Kampf der sexuellen Belästigung. Regisseur Jay Roach lässt in seiner biographischen Tragikomödie Bombshell die ehemaligen Fox Moderatorinnen Megyn Kelly und Gretchen Carlson erzählen, wie sie ihren sexuell übergriffigen Chef Roger Ailes vor die Tür setzten. Das klingt nach jeder Menge #metoo Power. Warum der Film trotz starkem Cast nur mittelmäßig funktioniert, erfahrt ihr hier.
von Susanne Gottlieb
11. Februar 2020: Die Geschichte ist bekannt und auch noch nicht allzu lange her. Rund um den amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf von Donald Trump und ein Jahr vor den Harvey Weinstein Enthüllungen und #metoo wurde FOX News CEO Roger Ailes entlassen, nachdem sich die sexuellen Missbrauchsvorwürfe gegen ihn gehäuft hatten. Nun kommt die filmische Aufarbeitung des Themas und erinnert irgendwie in seiner Machart und Botschaft sehr stark an das Dick Cheney Biopic Vice aus dem Vorjahr. Doch wo Vice noch mit Humor punkten konnte, ist Bombshell nur mehr eine unrunde Angelegenheit. Warum, lest ihr in unserer Kritik.
Blond, attraktiv, lange Beine und breites Lächeln. Das zählt im Fox News Hauptquartier zu den Standards, wenn man als Frau die Nachrichten präsentiert. Gretchen Carlson (Nicole Kidman) besitzt all diese Eigenschaften. Trotzdem steht sie beim Sender und ihrem Chef Roger Ailes (John Lithgow) wegen ihrer Unangepasstheit auf der Abschussliste. Den ständigen Sexismus der Mitarbeiter und die Anzüglichkeiten Ailes will die Moderatorin nicht auf sich sitzen lassen. Carlson beginnt ganz genau aufzuzeichnen, wie Ailes mit ihr interagiert. Als sie gekündigt wird, kommt es zur Klage.
Gleichzeitig hat Fox-Star Megyn Kelly (Charlize Theron) ein beschissenes Jahr hinter sich. Als sie in einer Presidential Debate Donald Trump nach seinen sexuellen Beschuldigungen von Frauen fragt, kommt es zum Konflikt. Der Kandidat und seine Anhängerschaft beginnen sie daraufhin ein Jahr lang zu attackieren und verfolgen. Ailes und Fox zeigen sich zwar sympathisch, aber wenig solidarisch. Als Kelly von Carlsons Klage hört, werden auch bei ihr alte Erinnerungen an ihre Anfänge wach. Sie beginnt zu recherchieren.
Die junge Kayla Pospisil (Margot Robbie, als einzige eine fiktive Rolle) will es im News Room bis ganz nach oben schaffen. Erst noch bei Carlsons Sendung angestellt, wechselt sie dann aber in den viel prominenteren The O’Reilly Factor. Dort hinterlässt sie aber keinen guten Eindruck und muss nun um ihren Job fürchten. Sie nutzt eine Möglichkeit im Lift, um sich bei Ailes vorzustellen und erklärt ihm, bei Fox auch gerne vor der Kamera stehen zu wollen. Doch Ailes erhofft sich Gegenleistungen dafür, die junge Journalistin groß rauszubringen.
Bombshell ist nicht der erste Film, der sich mit sexueller Belästigung auseinandersetzt. Er kommt aber in einer Zeit in die Kinos, in der Debatten wie #metoo oder #timesup das gesellschaftliche Bild nachträglich geprägt haben. Eine Welt, in der Frauen viel eher zugehört wird und vermeintliche Täter nicht einfach so von der Schulter geputzt werden. Eigentlich eine gute Sache. Leider hat Bombshell mit seinen Ambitionen etwas am Ziel vorbeigeschossen. Der Film ist vollgepackt mit Ideen und Blickwinkeln, schmeißt mit zu viel Information um sich und hintergeht seine eigenen Prinzipien.
Regisseur Jay Roach und Drehbuchautor Charles Randolph haben hier stilistisch eindeutig beim Vorjahresfilm Vice von Adam McKay abgeschaut. Die vierte Wand, die die Figuren brechen, um Vorwissen und Entwicklungen zu erklären. Das spontane Hin und Herhüpfen in der Timeline zwischen Events, um Exposition zu liefern. Die Masse an Cameos von Fox Persönlichkeiten durch Schauspieler mit Tonnen an Makeup und Namensinserts. Das alles hat man schon moderat besser gesehen. Denn anders als beo McKays Film, der auch seine Schwächen hat, verliert man als Zuschauer schnell den Überblick und die Motivation. Es gibt keine Aha-Momente, die politischen Missbrauch wie das ABC punktuell und einfach aufzählen. Vielmehr ist die Inszenierung ein schnippisches “Best of” eines übereifrigen Schülers, der seine Hausaufgaben bezüglich Fox News gemacht hat und nun vor seinen Kameraden angeben will.
Eines der Probleme ist, dass abseits der drei Protagonistinnen zu viele Nebenfiguren des Hauses eingeführt werden, die oft nur in Sekundentakten einen kurzen Input geben, um die Handlung weiterzuführen. Das Ganze mausert sich zwar zu einem lustigen „Erkenn den Schauspieler/Comedian/Celebrity“, der sich mit haufenweise Makeup ein Stelldichein gibt. Doch wenn dein Film von Inserts mit Namen und Funktion dominiert wird, um überhaupt Sinn zu machen, hast du ein Problem. Das entspricht einfach nicht der filmischen Logik, sich auf ein paar wenige Figuren zu konzentrieren und die gut zu entwickeln. Weil daran hapert es dem Film eindeutig.
Ebenso bizarr ist es, dass die Autoren bei der Auswahl an Figuren, die ihnen eigentlich zur Verfügung standen, mit Robbies Kayla eine fiktive Person in den Mix werfen mussten. Es mag schon sein, dass Kayla stellvertretend für alle Frauen steht, die im Laufe der Jahrzehnte von Ailes belästigt wurden. Aber diese Freiheiten erlauben den Regisseuren auch, halbseidene Idealismen zu betreiben. Weil ehrlich gesagt, weder Carlson noch Kelly sind echte Sympathieträger. Kelly wurde wegen rassistischer Kommentare von ihrem Job bei NBC gefeuert, Carlson versucht sich als Frauenrechtlerin mit zweifelhaftem Image. Kayla, mit ihren großen Idealen und dem Willen, Fox den Rücken zu kehren, soll nun die sympathische Blondine, die gute Bombshell sein. Eine Frau, mit der man sich identifizieren kann. Ein leicht durchschaubarer Schachzug.
Anhand Kaylas Figur tut sich auch noch ein weiterer Kritikpunkt auf. So sehr der Film die Sexualisierung seiner Figuren anklagt, so sehr gibt er dieser ebenfalls nach. Als der lüsterne Ailes in einem der schwereren Momente des Films Kayla bittet, ihren Rock hochzuziehen, damit er ihre Beine sehen kann, darf diese erst damit aufhören, als sie beim Slip angekommen ist. Robbies Gesichtsausdruck sagt eigentlich alles was hier zu sagen wäre, doch Roach lässt aus irgendeinem Grund die Kamera immer wieder zu ihrem Unterkörper zurückkehren. Die junge Frau in Unterwäsche wird als solche präsentiert, der Film klagt die Sexualisierung und fetischiert sie zugleich ebenfalls. Im Endeffekt sind die Frauen nun doch eben genau das: heiße blonde Babes.
Worin der Film aber punktet, sind seine Hauptdarstellerinnen. Vor allem Theron glänzt als eiskalte Kelly. Das Makeup-Department hat ganze Arbeit geleistet. Zwischen ihr und der realen Kelly passt optisch kein Blatt Papier. Robbie bringt ebenfalls eine naive Zerbrechlichkeit in die Rolle ein. Man fühlt mit ihr in dem Wissen, dass ihre Unbekümmertheit und ihr großes Vertrauen solche sexuell übergriffigen Raubtiere am leichtesten anziehen.
Bombshell hat den einen oder anderen guten Einfall und eine tolle Darstellerriege. Dennoch kann der Film nicht wirklich überzeugen und überfüttert seine Zuschauer mit Impressionen und Ideen.
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Bilder © Constantin Film
Susanne Gottlieb schreibt als Filmjournalistin für die Helden der Freizeit, Kleine Zeitung, NZZ, Standard, TV Media, Filmbulletin, Cineuropa und viele mehr. Sie arbeitet im Filmarchiv Austria, berichtet von diversen Filmfestivals und hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert.