Mit seiner Band Klezmer reloaded extended entdeckt Erwin Steinhauer die Lieder des Kabarettisten Hermann Leopoldi und führt sie behutsam in die Gegenwart.
von Christian Orou
Kennen Sie diese Textzeile? „Mein Freund ist bei der Feuerwehr in Kritzendorf, er freut sich, wenn es brennt, weil er dann spritzen dorf.“ Nein? Aber diese ganz bestimmt: “In der Barnabitengassen hat sie sich noch bitten lassen, bis zum Michaelerplatz war alles für die Katz.” Eben. Und wissen Sie auch, wer sie gesungen hat? Genau! Hermann Leopoldi.
Nach Panizza, Kafka und Lavant jetzt Leopoldi
Seit einigen Jahren gibt der mandelbaum-verlag die kleine, fein editierte Reihe klangbücher heraus, in deren Bänden neben den Texten auch jeweils eine CD zu finden ist. Auf diesem Tonträger sind nicht nur die Stimmen großartiger Schauspielerinnen und Schauspieler zu hören (u. a. Anne Bennent, Julia Stemberger, Wolfram Berger und Erwin Steinhauer), dem Verlag ist es auch gelungen, dass die Musiker (z. B. Peter Rosmanith oder Otto Lechner) den Vorleserinnen und Vorlesern um nichts nachstehen. Nach Karl Kraus, Oskar Panizza, Franz Kafka oder Christine Lavant hat sich der Verlag nun dem Wiener Kabarettisten Hermann Leopoldi angenommen.
Erwin Steinhauer interpretiert die Lieder von Hermann Leopoldi gemeinsam mit seiner Band Klezmer reloaded extended (Maciej Golebiowski – Klarinette, Sasha Shevchenko – Bayan, Christoph Petschina – Bass, Peter Rosmanith – Perkussion, Schlagzeug) zwischen Jazz, Wienerlied und Kabarett und, mit einem Blick auf Leopoldis jüdische Wurzeln, viel Klezmer-Musik.
Den Durchschnitts-Wiener trifft man noch immer
Das in den Texten besungene Wien existiert schon lange nicht mehr. Das kleine Café in Hernals sucht man vergeblich. Es ist vermutlich erst einem Espresso, später einem Handy-Geschäft gewichen. Auch den Badesee in Jedlesee gibt es längst nicht mehr.
Was sich aber sicher noch findet, sind die Typen, die in den Liedern besungen werden. So sitzt einem der Optimist möglicherweise in der U-Bahn gegenüber. Den Durchschnitts-Wiener trifft man sowieso an jeder Straßenecke. Hört man die dem Buch beigelegte CD, so trifft man auf einige Bekannte Lieder, die bis in die Gegenwart immer wieder neu interpretiert wurden. So habe ich zum Beispiel immer noch Andre Hellers „Schnucki, ach Schnucki“ im Ohr. Oder Willi Resetarits, wenn er, sparsam mit einem Klavier begleitet, die „Barnabitengasse“ singt.
Mein Freund ist bei der Feuerwehr in Kritzendorf …
Die Musik von Klezmer reloaded extended unterstreicht nicht nur die hintergründig witzigen Texte, sie führt eine eigene humoristische Ebene ein. Die Musiker zitieren klassische Westernthemen und verfrachten die Badehütte aus Kaisermühlen an einen jamaikanischen Strand, Marimba inklusive. Dadurch gelingt es, die Lieder zu entstauben und behutsam in die Gegenwart zu führen. Hörbeispiele gibt es auf der Homepage des Mandelbaum-Verlags zu hören.
Die Texte, die in dem kleinen Büchlein nachzulesen sind, leben vom wienerischen Charme und einem unglaublichen Wortwitz. Meine Lieblingszeile ist die Anfangs zitierte: „Mein Freund ist bei der Feuerwehr in Kritzendorf, er freut sich, wenn es brennt, weil er dann spritzen dorf.“
Hermann Leopoldi – Ein großer Kabarettist
Hermann Leopoldi stand in der Tradition der großen Wiener Kabarettisten wie zum Beispiel Fritz Grünbaum und Karl Farkas. 1922 eröffnete er sein eigenes Etablissement. 1938 deportierten ihn die Nazis nach Dachau, ein Jahr später wurde er aber wieder entlassen und emigrierte in die USA. Nach dem Krieg kehrte Leopoldi nach Wien zurück und konnte an seine Erfolge vor dem 2. Weltkrieg anschließen. 1959 erlag er in seiner Heimatstadt einem Herzinfarkt.
Titel: Ich bin ein Durchschnitts-Wiener
Autor: diverse
Verlag: mandelbaum-verlag, 2015
Seiten: 32
Weitere Titel: Beim Mandelbaum-Verlag sind in der Reihe klangbücher bereits 16 Titel erschienen. Sehr zu empfehlen ist der Band Das Liebeskonzil von Osker Panizza.
Fazit: Erwin Steinhauer und Klezmer reloaded extended erschließen das Wiener Kabarett-Genie Hermann Leopoldi für eine neue Generation.
Fotos: heldenderfreizeit.com
Der Chefredakteur der Wiener Alszeilen verfasst für heldenderfreizeit.com Buch-, Musik- und Spiel-Rezensionen, ist Video-Redakteur von CU TV und schreibt für das Musikmagazin Stark!Strom. Dazu berichtet er von Konzerten, Sport- und anderen Kulturevents und führt Interviews mit Stars und spannenden Persönlichkeiten.