Ein weiterer Schauspieler geht unter die Regisseure. Paul Dano, bekannt durch seine Darstellungen in Little Miss Sunshine, There Will Be Blood und 12 Years a Slave, inszeniert den Richard Fords Roman Wildlife mit Jake Gyllenhaal und Cary Mulligan in den Hauptrollen. Das Ehedrama ist für den Mimen ein guter Einstieg in den Job hinter der Kamera. Warum er trotzdem zu wünschen übrig lässt, lest ihr hier.
Der Zerfall einer Ehe als Kinostoff ist an sich nichts Neues. Die Eltern, die sich entfremden, die Kinder, die darunter leiden. Ausgehend von Richard Fords Roman aus dem Jahr 1990, hat sich jetzt auch Indie-Schauspieler Paul Dano der Thematik angenommen. Er erzählt in Wildlife die Geschichte einer Familie im Montana der 60er Jahre, deren unterschiedlichen Lebensvorstellungen das Ende ihres Zusammenhalts bedeuten.
Dano muss sich als Neuling im Regiefach auch nicht verstecken. Er liefert eine solide, schön anzusehende Arbeit ab. Trotzdem fehlt ihm der Mut, hier die Wohlfühlzone zu verlassen. Der Film ist letztendlich zu brav, um wirklich lange nachzuwirken. Gerade in Österreich im Kino gestartet, lest ihr in unserem Review die Details:
Jerry (Jake Gyllenhaal) zieht 1960 mit seiner Frau Jeanette (Carey Mulligan) und Sohn Joe (Ed Oxenbould) ins spärlich besiedelte Montana, um in einem Golfclub eine Stelle anzunehmen. Jerry ist jedoch kein Mann für einen 9-5 Job, er ist insgeheim ein Träumer, der Erfüllung woanders sucht. So kommt es wie es bereits mehrmals kommen musste und er verliert seine Anstellung. Es liegt abermals an Jeanette die Familie zusammenzuhalten. Eine Aufgabe, die ihr offensichtlich zusehends missfällt. Sie nimmt eine Stelle als Schwimmlehrerin an und wächst langsam näher zu einem ihrer älteren Schüler. Jerry, der mit sich selbst hadert, nimmt bald darauf eine Stelle als Feuerwehrmann an, als sich Waldbrände in Montana ausbreiten und verlässt im Streit die Familie. Während Jeanette beginnt sich ein eigenes Leben aufzubauen, ist Joe zwischen den Welten gefangen, zwischen seiner eigenen einsetzenden Reife, dem Glück seiner Mutter und der Treue zu seinem Vater.
Paul Dano, der nicht nur Regie führte, sondern auch das Drehbuch gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Zoe Kazan geschrieben hat, gibt einen soliden Einstieg ins Regiebusiness. Wildlife ist wunderschön ausgestattet, elegant inszeniert und beschwört den Geist anderer Vertreter des Genres wie Der Eissturm, Dem Himmel so fern oder Zeiten des Aufruhrs herauf. Dano zeigt eine Vorliebe für lange, weite Einstellungen, die Verbildlichung einer launischen Schwere und die Verdichtung der malerischen Weiten Montanas.
Woran der Film aber krankt ist der Wille sich dem Thema mit der nötigen Brutalität zu nähern. Der Zerfall einer Ehe ist ein traumatisches Erlebnis. Danos Film bleibt aber zu hübsch und zu nett, um diese Message wirklich zu transportieren. Mulligan liefert zwar eine beeindruckende Leistung als zerrissene Jeanette, doch auch sie wird von den gefahrlosen Strängen, die die Handlung im Zaum halten, zurückgehalten. Ebenso ist Joe keine besonders spannende Figur. Man sieht ihn gelegentlich in seinem Nebenjob arbeiten oder mit einem Mädchen flirten. Beides trägt die Handlung aber nicht weiter.
So ist es auch unklar, wem dieser Film wirklich gehören soll. Joe wirkt wie der logische Protagonist und Jerry fehlt einen guten Teil der Handlung. Irgendwie schwingen die meisten Entwicklungen immer wieder zu Jeanette zurück. Eine Frau, die es leid ist von Ort zu Ort geschleppt zu werden, weil ihr Ehemann es nicht auf die Reihe bekommt, einen einzigen Job gewissenhaft auszuführen und zu behalten.
Es sind diese schmerzhaften Elemente der Mutter und Joes Erkenntnis, wie komplex die Welt der Erwachsenen ist, die dem Film gelegentlich den so nötigen Gravitas geben. Der 14-Jährige pendelt zwischen dem Bedürfnis seine heile kindliche Welt zu behalten und der wachsenden Distanzierung zu den Erwachsenen. Doch sobald Dano diese Elemente wieder zur Seite legt wird der Film wieder etwas zahnlos.
Dano lässt sein Potenzial erkennen, schafft es aber nicht aus einem altbekannten Stoff viel Neues und Originelles herauszuholen. Wildlife ist somit als eine nette Fingerübung zu sehen, ohne klares Ziel und ohne eindeutiges Publikum. Jedoch darf man gespannt sein, was der Jungstar als nächstes abliefert. (sg)
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Alle Fotos: © Sony Pictures
Susanne Gottlieb schreibt als Filmjournalistin für die Helden der Freizeit, Kleine Zeitung, NZZ, Standard, TV Media, Filmbulletin, Cineuropa und viele mehr. Sie arbeitet im Filmarchiv Austria, berichtet von diversen Filmfestivals und hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert.