The Expanse ist eine Science-Fiction-Serie mit bewegter Geschichte. Mindestens so aufregend wie die Abenteuer der Crew der Rocinante ist die Story hinter der Kamera. Seit 13. Dezember läuft Staffel 4 auf Amazon. Wir sagen euch, was euch da erwartet und fassen noch einmal zusammen, wie die Ausgangslage nach der dritten Staffel ist.
von Christoph Geretschlaeger, 10. 12. 2019
Gleich am Anfang von Staffel 4 bekommt Captain Holden von seiner Mum ein altes Exemplar von Don Quixote geschenkt. Einen schier ausweglosen Kampf gegen Windmühlen haben aber auch die Anhänger von The Expanse ausgefochten.
Bei mittlerem Budget lief die Serie für drei Staffeln auf dem US-amerikanischen Science-Fiction-Nischensender Syfy, bis zur Absetzung. Rabiate, oder besser gesagt passionierte, Fans petitionierten aber so lange und so laut bis Amazon nachgab und das Produktionsbudget für eine vierte und fünfte Staffel in die Hand nahm. Verlautbart hat das niemand geringer als Amazon-Chef Jeff Bezos, selbst bekennender Fan der Buchreihe.
Die vierte Staffel ist seit 13. Dezember auf Amazon zu sehen. Lest in unserer Kritik, warum es geht und ob sich die Fortsetzung lohnt.
Die als neunteilige Buchreihe geplante Story, der letzte Band kam Sommer 2020 heraus, wird vom Pseudonym James S.A. Corey geschrieben. Dahinter stecken die Vielschreiber Daniel Abraham und Ty Franck. Aktuell besteht das im Juni 2011 gestartete Buch-Universum aus acht Romanen und sieben Novellas/kürzeren Geschichten. Man hat ja bei einem gewissen Spiel um den Thron gesehen, dass das nicht immer so ganz funktioniert, wenn die Serie die Bücher überholt, diese Gefahr besteht bei The Expanse zumindest nicht.
Aufgepasst! Das The Expanse Autorenduo hat mit Die Gnade der Götter bereits eine neue spektakuläre SciFi-Saga gestartet. Lies in unserer Rezension zu Band 1, was dich da erwartet.
Viele Jahre in der Zukunft: Die Vereinten Nationen der Erde und die Kongressionale Republik Mars (MCRN) sind im kalten Krieg. Ein falsches Wort und das Pulverfass geht hoch. Beide sind abhängig von den im Asteroidengürtel abgebauten Ressourcen. Die Belter, die unterdrückten Arbeiter, stellen sich unter der Anleitung der vermeintlichen Terrororganisation O.P.A. gegen die Großmächte. Dieser Konflikt wird schnell überschattet von den (dunklen?) Machenschaften des fast gänzlich unbekannten und unerforschten Protomoleküls. Mittendrin: Captain Holden (Steven Strait) und die Crew der Rocinante (dem treuen Pferd von Don Quixote).
Achtung! Wer Staffel 1 – 3 noch nicht kennt und nicht gespoilert werden will, zu den letzten zwei Absätzen des Artikels weiterscrollen.
Am Ende der dritten Staffel baut das Protomolekül einen riesigen Ring, ein Wurmloch in einen anderen Raum, in dem über 1.300 andere Ringe zu jeweils eigenen Sonnensystemen warten. Von dem unbeschreiblichen Phänomen in ihrer Aggression gezügelt, beschränken sich Erde und Mars darauf, den Zutritt zu den Portalen zu kontrollieren und zu begrenzen. Die Belter lassen sich davon aber auf der Suche nach einem neuem Zuhause nicht abschrecken. Auf den neu entdeckten Planeten ist der Konflikt unausweichlich. Eigenwillige Belter auf der einen Seite, die von der UN und MCRN eingesetzten (Sicherheits)-Truppen auf der anderen. James Holden soll Mediator spielen, seine Verbindung zum Protomolekül hat andere Absichten.
Währenddessen gerät am Mars Bobby Draper (Frankie Adams), hoch-dekorierte Ex-Marine, in ein moralisches Dilemma. Statt als Erste in den Kampf zu stürmen, kämpft sie jetzt mit der Demontage von Kriegsschiffen. Bis sich die Chance ergibt, daraus vielleicht einen Profit machen zu können.
Chrisjen Avasarala (Shohreh Aghdashloo, mit ihrer berühmt/rauchigen Stimme), Generalsekretärin der Vereinten Nationen, steht im Mittelpunkt des dritten Handlungsstrangs. Ihre Politik verhindert die Kolonialisierung der Ring-Galaxien. Dafür muss sie im Wahlkampf gegen eine ehemalige Mitarbeiterin herbe Kritik einstecken.
An Bord der Rocinante ist auch nicht alles eitel Wonne. Naomi Nagata (Dominique Tipper), die Schiffsingenieurin, unterzieht sich auf dem Weg zum gerade entdeckten Ilus (oder Neu Terra) einem brutalem Drogen-Cocktail. Nur damit sie, die in einer Station im Asteroidengürtel aufgewachsen ist, die Schwerkraft auf der Planetenoberfläche umgehen kann.
Soweit die Ausgangssituation am Beginn der vierten Staffel. Wer die Ereignisse lieber nachschauen will, wird auf Amazon fündig. Drei Staffeln mit jeweils zwölf Folgen vollgepackt mit harter „echter“ Science-Fiction, spannenden Charakteren und Galaxie-umspannenden Krisensituationen – mit einem zugegeben langsamen Start. Jetzt aber zu unserem Review der neuen Staffel.
Der Plot: Eine Gruppe Belter durchbricht die Blockade am Ring und bevölkert Ilus, einen Planeten mit erdähnlicher Atmosphäre und Schwerkraft, sowie riesigen Lithium-Ablagerungen. RCE (Söldner, die Polizei spielen dürfen) werden hinterhergeschickt. Um die Wogen zu glätten wird James Holden von der UN auf den Planeten bestellt. Seine Präsenz, besonders seine Verbindung zum Protomolekül, löst aber unerwartete Phänomene aus. Doch statt sich wie in den vergangenen Staffeln den großen Krisenherden zuzuwenden, verzettelt sich The Expanse in provinzielles Drama. Gerade in den ersten Folgen der von Amazon mit mehr Budget produzierten vierten Staffel. Da geht es um eine Tochter die nicht auf dem Planeten bleiben will, um kleine Sabotage-Akte, um Beziehungskrisen. Die Tragweite der Story wird plötzlich sehr klein.
Etwas Spannung bringt die O.P.A. Die selbst lange als Terroristen abgestempelte Organisation, wurde beauftragt an der Blockade auf Terroristenjagd zu gehen. Das ist noch spannender als der Wahlkampf auf der Erde oder Bobbys Geldprobleme auf dem Mars. Insgesamt funktioniert The Expanse am besten, wenn alle Charaktere an einem Strang ziehen und Probleme galaktischen Ausmaßes bewältigen. Das Klein-klein, vor allem gestreckt über mehrere Folgen, wird auf Dauer sehr gewöhnlich und würde auch in jedes Western-Drama passen.
Witzig gemacht ist der bewusste Bildformatwechsel. Sind die Szenen auf Erde oder Mars in 16:10, werden die Ereignisse auf Ilus und der Rocinante im Orbit in 16:9 gezeigt. Gekoppelt mit der grandiosen Landschaft des neuen Planeten wird das Gefühl des Fremden, des Ungewöhnlichen, noch verstärkt. Auch das aufpolierte Budget wird gern hergezeigt, viele Außenansichten und dramatische Schwenks über die Landschaft inklusive.
Der aussichtslose Kampf gegen das schier unbezwingbare Protomolekül, gegen die kollektive Macht der Erde und Mars wird noch ein langer, hoffentlich spannender. Don Quixote hätte ihn sich nicht besser wünschen können. Den Kampf gegen niedrige Zuschauerquoten und die Absetzung hat The Expanse aber schon gewonnen.
Euch fehlt die Übersicht bei so viel Auswahl? Kein Problem. Wir haben euch die besten Serien auf Amazon und Netflix in ein ultimatives Ranking gegossen, mit Kurzbeschreibung was sie auszeichnet:
DIE 22 BESTEN AMAZON-SERIEN IM RANKING
DIE 44 BESTEN NETFLIX-SERIEN IM RANKING
Fotos: © Amazon.com
Der Grafiker und Art Direktor (Helden der Freizeit, Styria Verlag) aus Wien ist ein absoluter Game- und Film-Kenner. Das zeigt das in seinen Tests und Bestenlisten.