Der neue Action-Streifen kann eigentlich mit Top-Besetzung und großartigem Regisseur punkten. Doch das Drehbuch entpuppt sich als derart plump und unausgearbeitet, dass selbst ein oscarprämierter Ang Lee daran scheitert. Ob sich der neueste Will Smith-Film trotzdem für euch lohnt, lest ihr hier in unserer Gemini Man Kritik.
3. Oktober 2019: Wenn eine Hollywood-Größe wie Ang Lee (Brokeback Mountain, Life of Pi, Hulk) bei einem Actionfilm mit Will Smith Regie führt, könnte man eigentlich davon ausgehen, dass ein spannender und hochwertiger Streifen herauskommt. Doch sowohl Lee, als auch Smith scheitern letzten Endes an der wohl grundlegendsten Voraussetzung für einen guten Film: Dem Drehbuch. Dabei stammt das unter anderem von Emmy-Gewinner David Benioff (Game of Thrones, X-Men Origins: Wolverine) und Darren Lemke (Für immer Shrek, Shazam). Trotzdem gelingt es Ang Lee in den Actionsequenzen von Gemini Man visionäre Arbeit zu leisten.
Der mittlerweile in die Jahre gekommene Sniper Henry Brogan (Will Smith) will eigentlich in Ruhestand gehen. Doch nach seinem letzten Einsatz findet er heraus, dass sein Auftraggeber – ein US-Geheimdienst – andere Pläne für ihn hat. Da er keinen Nutzen mehr für sie bringt, soll er ausgeschaltet werden. Das lässt der alte Profi nicht auf sich sitzen. Deswegen begibt sich Brogan zusammen mit Agentin Danny (Mary Elizabeth Winstead) auf eine Weltreise. Er will herausfinden, warum gerade er von der Bildfläche verschwinden soll.
Dabei kommt Brogan streng geheimen Biowaffen-Experimenten auf die Spur. Er muss feststellen, dass die eng mit dem Geheimdienst verzweigte Firma Gemini, unter der Leitung von Clay Verris (Clive Owen), seine DNA für Experimente missbraucht hat. Ihr Ziel: Eine neue Generation Super-Soldaten zu erschaffen. Daraufhin sieht er sich mit seinem bedrohlichsten Gegner gegenüber. Ein junger Klon seiner selbst ist ihm auf den Fersen und kann fast jede seiner Handlungen voraussehen.
Im Trailer könnt ihr euch einen Eindruck vom Film verschaffen:
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Der Plot von Gemini Man scheint also durchaus interessant. Doch spätestens nach den ersten Minuten kommt Ernüchterung auf. Denn da wird der Actionfilm-Fan mit einer unnötig langen Exposition gelangweilt, in der viele Nebencharaktere auftauchen, die recht schnell wieder von der Bildfläche verschwinden. Langatmig ist das vor allem wegen den gestelzten Dialogen. Die wirken nicht wie genuine Interaktionen zwischen zwei Menschen, die sich seit Jahren vertraut sind.
Dementsprechend distanziert bleiben die Charaktere voneinander – als Zuschauer hat man nicht das Gefühl, dass echte Beziehungen zwischen den unterschiedlichen Protagonisten entstehen. Jede Darstellung davon bleibt oberflächlich und unglaubwürdig.
Stattdessen ist der Großteil der Dialoge des Films darauf ausgelegt, noch einmal genau zu erklären, was überhaupt passiert. Ganz so, als ob die Zuschauer das nicht verstünden. Dementsprechend hat man auch mehrmals den Eindruck, dass sich die Schauspieler regelrecht davor genieren, ihre Sätze zu sagen. Sogar Film-Veteranen wie Will Smith oder Clive Owen fallen da ab und zu aus der Rolle.
Dafür bietet Gemini Man durchaus sehenswerte Action. Wem es primär darum geht, adrenalingeladene Schießereien und Verfolgungsjagden zu sehen, ist er wirklich zu empfehlen. Denn da wo die Handlung aufhört und die Kämpfe beginnen, glänzt Gemini Man. Ang Lee geht in vielerlei Hinsicht neue Wege im Actiongenre.
Seine Schnitte und Kameraperspektiven haben etwas Visionäres. Viele der Aufnahmen wurden in 120fps gedreht – also einer viel höheren Bildrate als bisher im Kino oder Fernsehen üblich. Davon profitiert zum Beispiel eine rasante Bike-Fahrt in einem südamerikanischen Städtchen. Statt schnellen Schnitten verfolgen die Zuschauer das Motorrad in einem durch, während es durch die engen Gassen schlingert. Es wirkt flüssiger als bisherige Actionfilme. Dadurch entsteht eine frische Dynamik.
Und auch die mittlerweile immer öfters eingesetzten CGI-Verjüngungsmethoden funktionieren in Gemini Man ausgezeichnet. Nur selten merkt man dem verjüngten Will Smith an, dass da nicht alles echt ist. Die meiste Zeit erinnert er optisch an seine frühen Zeiten wie in Der Prinz von Bel-Air. Optisch kann Gemini Man also absolut überzeugen.
Finales Urteil unserer Gemini Man Kritik: Der Blockbuster glänzt da, wo man es von einem Actionfilm erwartet: In den Kampf- und Schießszenen. Doch abseits davon bleibt er hinter den Erwartungen zurück. Nicht nur die Dialoge sind unerträglich hölzern. Nein, auch die Handlung wird im Verlauf des Films immer chaotischer und undurchdachter. So bleibt man als Zuschauer am Ende traurig zurück, weil das Drehbuch nicht mit den Actionszenen mithalten kann. (sn)
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Bilder: © 2019 Paramount Pictures
Die Journalistin ist bei Videospiel-Tests und Wien Guides voll in ihrem Element. Seit 2021 verstärkt sie die Redaktion des KURIER.