Ein gutes Star-Wars-Singleplayer-Spiel: das kann doch nicht so schwer sein, bietet dieses Universum doch so viele interessante Geschichten und Charaktere für ein gutes Game. Warum uns Jedi: Fallen Order trotzdem nicht voll überzeugen kann, lest ihr in unserem Review.
19. November 2019: Rechtzeitig zum Start des neuen Disney-Streamingdienstes (bei uns wohl erst im Sommer 2020) kommt Star Wars wieder zurück auf die Spieler-Schirme. Seit 15. November ist Jedi: Fallen Order erhältlich. Die Kritiken der Medien fielen bisher erstaunlich positiv aus. Wir haben es auf PC bereits durchgezockt und auch auf der PS4 für euch getestet. Warum wir die Euphorie der Kollegen leider nicht in jeder Hinsicht teilen können, lest ihr in unserem Test.
Tipp! Inzwischen gibt es den tollen Nachfolger namens Jedi Survivor.
Cal Kestus hat Befehl 66, die Termination des Jedi-Ordens, überlebt. Auf Bracca repariert er Sternenkreuzer des Empires, bis ein Unfall ihn dazu zwingt, seine Kräfte einzusetzen. Ein gefundenes Fressen für das Imperium.
Mit Hilfe von Jedi Cere und dem Latero (eine vier-armige Rasse) Greez, seines Zeichens Pilot, versucht Cal die Überreste des Jedi-Ordens zu finden und ihn zu alter Stärke zurückzuführen. Dazu braucht es a) ein Lichtschwert und b) die Macht!
Auf der Reise durch die Galaxis stolpert Cal immer wieder über Jedi-Schreine von anno dazumal. Darin schlummern neue Kräfte: etwa Machtschubsen, Machtziehen oder Machthopsen. Mit der Zeit freigeschalten, öffnen sich uns dadurch Tür und Tor. Im Metroid- oder Zelda-Stil sind die Gebiete darauf ausgelegt, immer wieder besucht zu werden, als immer mächtigerer Jedi.
Apropos Gebiete. Als geübter Jedi ist Cal natürlich schwindelfrei und turnt gern mal über schmale Balken oder knappe Felsvorsprünge. Als ob er in der Jugend Nathan-Drake-Comics gelesen hätte. Was sich Fallen Order aber nicht von Uncharted hätte abschauen sollen, sind die Schlauchlevels. Selbst wenn Cal mal stolpern würde, bis zur nächsten Wand oder Begrenzung ist es nie weit.
Einen starken Eindruck macht das Kämpfen. Auf höheren Schwierigkeitsgraden sind selbst Sturmtruppler kein Kanonenfutter, lassen sich aber mit befriedigenden Parier- und Block-Animationen außer Gefecht setzen. Auch die einheimische Tierwelt steht unserem Padawan nicht wohlgesonnen gegenüber. Spinnen, Steinböcke oder Ratten (naturgemäß mit Star-Wars-Adaptionen) kriechen aus allen möglichen Löchern, machen aber auch vor den Schergen des Imperiums nicht halt.
Genug getötet, kann Cal seine Fähigkeiten verbessern, oder ganz neue lernen. Darunter Lichtschwert-Werfen oder brutale Überkopfschläge. Das alles spielt sich in recht naher Third-Person-Perspektive. Klassisch im Stile eines Dark Souls oder Sekiros verlieren wir mit dem Tod unsere … Seelen sind‘s keine, nennen wir sie Midichlorianer. Mit einem Schlag, gegen den Fiesling, der uns umgebracht hat, bekommen wir diese Erfahrungspunkte aber wieder zurück. In Medidationskreisen können wir sie gegen Skills eintauschen.
Doch auch im Star-Wars-Universum ist Gewalt nicht immer die Lösung. Manchmal muss Cal auch Köpfchen und Knöpfchen einsetzen. Die Puzzles schwanken zwischen kinderleicht und knifflig. Sollte unsere Verbindung zur Macht mal blockiert sein und wir nicht auf die Lösung kommen, hilft uns unser treuer Begleit-Droide BD-1. Seine Holokarte zeigt den Weg zur nächsten brüchigen Wand oder sonstwie versteckten Gebieten. Nebenbei spendiert er uns auch Heilungsspritzen. Und piepst putzig, das kann er eigentlich am besten.
Beim Puzzlen zeigen sich die Macht-Fähigkeiten von ihrer besten Seite. Sehr intuitiv werden zum Beispiel Objekte weggestoßen, an der richtigen Stelle eingefroren und dann als Sprungbrett verwendet. Und für wen es nicht intuitiv genug ist, der kann die Steuerung (zumindest am PC) komplett umbelegen – auch am Controller.
Auf der Spur eines Jedi-Meisters streift das Team um Cal Kestus durch die Galaxis, von Planeten zu Planeten. Alte Bekannte wie Dathomir (Darth Mauls Heimatplanet) oder Kashyyk (der von Chewbacca) und noch relativ unbekannte Himmelskörper wie Bracca (eine riesige Schiffswerft/Müllhalde) oder Zeffo (dort ist‘s g‘scheit windig).
Lootboxen gibt es in Jedi: Fallen Order keine, ein großer Kritikpunkt des letzten Star-Wars-Spiels. Wobei so ganz stimmt das auch nicht. Die Levels sind gespickt mit Kisten aller Art. Doch deren Inhalt ist rein kosmetischer Natur. Ein neuer Poncho, eine neue Lackierung für unsere Raumschiff, fesche Rennstreifen für unseren Droiden. Oder, und davon ganz besonders viel, Komponenten für Cals Lichtschwert – ohne Stats wohlgemerkt. Wirklich auffallen tut der Poncho, der Rest ist selten im Bild.
Dadurch ist unser Entdeckungswillen schaumgebremst. Klar könnte ich da meine Kräfte einsetzen, über drei Wände und mich mit der Liane zum entlegensten Eck schwingen. Aber wenn dort nur ein anderer Griff für mein Lichtschwert wartet? Muss nicht sein. Eine Ausnahme bilden die Geheimnisse. Je drei davon gesammelt, steigern entweder die Lebenspunkte oder das Machtreservoir permanent.
Und so abwechslungsreich die Biome/Planeten sind, so eintönig sind die Gegner. Sturmtruppen mit Blastern, Sturmtruppen mit schweren Blastern, Sturmtruppen mit Raketenwerfern und Sturmtruppen mit Elektro-Stäben. Etwas Abwechslung bringen vereinzelt stärkere Einheiten, die sich Cal fast wie Mini-Bosse in den Weg stellen. Kopfgeldjäger (The Mandalorian ist übrigens letzte Woche auf Disney+ angelaufen, darauf können wir uns jetzt schon freuen) schließen sich der Jagd nach dem Jedi an. Manche haben sogar Jetpacks, ein willkommener Ausflug ins dreidimensionale, finden Kämpfe doch sonst fast immer auf ebener Erde statt.
Kommen wir zu den echten Bossen. Auf jedem Planeten warten cineastisch inszenierte Bosskämpfe. Wichtigstes Werkzeug im Arsenal des jungen Jedis ist auch hier das Parieren. Ist die Ausdauer-Leiste des Gegners eliminiert, können wir verheerende Schläge anbringen. Gefühlt ist das auch der einzige Weg Schaden zu machen, alle normalen Hiebe werden geblockt oder richten nur wenig aus. Immer wieder kommt es zu kurzen Quicktime-Events die den Fluss unterbrechen, uns aber Gelegenheit geben, die halbwegs detaillierten Gesichtsanimationen zu begutachten. Lästig sind die geradezu klischeehaften Unterbrechungen. Anfangs hatte ich das Gefühl gar keinen Gegner zu besiegen, weil sie immer mit halben Lebenspunkten abgehauen sind. Auch eine Sicherheitstür spielt eine wichtige Rolle, Qui-Gon Jinn Fans werden wissen, was ich meine.
Praktischerweise ist der Schwierigkeitsgrad sehr transparent in der sich bietenden Herausforderung. Auf den niedrigeren ist das Parier-Fenster größer und der erlittene Schaden geringer. Auf den höheren ist dann Präzision und Durchhaltevermögen gefragt. Durchhaltevermögen deswegen, weil die Speicherpunkte oder Meditationskreise (in Dark Souls heißen sie Lagerfeuer) merkwürdig verteilt sind. Manchmal liegt nur ein Raum Gegner zwischen zweien, manchmal muss man sich nach dem Tod durch zwei Räume durchkämpfen und langsam durch einen Felsspalt schlüpfen, um überhaupt wieder zum Boss zu kommen. Nur wer besonders frustresistent, das Spiel künstlich in die Länge ziehen will oder Dark Souls mit dem Kochlöffel durchgespielt hat, sollte sich an Jedi Grand Master probieren. Gut, dass sich der Schwierigkeitsgrad jederzeit ändern lässt.
Eigentlich wollte ich was über die Charaktere schreiben, aber die sind leider, wie die Story übrigens, komplett zu vernachlässigen. Pilot Greez (ich musste im Codex vom Spiel nachschauen) und Jedi Cere, die nach Befehl 66 ihre Verbindung zur Macht getrennt hat, begleiten Cal durch das gesamte Spiel. Weder sind die Nebendarsteller lustig, noch haben sie spannende Geschichten auf Lager. Auch Hauptfigur Cal Kestus bleibt auf dem Weg zum echten Jedi blutleer und emotionslos. Erst gegen Ende nimmt die Story etwas Fahrt auf. Und quasi als Zuckerl für alle die durchhalten, gibt es ganz am Ende ein Wiedersehen mit einem alten Bekannten.
Technisch ist Jedi: Fallen Order solide. Keine Framerate-Probleme auf PC oder PS4 Pro – zumindest in unserem Test. Lediglich die etwas langen Ladezeiten, nachdem unser Held auf der PS4 das Zeitliche gesegnet hat, fielen uns negativ auf. Außerdem könnten die Texturen hochauflösender und die Gebiete dynamischer sein. Selbst das eigentlich dichte Gras auf dem Dschungelplaneten Kaschyyk besteht aus gerade mal drei dicken Halmen. Dafür ist die Soundkulisse sehr liebevoll gestaltet. Star-Wars-Fans wird gleich wohlig warm ums Herz, wenn Cal sein Lichtschwert entfacht. Manche Hintergrundtracks sind auch besonders gelungen, besonders die Rachensänger.
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Nach knapp 15 Stunden haben wir von Jedi: Fallen Order den Abspann gesehen. Heutzutage durchaus Mittelmaß, leider ist das dazugehörige Spiel in vielen Punkten auch nur Durchschnittsware. Anfangs macht das Planeten-erforschen durchaus Spaß, auch bekommt man immer lustigeres Werkzeug und Machtfähigkeiten. Aber ohne epische Story, die einen vorantreibt, ohne Innovationen jedweder Art hat man sich schnell satt gesehen. Man bedient sich hier in Ansätzen durchaus geschickt an Hits wie Dark Souls (Kampf, Leveldesign, Speicherpunkte) oder Uncharted (Sprung- und Klettereinlagen) bietet selbst aber nichts kreatives Neues. Kämpfen macht Spaß, die davon erhaltenen Skillpunkte verteilen wirkt aber sinnlos, weil man erstens im Spielverlauf eh alles ausskillen kann, und zweitens nichts davon notwendig wirkt. Und warum die Entwickler die Ausrüstung nicht auch mit Fähigkeitsupgrades verbunden haben? Das weiß wohl nur der Imperator. Schade, hier wurde Potenzial verspielt.
Star-Wars-Fans (wie auch ich einer bin) bekommen schon etwas für ihr Geld. Die Atmosphäre ist vor allem wegen dem Sound sehr gelungen. Es funktioniert alles. Jedi: Fallen Order macht alles ganz ok, aber nichts wahnsinnig gut. Besonders schade ist die öde 08/15 Story. Unterm Strich wäre deutlich mehr möglich gewesen.
Jedi: Fallen Order ist seit 15. September um 60 Euro im Handel erhältlich – für PC, PS4 und Xbox One.
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Screenshots: (c) heldenderfreizeit.com
Aufmacherfoto: (c) Respawn Entertainment
Der Grafiker und Art Direktor (Helden der Freizeit, Styria Verlag) aus Wien ist ein absoluter Game- und Film-Kenner. Das zeigt das in seinen Tests und Bestenlisten.