Mit Dreams bringt Entwicklerstudio Media Molecule (Little Big Planet) einen Universal-Baukasten auf die PS4-Plattform, mit dem Spielebastler auch ihre kühnsten Träume verwirklichen können. Das Sandbox-Game im Helden-der-Freizeit-Test.
von Sophie Neu
16. Februar 2020: Eigentlich ist die PS4 schon am Ende ihres Lebenszyklus angelangt. Da hätte man nicht erwartet, dass gerade jetzt ein Highlight wie der Spiele-Baukasten Dreams noch für diese Konsolengeneration erscheint. Denn damit eröffnen sich den Spielern quasi unendliche Möglichkeiten, ihre Fantasie zu entfalten. Das Potential ist enorm und man darf sich darauf freuen, wie Spieler dieses Werkzeug einsetzen werden. Da sind sich auch die meisten Kritiker einig und Dreams sitzt mit einem Score von 91 jetzt an der Spitze von Metacritic – noch über Death Stranding (über das wir in unserem Test berichtet haben).
Wie uns die Kreativwerkstatt von Media Molecule auf der PS4 gefallen hat, erfahrt ihr in unserem Review.
In Dreams steht den Spielern eine enorme Bandbreite an Möglichkeiten zur kreativen Selbstverwirklichung zur Verfügung. Entweder man bastelt sich seine eigenen Kreationen. Das können RPGs mit großen Maps sein, Platformer oder Brawler. Oder sogar richtige Kunstwerke. Und das beschränkt sich nicht einmal auf die visuelle Wahrnehmung, sogar Musik lässt sich in Dreams komponieren! Und dazu muss man kein Genie sein. Einfache Tools machen den Prozess des Spieleentwickelns für jedermann zugänglich.
Wem das trotzdem noch zu viel Arbeit ist, der kann sich in die Traumwelten anderer wagen. Vom dystopischen Landschaftsbild bis hin zur spaßigen Multiplayermap fürs nächste Brawlermatch kann man sich in den Träumen anderer treiben lassen. Und ständig werden von anderen Usern neue Inhalte generiert. Die Spielmöglichkeiten von Dreams sind praktisch endlos.
Damit man nicht zu sehr die Orientierung im Sammelsurium an Optionen verliert, geleitet einen die Königin der Träume am Anfang in einem Tutorial durch die Grundlagen. Sie stellt den Spielern ihren ganz persönlichen Wichtel vor, der ab jetzt als eine Art putziger Maus-Cursor fungiert. Die glubschäugige Fellkugel, die sehr an die Schleime aus Dragon Quest erinnert, wird standardmäßig per Motion-Control gesteuert. Bewegt sich der Dual-Shock-Controller, bewegt sich der Wichtel. Das ist erstmal ein bisschen friemelig, aber mit ein bisschen Übung kontrolliert man das flauschige Knäuel bald wie im Traum.
Besonders angenehm in der Eingewöhnungsphase sind die ermutigenden Worte der Königin, die im Hintergrund immer wieder betont, dass alles in Dreams möglich ist und es keine schlechten Kreationen gibt. So schafft das Spiel von vorneherein ein angenehm positives Klima, das sich hoffentlich auch langfristig auf die Community des Spiels auswirken wird. Denn die wird mittels Kommentarfunktionen und Kollaborations-Optionen beim Bauen ständig miteinander interagieren. So ist Dreams im Endeffekt fast schon ein Soziales Netwerk in dem sich Kreative gegenseitig ihre Träume zeigen können.
Die Baumöglichkeiten bei Dreams sind im positivsten Sinn überwältigend. Man ist beim Traumformen erstmal ein bisschen erschlagen, wenn man mit all den Tools konfrontiert wird, die einem das Spiel entgegenschleudert. Glücklicherweise gibt es die Wichtel-Quests, die einem dabei helfen, die Mechaniken von Grund auf zu erlernen. Schnell weiß man ganz genau, wie man Dinge vergrößert, klont, designt. Etwas länger braucht es dann bei komplexeren Mechanismen. Irgendwann kann man dann sogar wie ein Profi-Entwickler animieren und scripten. Trotzdem erlernt man die Tools gefühlt wie im Traum und ist dann auch noch stolz auf sich, weil der eigene Traum gut aussieht. Mit dem Erfüllen der Quests schaltet man sich dann im Übrigen weitere Gegenstände frei, die in die eigenen Welten eingebaut werden können.
Man kann dabei Gegenstände für die eigene Traumwelt von Grund auf neu erschaffen, vom klitzekleinen Bleistift bis zum bombastischen Mecha ist potentiell alles drin. Oder man greift auf den ständig wachsenden Katalog an fertigen Inhalten zurück. Der war am Anfang dieses Tests primär mit Inhalten der Entwickler und der Early-Access-Spieler gefüllt, aber schon am Tag des Releases ploppten die ersten spielergenerierten Inhalte auf. Und die kann man super leicht in die eigene Traumwelt integrieren.
Und wenn dann doch irgendwann die eigene Kreativität erschöpft ist, kann man sich als Traumtänzer betätigen und die Welten anderer User besuchen. Hier fällt vor allem positiv auf, dass es praktisch keine Ladezeiten für die einzelnen Dreams der ersten Seite gibt. Mit träumerischer Leichtigkeit wechselt man zwischen den unterschiedlichen Inhalten.
Die schiere Vielfalt an Welten, die es beim Traumsurfen (so heißt der Modus) schon zum Launch gibt, lässt erahnen, was Dreams-Spieler in der kommenden Zeit erwartet. Vom Tomb-Raider-Verschnitt bis zur nachgebauten Stardew-Valley-Map, zeigen die Spieler eine große Vorliebe dafür, Träume ihren Lieblingsvideospielen zu widmen. Es gibt aber auch viele, die von Grund auf neue Welten schaffen.
Von Spieler zu Spieler bemerkt man hier unterschiedliche Gaming-Präferenzen. Manche setzen einen stärkeren Fokus darauf, ausgeklügelte Spielmechaniken zu erschaffen. Bei ihnen findet man etwa komplexe Platformer-Level, Shooter oder Racer. Andere wiederum konzentrieren sich voll und ganz aufs Design und die Atmosphäre ihrer Maps. Die meisten der Dreams sind bisher allerdings eher kurz, da wird sich mit der Zeit wahrscheinlich noch mehr tun. Dreams trägt dem Rechnung und kalkuliert laufend, welche Aktivitäten User vorziehen. Dementsprechend ordnet es sie unterschiedlichen Präferenzen zu und schlägt den Interessen entsprechende Wichtel-Quests und Welten beim Traumsurfen vor.
Und wer wissen will, wieviel schöpferisches Potential in Dreams steckt, schaut am besten in dem von den Entwicklern geschaffenen Traum Arts Dream vorbei. Nicht nur ist die ungefähr dreistündige Geschichte bittersüß, sondern es wird vor allem gezeigt, wie vielfältig die vielen Tools von Dreams eingesetzt werden können. Es wird variiert zwischen Point’n’Click, Action-Adventure und sogar Side-Scroller. Dabei wird auch mit unterschiedlichen Stilen experimentiert. Während manche Passagen von Telltale inspiriert scheinen, konzentrieren sich andere auf einen cleaneren, futuristischen Look mit putzigen Robotern. Es ist also im Endeffekt die perfekte Demo für die Möglichkeiten des Spiels.
Dreams hat großes Potential einer der größten Titel der PS4 zu werden. Durch seine schier unendlichen Möglichkeiten bietet es kreativen Bastlern noch mehr Bau-Optionen als Minecraft. So zugänglich war Spieleentwickeln noch nie. Dadurch zieht sich Sony mit dem Spiel vielleicht schon die nächste Generation an Game Designern heran. Auf jeden Fall ist Dreams ein perfekter Spielplatz an dem man seine wildesten Gaming-Träume zum Leben erwecken kann.
Dreams ist für PS4 seit dem 14. Februar ab 44,90 Euro erhältlich.
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Bilder: ©Media Molecule
Die Journalistin ist bei Videospiel-Tests und Wien Guides voll in ihrem Element. Seit 2021 verstärkt sie die Redaktion des KURIER.