Publisher Bethesda hat die klassische Shooter-Reihe in den letzten Jahren gemeinsam mit Doom wieder aus der qualitativen Flaute der Nullerjahre geholt. Jetzt können wir uns mit Wolfenstein: Youngblood bereits zum vierten Mal seit 2014 durch Nazihorden ballern. Warum der Spaß diesmal ein wenig kürzer kommt als bei den letzten 3 Spielen, erfahrt ihr in unserem Review.
3. August 2019: Wolfenstein ist eine der ältesten Marken des Ego-Shooter-Genres. Gemeinsam mit Doom hat das Spiel in den Neunzigern diese neue Art von Videospiel in den Mainstream befördert. In den 2000er Jahren ging der Reihe der Erfolg dann wegen erstarkender Konkurrenz verloren. Unter Publisher Bethesda, der das Franchise gemeinsam mit Entwickler Machine Games wieder ausgegraben hat, stand jeder Teil für Action, Satire und Qualität.
Wir haben den neuen Shooter für euch durchgespielt und verraten euch in unserem Test, woran das ansich ordentliche Wolfenstein: Youngblood kränkelt. Übrigens: Hier findest du unsere Vorschau auf die größten Game-Kracher, die uns im Herbst noch erwarten.
Blazkowicz, der große Nazi-Jäger, hat sich endlich zur Ruhe gesetzt. Mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern lebt er am Land. Nach der Befreiung Amerikas von den Nazis in Wolfenstein: New Colossus tötete der Held (sozusagen Off-Screen) Hitler. Trotzdem hält das Regime Europa weiter fest im Griff. Im Jahr 1980 verschwindet Blazkowicz plötzlich bei Nacht und Nebel nach Paris. Einem Hinweis des Verschwundenen folgend, machen sich seine Töchter Jess und Soph auf den Weg ins besetzte Frankreich, um ihren Vater aufzuspüren.
Soweit ein ganz ordentlicher Aufhänger für ein Sequel. Leider fügt das Spiel diesem Grundgerüst kaum etwas hinzu. Nach einer gut inszenierten Eröffnungsmission in einem Luftschiff verwandelt sich das Game in einen Semi-Open-World Shooter mit kleinen offenen Arealen. Dort sollen die Schwestern für den Pariser Widerstand Missionen erfüllen. Diese Nebenaufgaben sind nicht besonders kreativ. Drück diese Taste und erschieß alles, was du siehst. So ungefähr laufen alle ab und tragen kaum etwas zur Handlung bei.
Eigentlich hat das Spiel bis zu seinem Ende gar keine Handlung. Die Missionen sind einfach Mittel zum Zweck, uns zum Ende zu bringen. Nichts wird erzählt, es gibt kaum Zwischensequenzen und auch Dialoge sind Mangelware. Das ist besonders schade, weil die Protagonistinnen Jess und Soph eigentlich sehr symphatisch und interessant wären. Sie kommen aber nach der ersten Spielstunde kaum noch zu Wort, bis auf einige Gespräche während der Feuergefecht, die sich aber auch schnell zu wiederholen anfangen.
Das Finale des Spiels ist dann erzählerisch schlichtweg eine Enttäuschung. Ein kleiner Twist, eine ganze Menge Logiklöcher, lächerliche Dialoge (die nicht einmal mehr als Satire durchgehen) und das Gefühl, dass da jemand einen Spielfilm auf fünfzehn Minuten runtergeschnitten hat. Es fehlt einfach etwas, und zwar die Story.
Immerhin: Das Gameplay überzeugt so wie die guten Vorgänger. Die Waffen fühlen sich wuchtig an, die Spielerbewegungen flüssig und agil. Von der mechanischen Seite ist dem Spiel nichts vorzuwerfen. Alles funktioniert genau, wie es funktionieren sollte. Es gibt eine breite Auswahl an Waffen, obwohl man die richtig coolen Dinge erst sehr spät im Spiel zu fassen bekommt. Einige Stunden lang ist man auf die fünf Grundwaffen beschränkt. Das wäre okay, gäbe es nicht eine bestimmte Neuerung, die einem die Freude am Schießen hin und wieder verdirbt.
Die mechanisierten Nazis tragen unterschiedliche Arten von Rüstungen, die nur von bestimmten Waffen effektiv durchdrungen werden können. Es ist zwar leicht zu erkennen, welche Waffen für welchen Feind nützlich sind, leider wird es aber sehr schnell lästig, im Kampf ständig die Waffen zu wechseln. Das Spiel erlaubt einem eigentlich keine Lieblingswaffen zu finden, sondern zwingt einen ständig genau die Waffe zu verwenden, die es für am besten hält. Und auch mit der richtigen Bewaffnung sind Feinde neuerdings auch sogenannte bullet sponges. Soll heißen: Ein stärkerer Widersacher schluckt schon einmal zwei Magazine, bevor er zu Boden geht. Das liegt zum einen an den Rüstungen und zum anderen an dem ebenfalls neuen Levelsystem.
Soph und Jess sammeln für Allesmögliche Erfahrungspunkte und Levelaufstiege. Mit den erworbenen Punkten können die beiden auf verschiedenste Arten aufgewertet werden. Mehr Rüstung, mehr Lebenspunkte, mehr Munition etc. Auch die Waffen lassen sich für in der Spielwelt aufgesammeltes Geld verbessern. Die vielen vorhanden Upgrades sind sehr variabel und ändern auf coole Weise das Aussehen der Waffen. Zwar sind im Spiel Käufe mit Echtgeld möglich, aber zumindest in der PC-Version beschränkt sich dies auf Skins für Waffen und ähnliche kosmetische Aspekte. Das ist heutzutage keine Selbstverständlichkeit.
Beste Neuerung an Wolfenstein: Youngblood ist das cooperative Gameplay. Weil das Spiel mit Soph und Jess über zwei Protagonistinnen verfügt, kann man online gemeinsam auf Nazijagd gehen. Es ist möglich, einfach mit irgendeiner zufälligen Person zu spielen, dem Spiel eines Freundes beizutreten oder selbst eines zu hosten und jemanden dazu einzuladen. Zusätzlich hat Wolfenstein: Youngblood ein Buddypass System. Das erlaubt einem das Spiel mit einem Freund zu spielen, ohne dass der selbst es ebenfalls kaufen muss. Eine tolle Sache. Bei einem Spiel, das schon von Anfang an nicht den gängigen Vollpreis von 60 Euro verlangt, sondern nur 30 Euro kostet, ist das sehr großzügig.
Das Coop-Gameplay ist das Beste an Wolfenstein: Youngblood. Man kann seinen Mitspieler mit Gesten (die Boni mehr Schaden oder mehr Lebensenergie bringen) unterstützen, Feinde füreinander markieren und sich gegenseitig wieder auf die Beine helfen. Spielt man lieber alleine, stellt einem das Spiel eine KI-Schwester zur Seite, die auch sehr gute Arbeit leistet.
Hauptmissionen in Wolfenstein: Youngblood sind rar gesäht und dann auch nicht besonders abwechslungsreich. Den Großteil der Spielzeit verbringt man mit Nebenaufträgen in den schön gestalteten Straßen von Paris. Das ist notwendig, um hoch genug aufzuleveln und die drei Hauptmissionen des Spiels bewältigen zu können. Diese laufen alle nach dem gleichen Schema ab: Kämpf dich durch zwei bis drei Stockwerke, besiege einen Boss, der keiner ist, sondern einfach nur eine etwas stärkere Variante der schwersten Gegner, die man auch in der Open-World antrifft, und drücke einen Knopf. Sie gleichen sich wirklich auf erschreckende Weise.
Nur das Finale des Spiels bietet ein wenig Abwechslung. Endlich gibt es wieder Zwischensequenzen, ein optisch aufregendes Level, einen echten Bosskampf und… dann ist das Spiel aus. Zwar kann man danach noch in die Spielwelt zurückkehren, um weiter Jagd zu machen und sich täglichen und wöchentlichen Herausforderungen zu stellen, nur wird man das Gefühl nicht los, das da sehr sehr viel Potential verschenkt wurde.
Grafisch ist Wolfenstein: Youngblood nicht viel vorzuwerfen. Die Engine und das grundsätzliche Aussehen des Spiels hat sich seit dem letzten Teil nicht verändert. Das ist aber nicht schlimm. Wolfenstein: The New Colossus sah toll aus und obwohl das nun zwei Jahre später nicht mehr Weltklasse ist, lässt sich nicht viel drüber klagen. Die alternativen Achtzigerjahre sind stimmungsvoll in Szene gesetzt. Cybernazis in Roboteranzügen und deutsche Cover amerikanischer Pop-Hits sind nett gemacht. Nichts davon ist mehr revolutionär. Es sind aber coole Details, die Stimmung machen.
Noch ein Aspekt, der mit dem Aussehen zu tun hat. Wir bekamen als Testkopie die explizit deutsche Version des Spiels. In dieser Version ist vieles der deutschen Zensur zum Opfer gefallen. So wurden alle Hakenkreuze gegen Fantasiesymbole ausgetauscht, Hitler heißt plötzlich Heiler, das Dritte Reich ist das Regime usw. Natürlich sind diese Zensurmaßnahmen nicht nachvollziehbar und eigentlich vollkommen lächerlich. Es ist nicht verständlich, warum für Videospiele andere und strengere Regeln gelten sollten als für Filme. Zum Glück ist die Spielwelt im vierten Teil der neuen Wolfenstein Reihe schon so fiktionalisiert, dass man auch zensierte Symbole und veränderte Namen leichter verkraften kann.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Youtube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Wolfenstein: Youngblood ist ein Spiel, das auf einem soliden Gerüst basiert. Mechanisch ist alles sauber und bis auf die nervigen Rüstungen spaßig. Leider verspielt das Spiel sein großes Potenzial durch fades Leveldesign, repetitive Bosse und den Mangel an interessanten Gegnertypen. Außerdem hat wohl noch nie ein Wolfenstein seine Protagonisten mit einer derart schlechten Story verheizt. Eine Empfehlung für Freunde von Coop-Shootern und Fans, die unbedingt wissen müssen, wie es (ein kleines Stück) weiter geht. Für andere heißt es besser auf das neue Doom warten.
Wolfenstein: Youngblood ist seit 26. Juli für PC, Xbox One und Playstation 4 um 29,99€ erhältlich.
In unserem Spieler-Bereich findest du Reviews zu den neuesten Games und eine Vorschau auf Hits, die uns demnächst erwarten.
Alle Screenshots (c) heldenderfreizeit.com, Bethesda Softworks
Peter Huemer stellt bei den Helden der Freizeit jedes Monat in "Peters Buchtipp" ein außergewöhnliches Werk vor. Außerdem schreibt er bei uns über Games, Kino und Streaming. Der Freie Schriftsteller hat vergleichende Literaturwissenschaft studiert und arbeitet auch als Lektor, Korrektor und Übersetzer.