Ein Mann kehrt zu seinen Wurzeln zurück. In The Gentlemen beweist Regisseur Guy Ritchie, dass flotte gewalt- und ironiegeladene Gangsterkomödien noch immer seine größte Stärke und sein kreatives Ass im Ärmel sind. Wie selbstverständlich fügt sich dieses Outing an ominösen Kriminellen in sein vorangegangenes Oeuvre ein. Auch wenn es thematisch hier und da ein Update im Sinne des Zeitgeists vertragen könnte.
von Susanne Gottlieb
26. Februar 2020: Low-Class Kriminelle mit breiten britischen Akzenten. Eine flotte Abfolge von Schnitten, in denen mit Flashbacks und Voice Over eine Handlung rekapituliert oder weitergepusht wird. Eine süffisant durchgestylte Männerrunde, die alle an ihrem eigenen kleinen Ding drehen und das alles unterlegt von hipper Musik. Wenn man einen Guy Ritchie Film sieht, erkennt man ihn auch als solchen.
In seinen Prä-Madonna Jahren waren kleine Ganovenfilme sein Markenzeichen (wie Snatch oder Bube, Dame, König, GrAS). Später versuchte er sich an größeren Blockbustern wie Sherlock Holmes, The Man from U.N.C.L.E, King Arthur oder Aladdin. Nicht immer mit Erfolg. The Gentlemen knüpft nun dort an, wo Ritchie irgendwo Mitte der 2000er abgebrochen hat. Doch gewisse Handlungselemente funktionieren im gesellschaftlichen Klima rund 15 Jahre später einfach nicht mehr und lassen den Film teilweise etwas altbacken wirken.
Ob er dennoch den Kinobesuch lohnt, lest ihr in unserer Filmkritik.
Raymond (Charlie Hunnam), ein Scherge des amerikanischen Drogenbosses Mickey Pearson (Matthew McConaughey), wird eines Nachts von dem Privatdetektiv Fletcher (Hugh Grant) heimgesucht. Dieser wurde vom Boulevard-Chefredakteur Big Dave (Eddie Marsan) auf Pearson angesetzt, da dieser ihm den Handschlag auf einem High-Society-Event verweigert hatte. In Folge seiner Investigationen stellte er fest, dass Mickey sich im mittleren Lebensalter nun mit seiner Frau Rosalind (Michelle Dockery) zur Ruhe setzen und sein Cannabisimperium verkaufen will.
Pearson hatte bereits mit dem reichen Matthew Berger (Jeremy Strong) Verhandlungen aufgenommen, als eine seiner geheimen Plantagen plötzlich von einer Gruppe Amateurboxern gestürmt wird. Außerdem versucht sich Dry Eye (Henry Golding), ein Schützling Lord Georges (Tom Wu), mit Drohungen als Kunde für die Firma zu positionieren. Es ist bald klar, hier versucht eindeutig jemand Mickey zu sabotieren. Der lässt sich auch nicht zweimal bitten und beginnt selber in der Szene aufzuräumen.
The Gentlemen ist typische britische Scharfzüngigkeit, ausgehend von der populär zu portraitierenden Arbeiterklasse des Landes, im Einklang mit der versnobten Aristokratie. Ritchie beweist, dass die flotte Bildmontage gepaart mit kantigen Sprüchen noch immer sein Steckenpferd ist. Seine durchgestylten Gewaltorgien, verbunden mit breiten und slang-gespickten Dialogen und der Haken schlagenden Handlung ergeben abermals eine unterhaltsame Symbiose an trashigen Elementen und gutem Popcornkino.
Getragen wird der Film von seinen Darstellern. Da wäre zum einen der süffisante, fast unerkennbar in Cockney daher säuselnde Hugh Grant, der sich eindeutig von seiner 90er und 2000er Rolle als Herzensbrecher verabschiedet hat. “Je skurriler desto besser“ scheint seine neue Devise zu sein. Ähnliches gilt für Colin Farrell, der sich hier mutig und ausgefallen im Tweet-Jumpsuit gibt, oder Henry Golding, der auch mit einem Meta-Zwinkern als der chinesische James Bond bezeichnet wird (und wirklich, wer wird denn nun Daniel Craig nachfolgen?). Matthew McConaughey spielt sich quasi selbst, ein texanischer, von Charme triefender Schönling. Und Michele Dockery darf endlich mal den 20er Jahre Cocktail-Kleidchen in Downtown Abbey entkommen.
Wo Ritchie hingegen mit seinem Film schwächelt, ist seinen Puls auf die gegenwärtige Gesellschaft zu legen. Der ordinären Gewalt zuzusehen, wie sich männliche Männer mit Riesen-Maschinengewehren oder flinken Messern umlegen, ist so überzeichnet, dass es schon wieder unterhält. Was hingegen überhaupt nicht geht ist eine unmotivierte, versuchte Vergewaltigung von Dockerys Figur, die auf die gleiche Stufe gestellt wird wie diese kitschigen Orgien. Ohne wirklich einem anderen Zweck zu dienen als Mickey weiter anzustacheln und ohne dass den Emotionen von Dockerys Rosalind Platz eingeräumt wird, wirkt die ganze Szene sehr geschmacklos.
Ebenso tangiert Ritchie immer wieder das heiße Thema Rassismus. Im modernen Zeitgeist muss er an die Wortwahl und die Inszenierung seiner Figuren vorsichtiger herangehen, was er teilweise auch geschickt löst. So nimmt Farrell einem seiner schwarzen Schützlinge den Wind aus den Segeln („Isn’t that racist.“ „Well, you are black. And you are a cunt.”). Dennoch arbeitet er betont stark mit alt hergebrachten Stereotypen (jüdische, chinesische und schwule Gegner, die sich einer weißen Männertruppe gegenüberstehen), und die oft auch noch durch Verunglimpfungen verschärft werden. Dies hinterlässt dann doch ein Gefühl der Überholtheit.
The Gentlemen ist der unterhaltsamste Guy Ritchie Film seit langem. Wer altmodische kleine Gangsterfilme mag, der ist hier gut aufgehoben.
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Fotos: © Constantin Film
Susanne Gottlieb schreibt als Filmjournalistin für die Helden der Freizeit, Kleine Zeitung, NZZ, Standard, TV Media, Filmbulletin, Cineuropa und viele mehr. Sie arbeitet im Filmarchiv Austria, berichtet von diversen Filmfestivals und hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert.