Unser Hobbyklub kommt ohne Fitness, Linienrichter und Fans aus. Und trotzdem ist das Kicken bei uns das Leiwandste, was man sich nur vorstellen kann.
von Anaking
“Das ist das Allerdümmste, das man sich nur vorstellen kann.”, sagte mein Sportarzt. Ich hatte ihm gerade mitgeteilt, dass ich mit 30 Jahren zum ersten Mal einem Fußballverein beitreten werde. Er hatte mir gerade mitgeteilt, dass ich Senkfüße habe.
Seit sechs Jahren bin ich nun dabei beim Kick-Klub – naja, solange mich nicht gerade eine Zerrung, ein Muskelfasereinriss oder geschwollene Achillessehnen plagen. Und aus meiner Sicht, war es das Allerbeste, was ich machen konnte. Wahre Helden der Freizeit, müssen eben tun, was sie tun müssen. Vor kurzem haben wir nach 15 Jahren sogar unser erstes professionelles Training abgespult – geleitet vom 62fachen Bundesligaprofi Gerald Gansterer. Hier das witzige Video davon.
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Mit Benko schmeckt der Kick
Jemand zu erklären, wo ich spiele ist gar nicht so leicht. Antworte ich wahrheitsgemäß: Beim Benkobande Vindobona FC, ernte ich meistens schon ein breites Grinsen. Ja, das ist ein echter Verein. Nein, diesen Namen habe ich mir nicht ausgedacht. Ja, er ist wirklich an das alte Trinkkakao-Buberl angelehnt.
Wo wir uns messen? In der DSG-Liga. Das steht für Diözesan-Sport-Gemeinschaft. Nein, wir müssen nicht alle katholisch sein. Die “Benkos” kicken in der 2.Klasse. Auf den urigsten, kleinsten Kunstrasenplätzen Wiens. Ja, das ist die unterste Liga. Nein, wir können auch als Letzter nicht mehr absteigen.
Der unsichtbare Mäzen
Dafür haben wir den coolsten Sponsor, den man sich vorstellen kann. Das “Bogside Inn”-Irish-Pub zwischen Uni und Rathaus in der Wiener Innenstadt. Der Besitzer ist Joe. Joe mag uns. Joe erkennt sogar manchmal Spieler von uns. Das liegt eher daran, dass wir seine liebenswerte Kneipe öfter aufsuchen.
Ich war mir bis vor kurzem nicht einmal sicher, ob Joe die aktuelle Mannschaft jemals spielen gesehen hat. Ja, bis er auf einmal da saß. Im feinen Sakko bei einem unserer Spiele bei 6 Grad Schnürlregen auf der Marswiese – und wir mit einer gar nicht so feinen Leistung 0:4 untergingen.
Bierbäuche und Sean Connery
Das ist aber egal. Joe liebt uns trotzdem. Und wir lieben ihn. Zu unserer alljährlichen Weihnachtsfeier (bei keinem Spiel versammeln sich so viele aktuelle Kaderspieler) spendiert er uns traditionell eine Bierkiste. Das Nichtraucherzimmer im hinteren Pub-Bereich sieht aus wie ein Benko-Museum. Hier hängen alte Mannschaftsfotos, Schals, und auf der Höhe eines Sean-Connery-Portraits stehen große Pokale. Einziger Schönheitsfehler: Wir haben noch nie eine Meisterschaft gewonnen.
Einmal aufsteigen. Das ist unser Traum. Einmal waren wir schon knapp dran. Keine leichte Mission: Gegen Teams, die manchmal sogar mehrmals die Woche üben und deren Altersschnitt oft ein Jahrzehnt unter unserem liegt. Wir werfen alles dagegen, was wir haben. Und das sind immerhin einige Extrakilos, Bierbäuche und verdammt viel Leidenschaft (Betonung auf Leiden). Warum mir unser Verein trotzdem so taugt: Wir sind ein extrem bunter Haufen. Vom Bundesheerler, bis zum kellnernden Bibliothekar, vom Urologen bis zum Ingenieur, vom Schüler bis zum ehemaligen Regionalliga-Kicker. Bei uns ist jeder willkommen.
Das erste Tor vergisst du nie
Einmal brach sich unser Uli die Nase und rief “Ich brauche einen Arzt”. Unser Urologe Seki kam gelaufen. Uli schrie “Nein, einen richtigen, bitte!” Solche Anekdoten können nur Benko-Spieler erzählen. Nie vergessen werde ich mein erstes Tor.
Wir lagen gegen eine Mannschaft zurück, deren Kader so ausgedünnt war, dass sie einen Spieler mit Beinprothese einsetzte. So sehr ich seine Skills respektierte, so sehr war mir unser Rückstand peinlich. Und so stürmte ich als linker Außenpracker bei einem Konter wie von der Tarantel gestochen vor die rechte Stange des Gegners, bekam den Stangerlpass vor die Füße. Den bevorstehenden “Karriere-Meilenstein” in Aussicht schoss mir das Adrenalin ein. Ich hätte dem Goalie fast die Rübe runtergeschossen.
Während der ganzen Szene und dem Torjubel begleitete mich das Schimpfen unseres damaligen Tormanns. Dem schmeckte die offensiv-moderne Interpretation meiner Position gar nicht. “Hättest den net einigehaut, hätt i dir ane obeghaut”, fauchte er. Dazu gesellte sich die Gratulation unseres Kugelblitzes am Flügel: “Na, super. Jetzt hast sogar du schon ein Benko-Tor gschossen und ich noch immer nicht.” Schön, wenn sich Kollegen mitfreuen.
Kick&Rush in Bienen-Dressen
Dafür haben wir inzwischen ein paar richtig gute Kicker in unseren Reihen. Und den etwas überalteten Kader zuletzt radikal verjüngt, weil so manchem Jungvater die Zeit fehlt. Mit unserem neuen Obmann Halit ist ein frischer Wind durch die Kantine … äh … Mannschaft gegangen. Das schaut ab und zu sogar nach Fußball und einem geordneten Spielaufbau aus.
Mit Grauen erinnere ich mich an mein erstes Benkomatch. Ich stand die erste Halbzeit am rechten Flügel. Und sah zu wie der Ball nur auf die andere Seite flog. Denn der Wind wehte stark nach links. Die Benko-Skills beschränkten sich damals darauf die Kugel wild und hoch nach vor zu dreschen. So stand ich wild entschlossen – aber leider beschäftigungslos – in der Gegend herum. In der zweiten Halbzeit wurde ich in die Abwehr beordert und hatte keine ruhige Sekunde. Was für ein Kontrastprogramm.
Gott sei Dank haben wir inzwischen coole schwarze Dressen. Unsere alte gelb-schwarz-gestreifte Panier inspirierte einmal den einzig anwesenden gegnerischen Fan lautstark den Biene Maja Song von Karel Gott anzustimmen. Das war genauso ärgerlich wie ablenkend. Ich glaube, es war das Match gegen den FC Nepomuk. Einer ihrer Spieler ist der Sohn der Ärztin, die meine immer anschwellenden Achillessehnen behandelt. So schließt sich der Kreis.
Das lustige Abseits-Raten
Linienrichter gibt es in unserer Liga nicht. Deshalb muss der einzige Schiedsrichter, das Abseits meistens raten. Wir helfen ihm als Abwehrspieler gerne dabei, in dem wir ihm “freundliche Hinweise” per Handzeichen und Zuruf geben. Ein Match dauert natürlich auch bei uns 90 Minuten. Das vergessen leider die meisten unserer Spieler, wenn sie an ihrer Fitness nicht arbeiten oder sich vor dem Match zum “Aufwärmen” einen Tschik nach dem anderen anzünden. Dafür schmeckt das Kantinenbier danach umso mehr.
So kämpfen wir wacker weiter. Ich lasse mir meine Achillessehnen nach jedem Match mit Strom therapieren. Und unser Neo-Obmann, der Halit, hat zuletzt im (Gefühls)rausch sogar dem Joe den ersten Meistertitel versprochen. Schaffen wir das wirklich, wird Sean Connery wohl seinen Platz räumen müssen.
Name: FC Benkobande Vindobona
Liga: DSG-Liga, 2. Klasse
Gegründet: 2001
Hauptsponsor: Bogside Inn Pub
Vereinsfarben: Schwarz-Gelb
Besondere Kennzeichen: Bier im Logo
Sportplatz Franz Koci Straße 1, 1100 Wien
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In einem Hobby-Amateurverein zu kicken macht verdammt viel Spaß – vor allem mit einem urigen Irish-Pub als Sponsor und einer bunten Truppe netter Freunde. Ohne Training wird es in der DSG-Liga immer schwerer zu bestehen, denn das Niveau steigt stetig. Doch auch wenn der Titel zur Mission Impossible wird, man kann noch immer den Aufstieg einer anderen Mannschaft verhindern. Das hat auch seinen Reiz. Und wo sonst sieht man schon Tore von der Mittelauflage?
Fotos: benkobande.at, heldenderfreizeit.com
Der Chefredakteur der Helden der Freizeit hat das Onlinemagazin 2016 ins Leben gerufen und ist seit 2000 als Sportjournalist im Einsatz. Bei heldenderfreizeit.com ist er spezialisiert auf actiongeladene Outdoor-Aktivitäten, Ausflüge, Videos, Spiele, Filme, Serien und Social Media.