Fast ein halbes Jahr mussten wir auf die neue Live-Action-Umsetzung von Disneys Klassiker Mulan warten. Aber das Endergebnis kann sich durchaus sehen lassen. Mit Mulan wagt Disney in mehreren Hinsichten einen Neustart abseits ausgetretener Pfade. Mutig ist allerdings auch der Preis, den man für den Streifen auf Disney+ verlangt. Ob er soviel Geld Wert ist? Unser Review.
von Sophie Neu
4. September 2020: Ein Mulan ohne Mushu und ohne Hauptmann Shang, kann das überhaupt was werden? Ja, wie Regisseurin Niki Caro mit ihrem neuen Abenteuerfilm beweist, der seit heute auf Disney+ verfügbar ist. Statt sich, wie etwa bei den Live-Verfilmungen von König der Löwen oder Aladdin, eng an die Disney-Comic-Vorlage zu halten, geht sie neue Wege. Der Mulan-Film von 2020 orientiert sich stärker am eigentlichen Ausgangsmaterial, einem chinesischen Gedicht. Hier ist ein erfrischend anderer Disney-Film entstanden, der merklich reifer als sein Vorgänger ist.
Der eigentliche Release war ja schon im März geplant. Doch dann kam Corona. Nun erscheint der Film erst am 4. September und noch dazu in den meisten Ländern (wie auch im deutschsprachigen Raum) nur auf Disney+ und nicht im Kino. Zu denken sollte einem der hohe Preis geben, den Disney auf seiner Streamingplattform für Mulan verlangt. Auch wenn dieser etwas billiger als in den Staaten ausfällt (30 Dollar), sind immerhin noch immer stolze 21,99 Euro als Gebühr zusätzlich zur Disney+-Aborate fällig. In unserer Kritik erfahrt ihr, wie sich Hua Mulan schlägt.
Die temperamentvolle Hua Mulan (Liu Yifei) hat es nicht leicht. Denn als Mädchen muss sie im antiken China vor allem eines sein: Brav. Gehorsamkeit und Stillsein gefallen ihr aber so gar nicht. Viel lieber tobt sie herum und verursacht Chaos in ihrem kleinen Dorf. Aber mit zunehmendem Alter wird ihr immer stärker bewusst, dass sie ihren geliebten Eltern damit Unehre bringt. Deswegen will sie sich schließlich fügen und heiraten. Als aber die Kunde eines herannahenden Krieges das Dorf ereilt und ihr alternder Vater (Tzi Ma), als einziger Mann der Familie, in das kaiserliche Heer einberufen wird, entschließt sich Mulan statt ihm zu gehen.
Verkleidet als junger Mann Hua Jun, tritt sie das schwierige Training im Armee-Camp an. Dort lernt sie zusammen mit ihren Kameraden Chen Honghui (Yoson An), Ling (Jimmy Wong), Po (Doua Moua) und Yao (Chen Tang) zu kämpfen. Derweil formieren sich unter dem grausamen Bori Khan (Jason Scott Lee) und der Hexe Xian Lang (Gong Li) mächtige Streitmächte, die den Kaiser Chinas (Jet Li) stürzen wollen.
Zumindest was die Handlung betrifft, hält sich Mulan doch ein bisschen an die Disney-Vorlage. Fans dürfen sich auf einige bekannte Szenen freuen. Mulan wird wieder in einer lustigen Schminkszene für das Treffen mit der Heiratsvermittlerin zurechtgemacht und auch das Bootcamp der Armee ist eins zu eins dem Comic-Original nachempfunden. Allerdings ist in der Live-Action-Version alles um einiges epischer. Im Hintergrund der Camps sind hunderte andere zu sehen, die Hauptstadt, in der der Kaiser residiert wirkt schier endlos groß und sein Palast prächtiger als man es sich vorstellen kann.
Passend dazu bietet Mulan 2020 auch fantastische Kampfszenen. Hier hat man sich offensichtlich bei der chinesischen Film- und Fernsehindustrie so manches abgeschaut. Mulan und ihre Kameraden springen meterweit in die Höhe und kombinieren akrobatische Stunts mit Wallruns. Im Gegensatz zu chinesischen Formaten passiert hier allerdings alles blitzschnell. Da wollte man den westlichen Augen dann vermutlich doch nichts zu ungewohntes präsentieren.
Besonders imponieren hier auch die Schlachten zwischen den kaiserlichen Armeen und dem Heer von Bori Khan. Hier hüpfen Reiter so agil auf ihren Pferden herum und verdrehen ihre Körper in die unmöglichsten Positionen, um die Gegner mit Pfeil und Bogen zu erwischen. Ungewohnt düster geht es hier für Disney-Verhältnisse zu. Erbarmungslos werden Soldaten von flammenden Geschossen weggesprengt und auch Mulan bekommt einiges ab.
Doch bei all diesen oppulenten Kampfszenen kommt vor allem die Dynamik innerhalb des Battalions, in dem Mulan kämpft, zu kurz. Weder Chen Honghui (der ja eigentlich der männliche Hauptcharakter ist), noch das Comedic-Relief-Trio Ling, Po und Yao werden vernünftig charakterisiert. Deswegen wirken die wenigen Momente eher forciert, in denen die drei lustig sein sollen. Gerade Chen Honghui hat hier das Nachsehen. Er wird zu Mulans attraktivem Wegbegleiter degradiert.
Schade, denn dabei hat Mulan an sich eine starke feministische Botschaft. Denn sowohl die Heldin als auch Xian Lang, die Hexe der gegnerischen Seite, kämpfen im Film gegen die sexistischen Strukturen des antiken Chinas. Dabei zeigt der Titel auch, dass es viele unterschiedliche Wege dafür gibt. Und auch wenn die Ereignisse weit in der Vergangenheit liegen, haben die Themen nichts an Aktualität verloren. Genau deswegen ärgert es dann, dass der Film Chen Honghui, wie Frauen zu Zeiten von Mulan, nur auf seine äußere Erscheinung reduziert.
Insgesamt bleibt die Tonalität bei Mulan durch die Dichte an dramatischen Themen meistens sehr ernst und driftet manchmal sogar ins Pathetische ab. Das macht einen gewissen Teil des Charmes des Abenteuerfilms aus. Trotzdem ist es ab und zu so übertrieben kitschig, dass man losprusten möchte. Da hilft es auch wenig, dass Mushu (der sympathische Hausdrache aus der Comicversion) durch einen Phönix ersetzt wurde, der über die Leinwand schwirrt und Mulan den Weg weist.
Trotzdem leisten die Schauspieler tolle Arbeit. Gerade Liu Yifei liefert als junge Kämpferin eine großartige Performance ab und variiert perfekt zwischen starken und verletzlichen Momenten. Und auch Tzi Ma als Mulans alterndem Vater strahlt genau die Mischung aus Autorität und väterlicher Liebe aus, die man von diesem Charakter erwarten würde. Lobenswert ist aber auch Gong Li, die als Antagonistin Xian Lang die Komplexität und innere Zerrissenheit ihrer Rolle mimisch perfekt reflektiert.
Zieht man aber in Betracht, dass Mulan auf Disney+ für nochmals 21,99 Euro (neben der eigentlichen Gebühr für den Streamingdienst von 9,99 Euro) erscheint, sollte man noch einmal überdenken, ob man den Big-Budget-Titel unbedingt zu Release anschauen will. Zwar ist der Action-Streifen, wie man unserer Kritik entnehmen kann, stellenweise wirklich sehenswert. Aber die von Disney verlangte Summe steht in keinem Verhältnis zur gelieferten Qualität. Denn die Ausgabe am Heimgerät und das Streamen an sich kommen nicht einmal ansatzweise an die Audio- und Bildqualität heran, die das Kino liefert. Hier wurde der Preis zu hoch angesetzt. Vor allem, wenn man bedenkt, dass der Film nur so lange verfügbar bleibt, wie das Disney+-Abo läuft.
Mulan ist ein toller Abenteuerfilm aus der Disneyschmiede, der wie schon sein Original eine schöne feministische Botschaft enthält. Gelungene Kampfchoreografien und ein Soundtrack, der an die Zeichentrickversion erinnert, dürften ihn damit nicht nur für alte Fans interessant machen, sondern auch neue anziehen, die Action mögen.
Leider ist die Preispolitik von Disney+ bei diesem Blockbuster mehr als fragwürdig. Man stelle sich vor, Netflix hätte für The Irishman Zusatzgebühren verlangt. Oder Amazon würde seinen Filmverleih an den Zwang einer Mitgliedschaft bei Prime koppeln. Von daher unsere Empfehlung: Schaut Mulan, aber wartet damit ruhig noch, bis er am 4. Dezember im Basisabo von Disney+ inkludiert ist. Denn weltverändernd ist der Film nicht.
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Bilder: ©Disney Enterprises Inc.
Die Journalistin ist bei Videospiel-Tests und Wien Guides voll in ihrem Element. Seit 2021 verstärkt sie die Redaktion des KURIER.