Es war einmal ebenfalls vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxis … ein Mandalorian, der unfreiwillig zum Ziehvater eines mysteriösen Babys wird, so gar nichts mit der Skywalker Saga zu tun hat und trotzdem zum besten Star-Wars-Ableger wurde, den Disney bisher produziert hat. Warum die Disney+-Serie The Mandalorian so großartig geworden ist, lest ihr hier.
von Susanne Gottlieb
23. März 2020: Es war eine schwere Geburt. Der ursprüngliche Plan, dass James Mangold einen Boba Fett Film als Teil der A Star Wars Story Reihe drehen sollte, zerbrach in dem Moment, als Ron Howards Solo mehr oder weniger als persönlicher Flop des Studios abgeschrieben werden konnte. Geplante Filmreihen wurden auf Eis gelegt, manche wanderten von der Kinoleinwand auf den kleinen Bildschirm.
So machten sich Jon Favreau (Disneys Goldjunge, Schöpfer des MCUs mit dem ersten Iron Man und dem einzig wirklich kritisch laudierten Live-Action Remake, Das Dschungelbuch) und Dave Filoni (George Lucas Schützling und Schöpfer der gefeierten The Clone Wars Serie) ans Werk. Eine eigenständige Serie, mit eigenständigen Figuren, frei vom Ballast der Hauptreihe. Und wie bei Favreau und Filoni zu erwarten, sind sie damit auch auf Gold gestoßen. Vor dem Start von Disney+ erfahrst du in unserem The Mandalorian Review, warum der Hype um die Serie gerechtfertigt ist.
Tipp! Wir haben schon den Auftakt zu Staffel 2 gesichtet. Lies hier, was du dir von der Fortsetzung erwarten darfst.
Die Serie schließt zeitlich gleich nach dem Fall des Imperiums in Die Rückkehr der Jediritter an. Der Mandalorian (Pedro Pascal), kurz Mando (in einem anderen Leben noch Din Djardin) lebt als Kopfgeldjäger eine unscheinbare Existenz am Rande der Galaxie. Geprägt von einer traumatischen Kindheit, wurde er in der Philosophie und Lebensweise der Mandalorians erzogen – eine Gruppe hochqualifizierter, tödlicher Soldaten, Söldner und Kopfgeldjäger. Zu Beginn der Serie bietet ihm sein Auftraggeber Greef Karga (Carl Weathers) einen ungewöhnlichen Job an. Der geheimnisvolle Klient (Werner Herzog) hat gute Bezahlung in Aussicht gestellt, wenn der Mandalorian ein mysteriöses Asset für ihn ausfindig macht.
Schnell ist klar, dass der Klient und seine Stormtroopers noch zur Zunft der dem Imperium Loyalen gehören. Aber das kann dem Mandalorian zunächst egal sein, ihm geht es ums Geld. Mit der Hilfe des Feuchtfarmers Kuiil (Nick Nolte) kann er das Asset ausfindig machen. Große Geheimnishascherei ist hier wohl nur mehr fehl am Platz. Jeder weiß, es handelt sich um „das Kind“, besser bekannt als Baby Yoda, Popkultur Ikone des ausklingenden 2019-er Jahres.
Dieses Findelkind, für das der Klient offensichtlich böse Pläne hat, erweicht etwas in Mando. Sonderbare magische Kräfte hat es auch. Und so versucht er den Kleinen vor den letzten Schergen des Imperiums zu retten, trifft dabei auf Freunde (u.a. Gina Carano als Cara Dune), und Feinde (u.a. Giancarlo Esposito als Moff Gideon). Doch der Wille das Kind zu retten wird von ihm verlangen weiter zu blicken als sein kleines vergessenes Eck der Galaxis.
Es ist ein bizarres Zeichen unserer Zeit, dass etwas so risikoreich gesehen wird, wenn es nicht an altbekannte Nostalgie anknüpft oder Querverbindungen zu vorher Dagewesenem schlägt. Der Aufstieg Skywalkers hatte erst Ende des Jahres viel Backlash erhalten, da er es sich zu bequem in der Ausweidung von Fan-Wünschen und der „Fortführung der Blutlinien“ gemacht hatte. Plötzlich war die Handlung in der bizarren Situation gefangen, dass alle irgendwie mit jedem verwandt waren, dass niemand etwas aus eigener Leistung heraus erreicht hatte und dass das Ende sowieso nur mit Zusatzliteratur verständlich wurde. „Geschrieben von den Fanboys auf Reddit“, lautete so mancher Kommentar. Und das völlig zurecht.
The Mandalorian ist im Vergleich eine Brise frischer Wind. Favrau und Filoni schaffen das auf einfache, aber effektive Weise. Ihre Serie besinnt sich auf die Anfänge von Star Wars. Damals, als George Lucas ein Weltraumimperium schuf, indem er sich von wilden Western und japanischen Samurai-Filmen inspirieren ließ. John Carter, Flash Gordon, The Hidden Fortress, sie alle sind als Hommage an das Kino, das ihn prägte, in Star Wars verarbeitet.
Zuschauer sahen so etwas Vertrautes, Altbekanntes in einem frischen Sci-Fi-Anstrich. Heutzutage leben wir aber in einer Welt, in der Star Wars selber ein kultureller Einfluss geworden ist. Das Material ist selbst-referentiell geworden. Offensichtlichstes Beispiel sind die Spin-offs, die alles erklären wollen. The Mandalorian dagegen will einfach wieder nur ein guter Space-Western sein. Und wenn Pascal in seiner ersten Zeile Dialog zischt „Ich kann dich warm oder kalt reinbringen“, dann weiß man auch, dass es hier nicht um elitäre Zauberer mit Lichtschwertern geht, sondern um eine schlank inszenierte Vergeltungsgeschichte, in der sich nicht jedes Handlungselement schon schmerzhaft offensichtlich abzeichnet.
Die Serie kommt ohne großes Pathos aus, bedient sich aber geschickt vorangegangener Klassiker. Da gibt es eine Episode mit dem klassischen Gefängnisausbruch. Eine Sieben Samurai/Die glorreichen Sieben Hommage, in der sich ein Dorf gegen Eindringlinge verteidigen muss. Die Mär von einem letzten Job, den man erledigen muss. Das ist old-school Lucas pur, der anscheinend auch selbst ein an der Serie wenig mitgearbeitet hat. Ein Star Wars, das sich an Vorbildern orientiert und aus ihnen neue kreative Geschichten formt. Aber nicht nur diese unterhaltsamen Abwandlungen altbekannter Muster machen Spaß.
In einer Folge kommen der Mandalorian und das Kind fast 20 Minuten ohne Dialog aus, in denen sie sich von einem Schauplatz des Gefechts zurück zu ihrem Schiff kämpfen. Warum das? Einfach, weil es realistisch ist. Das Kind kann nicht sprechen und so ergibt sich auch wenig Grund für eine Unterhaltung. Dieser Realismus, gepaart mit den sehr physischen, geerdeten Kampfsequenzen, in denen der Mandalorian schon mal oft in den Dreck fällt, geben der Serie einen Realismus zurück, den der Green Screen der vergangenen Filme schon als tot erscheinen hat lassen. Man schmeckt den Schweiß, das Blut, den Dreck. Der Zuschauer ist an vorderster Front mit dabei.
Die paar Momente, in denen die Serie an das größere Ganze anschließt, sind weit gestreut und machen auch Sinn. Oder sie funktionieren auf einer Metaebene, um sich selbst auf den Arm zu nehmen. Zwei Stormtrooper versuchen beispielsweise aus Langeweile auf eine Dose zu schießen, während sie sich über die an diesem Tag besonders hoch ausgeprägte Mordlust ihres Chefs unterhalten. Die Dose treffen sie auch aus nächster Nähe nicht. Die schlechte Zielanvisierung der Strormtroopers ist somit offiziell Kanon.
Favreau und Miloni wussten natürlich, dass sie mit Baby Yoda eine ikonische Figur schaffen würden. Aber nicht nur das. Der kleine grüne Wurm bedeutet auch, dass Star Wars das erste Mal weiter in den Hintergrund von Yodas Spezies eintauchen wird. Eine Alien-Rasse, die Lucas bisher bewusst als Mysterium inszeniert hat. Was die Schöpfer dafür geplant haben, ist unklar. Aber man darf gespannt sein. Ebenso sind die Nebenfiguren mitreißend und unterhaltsam (unter anderem Taika Waititi als Stimme eines Androiden), da die Serie sich Zeit nimmt, sie zu entwickeln.
Ebenso schreckt The Mandalorian nicht davor zurück, seine Opfer zu fordern. Die Einsätze zu erhöhen. Im Gegensatz zu Der Aufstieg Skywalkers, wo irgendwie niemand so wirklich sterben musste, es sei denn es ging um ein möglichst dramatisches Ende. Dadurch fühlt sich die Serie real an. Man weiß nie, was als nächstes passieren wird. Was auch bedeutet, die Erwartungen für Staffel 2 im Herbst sind ungleich groß.
The Mandalorian ist Star Wars in seiner besten Inkarnation. Ein echter Erfolg für die Marke unter Disney und für die Fans endlich wieder ein Weltraumabenteuer mit Hand und Fuß. Und jetzt schnell alle Baby Yoda Merch online suchen, bevor es wieder weg ist!
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Susanne Gottlieb schreibt als Filmjournalistin für die Helden der Freizeit, Kleine Zeitung, NZZ, Standard, TV Media, Filmbulletin, Cineuropa und viele mehr. Sie arbeitet im Filmarchiv Austria, berichtet von diversen Filmfestivals und hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert.