den letzten Jahren an Kleinigkeiten gespart, ohne mehr zu bieten.
Fotos: heldenderfreizeit.com
Der Redakteur und Digital Marketing Spezialist ging für die Helden der Freizeit auf Reise- und Sport-Abenteuer.