Metro: Exodus führt die Franchise von der U-Bahn in die weite Welt hinaus und bietet ganz nebenbei noch die emotionalste und persönlichste Story der gesamten Reihe. Wir haben das Spiel für euch bis in die letzte Nebenquest getestet und sagen euch, wie es sich im Vergleich zu seinen Vorgängern schlägt.
von Peter Huemer, 15. 2. 2019
Wieder sitzen wir im Schnee und in der Dunkelheit unter den Ruinen Moskaus. Metro ist zurück! Es warten erneut Mutanten, Banditen und Radioaktivität auf unseren Helden Artyom. Dieses Mal beschränkt sich das Spiel aber nicht auf den Untergrund, sondern erlaubt uns die unterschiedlichsten Landschaften zu erkunden.
Alles beginnt wie gehabt. Als Artyom kämpfen wir uns durch Mutantenhorden um am Ende eines Ausflugs an die Oberfläche zurück in unsere Station zu kommen. Rasch aber überschlagen sich die Ereignisse und wir sind gezwungen gemeinsam mit einer Gruppe enger Freunde, darunter Artyoms Frau Anna und deren Vater Colonel Miller, an Bord eines Zugs die Stadt zu verlassen. Damit öffnet sich das Spiel. An die Stelle enger Tunnel tritt das erste von drei offenen Arealen, die wir im Spielverlauf nacheinander besuchen. Am Ufer der Wolga gibt es, erstmals in der Reihe, auch Nebenquests zu verfolgen, eine Handvoll Banditenlager auszuräuchern und verlassene Gebäude nach Brauchbarem zu durchforsten. Damit kommt auch die erweiterte Spielmechanik hinzu.
Die Metro-Spiele waren bisher stets lineare Ego-Shooter mit Horrorelementen. Mit der offeneren Spielwelt kommt nun ein erweitertes Crafting-System dazu. Wir zerlegen erbeutete Waffen, sammeln Upgrades und säubern unsere Ausrüstung um sie funktionsfähig zu halten. Auf höheren Schwierigkeitsgraden werden diese Aspekte zum Muss. Jede verschossene Kugel will wohl überlegt sein. Ein Feuergefecht ohne gute Vorbereitung führt schnell zum verfrühten Bildschirmtod. Somit liegt in Metro: Exodus auch größerer Fokus auf der leider immer noch sehr rudimentären Stealth-Mechanik, die sich kaum von früheren Metro-Teilen unterscheidet. Überhaupt sind die Neuerungen im Spiel nicht revolutionär. Es handelt sich vielmehr um Kleinigkeiten, die sich trotzdem positiv auf die Lebensqualität auswirken.
Visuell ist Exodus über jeden Zweifel erhaben. Die Landschaften, die Gesichtsanimationen, die Kreaturen und überhaupt alles im Spiel sieht wunderbar aus. Dazu läuft Exodus (zumindest die PC Version, die wir getestet haben) wie geschmiert. Die Optimierung ist hervorragend.
Artyom verteidigte am Ende von Metro: Last Light an der Seite des Ordens die Geheimnisse des Bunkers D6 gegen die faschistischen Kräfte der Metro. In Exodus findet er nun heraus, dass Moskau von Störmasten umgeben ist, die jedes Funksignal unterbrechen und damit verheimlichen, dass die Welt außerhalb der Metro nicht vollständig im Atomkrieg zerstört wurde, wie die Bewohner des Untergrunds angenommen haben. Im Zuge dieser Offenbarung kommt es aber zu einer Verwerfung mit den herrschenden Kräften. Deshalb kapert Artyom gemeinsam mit seinen Kollegen vom Orden einen uralten sowjetischen Zug. Er flieht aus Moskau, um den Ursprung eines aufgefangenen Funksignals von der angeblich in einem Bunker in den Bergen ausharrenden russischen Regierung aufzuspüren. So weit die Vorgeschichte des Spiels.
Die weitere Handlung verläuft entlang der Eisenbahngleise. Die Crew des Zuges, den sie Aurora taufen, reist Station um Station ihrem Ziel entgegen. Dabei hat das Spiel eine Handvoll Twists parat, die zwar recht vorhersehbar sind, aber trotzdem für die notwendige Spannung sorgen. Das Zusammenleben der Menschen in der postnuklearen Welt stellt sich nämlich auch außerhalb des Mikrokosmos der Moskauer U-Bahn als alles andere als unproblematisch heraus.
Tatsächlich zeichnet sich die Geschichte von Metro: Exodus aber vor allem durch ihre Charaktere aus. Anders als in vergangenen Ablegern der Reihe verbringt Artyom den Großteil der Handlung an der Seite enger Freunde, denen früher bloß kleinere Auftritte gegönnt waren. In Metro 2033 und Metro: Last Light hatten Nebencharaktere meist eine sehr kurze Lebenszeit oder verschwanden über weite Strecken aus dem Geschehen. Dieses Mal werden sie zu echten Reisegefährten mit eigenen Erlebnissen, Handlungsbögen, emotionalen Momenten und vor allem Persönlichkeiten. So kommt echte Spannung und stellenweise echte Tragik auf, die uns Spieler mitten ins Geschehen hinein zieht. Gleichzeitig beweist Exodus auch großes Gespür für die leiseren Töne und konzentriert sich nicht nur darauf großes Spektakel zu servieren. Damit setzt sich das Spiel von der Ego-Shooter Konkurrenz auf bemerkenswerte Art ab.
Erwähnenswert ist auch, wie mühelos Metro: Exodus seine triste Weltsicht mit einer hoffnungsvollen verbindet. Das Spiel verzichtet darauf schwarz-weiß zu malen. Menschen sind stets zu furchtbarem fähig ohne jedoch Empathie vermissen zu lassen. Jede Person, ob Nebencharakter oder Statist, scheint unendlich viel erlebt, Tragisches mitangesehen und Schmerzen überstanden zu haben.
Wenn nun das Spiel uns darum bittet, eine Situation ohne Blutvergießen zu bewältigen, so genügt diese Gefühl von Menschlichkeit als Motivation. Ein perfektes Beispiel dafür ist eine Szene, in der wir im Zuhause eines an den Rollstuhl gefesselten Mannes sitzen. Er hält sich für einen Piraten und spricht mit den Leichen seiner ehemaligen Freunde, die er vergiftet hat als sie ihn verlassen wollten. Die Szene ist zum einen furchterregend, der vermeintliche Pirat ein Monster und zum anderen unheimlich traurig, wegen der Einsamkeit, der Verzweiflung und unterschwelligen Reue des Mannes.
Spielmechaniken haben sich im Vergleich zu den Vorgängern nur wenig verändert. Die Erweitungen des Crafting-Systems und das tiefer gehende Upgrade-System sind willkommene Zusätze zur Formel. Genauso wie die Boote und Autos in den offenen Spielbereichen. Die Waffen, die einem das Spiel in die Hände gibt, sind nicht allzu abwechslungsreich aber funktionell. Die ständig knappe Munition und die Hartnäckigkeit von Menschen und Monstern auf höheren Schwierigkeitsstufen sorgen für genügend Herausforderung ohne jemals unfair zu sein. Die großartige Grafik des Spiels und die tolle Beleuchtung erzeugen zusammen mit wohlplatzierten Schockmomenten und einer ominösen Geräuschkulisse für jene Gänsehaut, die wir uns von einem Metro-Spiel erwarten.
Metro: Exodus hält was es als großes Finale der Reihe verspricht. Es überwindet die erzählerischen Schwächen des Vorgängers, dem man noch stark anmerkte, dass er nicht mehr direkt auf einer Romanvorlage des Metro 2033 Autors (Dmitri Gluchowski) basierte. Exodus findet seinen eigenen Erzählton. Außerdem bricht es aus der Linearität der vorigen beiden Spiele aus, ohne die Handlung und Atmosphäre zu vernachlässigen. Das Spiel kann als Shooter, als Horrorgame und als emotionale Erzählung gleichermaßen überzeugen.
Noch mehr Game-Reviews findet ihr in unserem Spieler-Bereich!
Screenshots von heldenderfreizeit.com
Peter Huemer stellt bei den Helden der Freizeit jedes Monat in "Peters Buchtipp" ein außergewöhnliches Werk vor. Außerdem schreibt er bei uns über Games, Kino und Streaming. Der Freie Schriftsteller hat vergleichende Literaturwissenschaft studiert und arbeitet auch als Lektor, Korrektor und Übersetzer.